Massen-Tassen-Lieferungen beunruhigen Berlin.
Berlin 19.10. Das Kanzleramt teilt mit, dass seit einigen Tagen merkwürdige Päckchen einträfen. Die Lieferungen stammten aus dem ganzen Bundesgebiet, seien persönlich an die Kanzlerin adressiert und enthielten Tassen. Die Hintergründe seien noch nicht bekannt.
23.10. Die Tassenlieferungen (wir berichteten) geben nach wie vor Rätsel auf. Nachdem anfangs nur einzelne Päckchen eingegangen seien, kämen sie nun in großer Zahl. Manchmal stauten sich vor dem Kanzleramt Lieferwagen von Paketdiensten. Der Sicherheitsdienst sehe sich bei Abfertigung und Prüfung zunehmend Belastungen ausgesetzt und solle personell aufgestockt werden. Paketbomben habe man aber bislang nicht erhalten, es seien ausnahmslos Tassen.
26.10. Das Kanzleramt meldet, dass nun auch ein Schrank geliefert worden sei. Kanzleramtschef Altmaier äußerte sich dankbar, fügte aber hinzu, dass im einzigen Raum des Kanzleramts, der nicht für Repräsentation und Besprechungen benötigt werde, kein Platz sei. Dieser Raum, im Hausjargon „das Oberstübchen“ genannt, sei viel zu beschränkt.
28.10. Kanzleramtschef Altmaier hat sich an die Bevölkerung gewandt. Er bat, von der Zusendung weiterer Tassen abzusehen. Die Kanzlerin benötige im Kampf gegen die Flüchtlingsströme alle ihre Kräfte und dürfe nicht noch zusätzlich durch den Zustrom von Tassen belastet werden.
29.10. Das Kanzleramt berichtet, neuerdings sei manchen Päckchen ein Zettel beigelegt, mit Texten wie „Als Ersatz“ oder „In den Schrank damit!“. Man habe den letztgenannten Rat probeweise befolgt, erwartungsgemäß habe sich aber keine erhellende Wirkung eingestellt. „Wir werden nicht schlau draus“, hat sich die Kanzlerin mittlerweile selbst in der Angelegenheit geäußert.
2.11. Der Chef des Kanzleramts hat auf Anfrage betont, man werde der „Sache mit den Tassen“ angesichts gewichtigerer Aufgaben nicht viel Aufmerksamkeit widmen. Nach unseren Informationen ist jedoch immerhin eine Arbeitsgruppe mit dem inoffiziellen Namen „TassForce“ gebildet worden. Dass bei deren Sitzungen ordentlich gebechert werde, können wir einstweilen nicht bestätigen.
Wir bleiben dran.
Gastautor Tillmann Wegst hat linguistisch-pädagogisch-philosophisch studiert, dann Lexikograph und (nicht nur technischer) Autor – arbeitet er nun als freiberuflicher Software-Entwickler. Er sagt, in seinem Mix aus politischen, philosophischen, technisch-wissenschaftlichen und musischen Zügen, gewinnt in einer Zeit wie dieser der politische spielend die Oberhand.
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