Mit jedem neuen Terroranschlag wird einen vernünftige Diskussion des Migrationsthemas schwieriger. Das Gegenteil brauchen wir.
Nun ist der Terror in der U-Bahn-Station Maelbeek vor der Haustür der EU angekommen. Symbolischer geht es nicht.
Hinter den vordergründigen Nachrichten über weniger oder doch nicht weniger Miganten, die auf griechischen Inseln ankommen, geht die Frage nach dem Deal Merkel & Erdogan unter. Bedeutet die anvisierte Visa-Freiheit, dass die Türkei allein entscheidet, wen sie nach EU-Europa schickt?
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Das ist rational richtig und emotional falsch. Je näher die Terroreinschläge kommen und je häufiger, desto mehr vergiften sie das polarisierte gesellschaftliche Klima noch weiter.
Alle reden von Integration
Alles spricht von Integration, als ob das etwas wäre, was alle oder jedenfalls die meisten Beteiligten und Betroffenen irgendwie ganz selbstverständlich wollten. Die einen beklagen, dass sie (noch) nicht gelungen ist, die anderen verlangen die Integrations-Leistung von der aufnehmenden Gesellschaft, wieder andere wollen das zur Pflicht der Einwanderer machen, auch formal als verpflichtende Vereinbarung, als Vertrag, nicht wenige bezweifeln, ob Integration überhaupt gelingen kann oder nur in mehreren Generationen – und eine unbekannt große Zahl der Einheimischen will keine weiteren Zuwanderer oder zugleich die Rückführung praktisch aller, die schon da sind.
Die Unaufrichtigkeit beginnt damit, dass diese Bandbreite der Einstellungen öffentlich möglichst nicht ausgesprochen wird. Fortgesetzt wird sie mit der Weigerung, die Vermischung von (rationalen) Argumenten und (emotionalen) Empfindungen in den Köpfen und Herzen der Menschen wahrnehmen zu wollen und überhaupt für zulässig zu halten.
Dass Terroristen sich oft aus den in Europa ansässigen Migranten-Communities, Parallelgesellschaften, No-Go-Areas rekrutieren, ist belegt. Dass sich solche Terror-Zellen der logistischen Möglichkeiten auf den Migrantenrouten bedienen, um Leute zwischen Europa und dem Nahen Osten hin und her zu bewegen, aber auch, um Waffen, Sprengstoff usw. zu transportieren, ist bekannt. Schwimmende Grenzen zwischen politischem Terror und organisierter Kriminalität inklusive Schleuser-Mafia kommen hinzu.
Von Brüssel bis Paris (mit Ablegern in Deutschland) wird sichtbar, dass sich Terror-Netzwerke in den Parallelgesellschaften etabliert haben, die sich unter der Mehrheit ihrer friedliebenden Mitglieder sicher fühlen – „schwimmen“ können im Meer der Sympathisanten wie einst die Rote-Armee-Fraktion (RAF) in der Bonner Republik und die Roten Brigaden in Italien. Das Versagen der Sicherheitsbehörden in Belgien macht denen in Deutschland Angst, die sich an das Versagen der eigenen Polizei und Justiz erinnert fühlen.
Die Zuwanderungsfreundlichen wollen sich ihr positives Bild nicht nehmen lassen: Der lautlose Wechsel vom falschen Sammelbegriff Flüchtlinge für alle Migranten zum ebenfalls längst nicht auf die Mehrheit zutreffenden Wort „Schutzsuchende“ dokumentiert ihre Unsicherheit. Die Zuwanderungsgegner sind mit sachlichen Argumenten gegen einen nicht vorhandenen Zusammenhang zwischen Einwanderung und Terror nicht zu erreichen. Das ist nicht weiter verwunderlich.
Unsere Kriegsgeneration hat ihre Kulturalisation nicht geändert, wieso sollte die Zuwanderergeneration das können?
Ich sah neulich im Fernsehen eine Dokumentation über Kriegskinder. Der politische Tenor entsprach dem, was „die 68er“ über ihre Eltern sagten: Sie haben ihr ganzes Leben lang nichts dazu gelernt, über ihre Einstellungen haben sie meist nicht gesprochen, aber geändert haben sie sie nicht. 1926 bis 2016: Soferne sie noch leben und solange sie es taten, sagten sie mir das oft selbst, nein, in wesentlichen Dingen haben wir uns nicht geändert.
Das bringt mich zur Frage: Warum sollen Einwanderer aus anderen Ländern, Kulturen und Religionen an ihren Einstellungen etwas ändern – wollen und können? Beim einzelnen, der noch dazu in sehr jungem Alter in eine einheimische Umgebung kommt, ist Assimilation nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich. Das ist schon bei Mehr-Generationen-Familien kaum noch zu erwarten. Der Beispiele sind viele, dass der regelrechte Ausbruch aus der Familie wohl der einzige Weg ist. Besonders gefährlich ist der für junge Frauen, wie uns unter dem verheerenden Stichwort „Ehrenmorde“ bekannt ist.
Lässt sich die Mehr-Generationen-Familie oder auch der Alleinreisende in einer der schon existierenden Parallelgesellschaften nieder, in No-Go-Areas, gliedern sie sich in diese leicht ein. Das ist auch – ohne ideologische Brille – das normalste von der Welt. In einer Umgebung fern der Heimat, die dem gleicht, was sie von zuhause gewöhnt sind, fühlen sie sich wohl. Das war nicht anders, als Deutsche, Iren und Polen, Franzosen und Italiener nach Amerika auswanderten: Sie ließen sich in homogenen Vierteln nieder. China-Town findet sich in vielen Metropolen der Welt.
Zeit für Tabu-freie Fragen
In Europa ist es an der Zeit, ein paar Fragen möglichst vorurteilslos neu zu stellen, bevor sich alle – einheimische Befürworter, Skeptiker, Gegner und vor allem die Einwanderer selbst – heillos in Schaukämpfe und Schlimmeres verstricken, die niemanden weiter bringen :
- Wer von den Einwanderern will sich überhaupt integrieren?
- Ist Integration in großer Zahl realistisch möglich?
- Sind integrationswillige Einwanderer in Wahrheit Assimilationswillige?
- Wie kann Anpassungswilligen das Leben fern der Parallelgesellschaften ermöglicht werden?
- Ist auf absehbare Zeit ein Nebeneinander von Einwanderervierteln und einheimischen Strukturen nicht friedensstiftender als eine improvisiert herbei administrierte „Integration“, die keine ist, weil sie – zumindest in absehbarer Zeit – keine sein kann?
- Was kann in den Herkunftsländern an tragfähigen Wirtschaftsstrukturen durch die Willigen in der EU errichtet werden, damit ganze Einwanderer-Kohorten in zehn Jahren anfangen können zurückzukehren?
Warum ich das am Tag der Anschläge in Brüssel schreibe? Je früher die Tabus der Weltwanderungsfrage unvoreingenommen diskutiert werden, desto besser. Weiteren Terror wird das nicht verhindern. Aber dass die Emotionen immer weiter hoch gehen und jede Diskussion unmöglich machen, kann vermieden werden – aber nur bei größter Offenheit.
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