Erinnern Sie sich noch, als alle Menschen guten Willens Twitter nach der Übernahme durch Elon Musk verließen und in Scharen zu Mastodon überliefen? Nein? Macht nichts, ich auch nicht. Diesmal aber würde alles anders werden, denn mit Meta (vormals Facebook) steigt nun ein anderer Social-Media-Gigant ins Kurznachrichten-Business ein und möchte Twitter mit seiner neuesten Kreation „Threads“ das Fürchten lehren.
Wenig überraschend fanden sich beim Start innerhalb kürzester Zeit 10 Millionen Nutzer ein, die den Twitter-Klon austesten wollten, darunter zahlreiche Prominente aus Hollywood, die mit Musks Twitter schon lange nicht warm werden konnten. Die App selbst orientiert sich in Design und Funktionsweise an Twitter, allerdings mit einigen wichtigen Unterschieden. So sammelt Threads reihenweise persönliche Daten seiner Nutzer und gibt sich hinsichtlich deren Nutzung – wie man es von den anderen Zuckerberg-Plattformen Facebook und Instagram gewohnt ist – äußerst bedeckt.
Das ist mit ein Grund dafür, dass Threads zwar in über 100 Ländern an den Start ging, nicht aber in der EU, denn durch seinen freizügigen Umgang mit personenbezogenen Daten befürchte man „Komplikationen bei der Einhaltung einiger Gesetze, die im nächsten Jahr in Kraft treten“, so Threads-Mitbegründer Adam Mosseri gegenüber dem Tech-Magazin The Verge. Gemeint sind damit datenschutzrechtliche Bestimmungen, allen voran der Digital Markets Act der EU, der, neben dem Digital Services Act, die weitreichendsten Folgen für Social-Media-Anbieter wie Meta mit sich bringen wird.
Metas Haupteinnahmequelle liegt nämlich in der Sammlung personenbezogener und privater Daten wie zum Beispiel Gesundheitsdaten und deren Verarbeitung für unter anderem Werbezwecke. Die dafür notwendigen Berechtigungen, jedoch, sollen laut EU-Regularien künftig strengeren Auflagen unterliegen. TechCrunch berichtet wiederum, dass Facebook erst kürzlich eine Strafe von über 1,3 Milliarden Dollar für die Weiterleitung von Daten europäischer Nutzer in die USA auferlegt wurde. Damit dürfte Meta vorerst die Lust auf einen schnellen Start seiner Twitter-Kopie in der EU vergangen sein.
All das hält die öffentlich-rechtlichen Medien Deutschlands aber nicht davon ab, den Start von Threads dennoch zu feiern, als wäre der Rundfunkbeitrag erhöht worden. Immerhin geht es ja gegen Elon Musk und sein Twitter der freien Meinungsäußerung. Da kann schon mal ein Auge zugedrückt werden und die Verstöße gegen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen – zum Beispiel beim ZDF – auf „noch offene regulatorische Fragen“ reduziert werden.
Gänzlich ignoriert werden von ARD, ZDF & Co. allerdings die ersten Beschwerden über die bereits jetzt weitreichende Zensur bei Threads. Mehrere Nutzer berichteten, innerhalb von wenigen Minuten nach ihrer Anmeldung bereits auf einer Zensurliste gelandet zu sein. TE-Autor und Twitter-Files Mitaufdecker Michael Shellenberger griff dies auf und forderte einerseits Transparenz für solche Entscheidungen, die Möglichkeit für Nutzer Einspruch einzulegen, sowie rechtliche Konsequenzen für die Nichteinhaltung der Wahrung der Privatsphäre durch die neue App.
Angesichts dieser Anlaufschwierigkeiten bleibt abzuwarten, ob Threads tatsächlich die versprochene Konkurrenz für Elon Musks Twitter sein wird. Viele Nutzer fanden jedenfalls – wie zuvor bei Mastodon – bereits ihren Weg zurück.