Ökonom Sinn: Man kann alles Mögliche verbieten, dann hat man keine Industrie mehr

Professor Hans-Werner Sinn gilt als einer der führenden Köpfe der deutschen Volkswirtschaftslehre. Empirisch fundiert kritisiert er das oft kopflose Handeln der Politik. Er warnt vor den anstehenden Verteilungskonflikten und fordert ein Ende der dirigistischen Politik der Ampel und auf EU-Ebene.

IMAGO

München. Um die deutsche Wirtschaft wieder auf einen Wachstumskurs zu bringen, fordert der Ökonom Professor Hans-Werner Sinn eine Abkehr von der rigiden Klimapolitik der EU und der Verbotspolitik der Ampel-Koalition. „Die EU muss ihre Beschlüsse zum Teil kassieren. Das betrifft das Verbrennerverbot und die verschiedenen dirigistischen Maßnahmen für Sektoren und Wirtschaftszweige“, so Professor Sinn im Gespräch mit der September-Ausgabe des Monatsmagazins Tichys Einblick.

Klima und Umwelt könne Europa nicht retten, ohne die großen Verschmutzer einzubeziehen. „Wenn man Umweltschutz machen will, dann muss man es richtig machen. Das heißt, Koordination mit den großen Ländern der Welt und dass man innerhalb Europas einen Preismechanismus nutzt, wenn eine solche Koordination gelingt. Das heißt auch, man braucht einen umfassenden Emissionshandel, der alle Bereiche der Wirtschaft umfasst.“

Man brauche dagegen keine „einzelwirtschaftlichen Eingriffe und Vorschriften, wie man Häuser isolieren muss, wie man Automotoren bauen muss. Wir müssen mit diesem Dirigismus sofort aufhören. Wir wollen alles per Verordnung regeln. Das geht unweigerlich schief.“ Die Verbotspolitik sorge dafür, dass die Industrie abwandert, ohne dass es einen Vorteil für Umwelt und Klima geben wird. „Die chemische Industrie wird durch die Begrenzung der erlaubten Chemikalien weiter eingeschränkt.

Vorprodukte werden verboten, weil sie angeblich so „giftig“ sind. Das ist irreführend. „Chemische Stoffe sind meistens von Natur aus giftig, ohne dass das in Deutschland zu Problemen führt, weil man hochkomplexe Verfahren im Einsatz hat, die Gifte zu beherrschen und zu neutralisieren.“ Es sei die Frage, wie mit solchen Giften China und in Schwellenländern umgegangen wird. „Ob dort genauso viel Sorgfalt in die Beherrschung der Gifte investiert wird wie in Deutschland, wage ich zu bezweifeln.“

Am Ende werde auf diese Weise Deutschland deindustrialisiert. „Man kann alles Mögliche verbieten, wenn man will, aber dann bleibt keine Industrie mehr in Deutschland übrig, vor allem dann nicht, wenn es sich um komplementäre Industrien handelt und man zentrale Bausteine aus einem komplexen Wirtschaftsgebäude herausschlägt.“ Diese Zusammenhänge sehe die Bundesregierung offenbar nicht. „Die Zauberlehrlinge, die hier am Werke sind, gehören auf die Schulbank.“


Das gesamte Interview in Tichys Einblick 09-2024 >>>

Unterstützung
oder

Kommentare ( 33 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

33 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Flik Flak
25 Tage her

Man braucht einen umfassenden Emissionshandel, der alle Bereiche der Wirtschaft umfasst?

Das darf ja wohl nicht war sein!

Till Eulenspiegel
30 Tage her

Welche Rolle spielt das CO2 beim Klimawandel wirklich? Der permanente Wechsel des Klimas auf der Erde ist ein NATÜRLICHER Prozess, der seit Entstehung der Erde vor ca. 4,5 Milliarden Jahren Kalt- und Warmzeiten bewirkt! Der homöopathisch geringe Anteil von CO2 in der Luft hat darauf praktisch gar keinen Einfluss, wobei dieser auch im natürlichen Schwankungsbereich komplett untergeht (Rauschen)! In der Atmosphäre prägt nur Wasser entscheidend das Klima! Die Lufthülle der Erde (ohne Wasser) besteht aus folgenden wichtigen Volumenbestandteilen: 78% Stickstoff, 21% Sauerstoff und 0,9% Argon (ein Edelgas). Im verbleibenden Rest von 0,1% ist das CO2 mit 0,04% (400 ppm) enthalten.… Mehr

ketzerlehrling
1 Monat her

Das ist offenbar das Ziel.

Nibelung
1 Monat her

Prof. Sinn hat ja in vielen Fällen recht, wenn er die Wirtschaftspolitik kritisiert, wie viele andere auch, obwohl man mit Kritik allein nicht mehr weiter kommt, denn das ist für die rot-grüne Politkamarilla wie Schall und Rauch und man kommt ihnen nur bei, wenn man von der anderen Seite die Gamaschen enger zieht, weil das die einzige Sprache ist, die sie verstehen und nur so weiter hilft, denn Umtriebler im sozialistischen Geiste hatten wir leider schon zuviele und es am Ende zu sehen war, was dabei heraus gekommen ist.

Kuno.2
1 Monat her

Alles hängt am Narrativ, dass unser Spurengas Kohlendioxid mit nur 0,0004 % in der Athmosphäre vorhanden, die Ursache für den Klimawandel sei. Tatsächlich ist es aber die Sonne die in Abständen von Jahrhunderten (kurze Welle) und Jahrtausenden (lange Welle) den Abstand zur Erde ändert.

Rosalinde
1 Monat her
Antworten an  Kuno.2

Pardon. Es sind nur 0,04 %. Also zwei Nullen bei Ihnen zuviel.
Man kann die 400 ppm, also Teile pro Million, nicht mathematisch ausrechnen mit 400 : 1000000.

HPs
1 Monat her
Antworten an  Kuno.2

Abgesehen davon dass Sie Prozentrechnung nicht verstehen. (400/1.000.000 = 0,04%!)
Die solare Einstrahlung an der Oberkante Atmosphäre hat sich seit 100 Jahren nicht geändert (1361 W/m2 +/- 0,1 %).
Es ist aber trotzdem wärmer geworden.
Wie passt das mit diesen dubiosen „Abstandswellen“ zusammen ?

Ahnungslos
1 Monat her

Wie sagte Dr. Andreas Beck in einem Interview über Europa:
Für die EU arbeiten 55.000 Beamte, davon alleine 33.000 für die EU-Kommission, deren Stellenbeschreibung es ist, den ganzen Tag nur neue Regeln, Verordnungen und Gesetze zu erarbeiten.

Man kann einen Wirtschaftsraum zerstören, ohne dass ein einziger Schuss fällt…

Dieter Rose
1 Monat her

Wer will hier? W I R wollen gar nichts als unser bisschen Leben in Frieden zu verbringen ohne von Maßnahmen betroffen zu sein, deren Begründung nicht erwiesen ist.

Haba Orwell
1 Monat her

> Die EU muss ihre Beschlüsse zum Teil kassieren.

Wieso nur zum Teil, wenn der CO2-Schwindel in Gänze korrupter Murks ist? Irgendwann muss man es offen sagen.

bfwied
1 Monat her

Niemand macht beim Emissionshandel mit außer der EU + ein paar andere, wie Norwegen, UK. Das sind ca. 5 % der Weltbevölkerung. Der Rest kümmert sich entweder nicht im Geringsten um das Klima bzw. die Hysterie oder ist, und das sind die allermeisten, zu arm, um in Zertifikate zu investieren. Die wollen ohnehin nur zum niedrigsten Preis Energie! Es wird sich noch durchsetzen: CO2 hat nur eine sehr geringe Wirkung. 0,042 %-Anteil an der Luft. Eine Verdoppelung wäre bei gleichbleibendem Eintrag in 150 J. ungefähr möglich, Folge: Erwärmung um 0,6-1,0 °C, das ist Physik, die Vorhersagen der Hysteriker haben sich… Mehr

StefanSch
1 Monat her

Die Ideologen haben überall das Zepter übernommen. Herr Sinn hat das noch nicht kapiert. Er versucht mit Fakten und Logik zu argumentieren. Aber damit dringt er bei Ideologen nicht durch. Diese Leute leben in einer Parallelwelt. Das Problem ist die Masse, die wieder ohne Nachzudenken den Heilsptedigern hinterher läuft. Aber die Uhr tickt. Früher oder später wird auch die Masse merken welchen Scharlatanen sie da wieder ihre Stimmen gegeben haben und wie sie zugelassen haben das Schulabbrecher und Ahnungslose ihnen die dollsten Märchen aufgetischt haben.

bfwied
1 Monat her
Antworten an  StefanSch

Herr Sinn ist Wissenschaftler, dementsprechend denkt er und kann auch nicht verstehen, dass – man kann es ruhig so ausdrücken – das Volk so furchtbar dumm ist. Dennoch glaubt auch er mehr od. weniger den Wissenschaftlern, die ihm einredeten, dass CO2 das Klima so verändere, wie sie behaupten. Das wiederum kann ich nicht verstehen. In meiner Tätigkeit in der Wissenschaft bin ich/istman grundsätzlich sehr skeptisch. Aber die Skeptiker in meinem Metier sind leise, weil sie wissen, dass alles im Fluss ist u. man niemals ans Ende des Wissens kommt – das aber behaupten die CO2-Polithysteriker, die auch Herr Sinn, zwar… Mehr