Tarnen und Täuschen mit der SPD, eine Erinnerung

Die SPD ist in Brandenburg seit 1990 Regierungspartei und stellt seitdem regelmäßig den Ministerpräsidenten. Nicht wenige behaupten, ein grundlegender Politikwechsel würde dem Land guttun, da diese Partei inzwischen völlig abgetakelt sei.

© Alexander Hassenstein/Getty Images

Die SPD möchte den Skandal um den Hochstapler Simon Vaut schnellstmöglich beenden. Der in Berlin sesshafte Hamburger hatte bei der Wahl zum Spitzenkandidaten für die anstehende Europawahl mit blumigen Worten seinen Wohnsitz in der Stadt Brandenburg an der Havel vorgegaukelt und eine angebliche Stadtbewohnerin als Partnerin erfunden, obwohl es sich lediglich um eine Bekannte handelt, die darüber hinaus in Berlin wohnt. Erst als die sich so missbraucht gefühlte junge Frau dem privaten Brandenburger TV-Sender SKB offenbarte, kam der Betrug heraus. Der einstige SPD-Hoffnungskandidat begründet seinen Schwindel:

„Ich bin häufig in meinem Leben umgezogen, bin nirgendwo verwurzelt.” Diesen Nachteil habe er „mit einer Überinszenierung” überdecken wollen.

SPD-Europawahlskandal
Der Felix Krull von Brandenburg
Selbstreflektion ist nicht jedermanns Sache, denn in der EU würde der ach so nette Herr Vaut genau diese Entwurzelung durch eine ausufernde Globalisierung und dem Abbau der Nationalstaaten aktiv mitgestalten. Sein nächster Fake?

Nun möchte die Landes-SPD schnell wieder zur Tagesordnung übergehen, denn man befürchtet einen Schaden für die Wahl. Vaut hat sich das Büßergewand übergestülpt und seine Fehler „freiwillig“ eingeräumt. Die Lieblingskandidatin von Ministerpräsident Woidke, die linksgrüne Ex-Jusochefin Maja Wallstein, wird anstelle des reuigen Sünders ins Europaparlament einziehen, wenn sie denn gewählt werden sollte. Ende gut alles gut?

Die SPD ist in Brandenburg seit 1990 Regierungspartei und stellt seitdem regelmäßig den Ministerpräsidenten. Nicht wenige behaupten, ein grundlegender Politikwechsel würde dem Land guttun, da diese Partei inzwischen völlig abgetakelt sei. Der karrierebewusste „Mann von Welt“, Vaut, tauchte in Brandenburg auf wie der langersehnte Heilsbringer von Gottes Gnaden, wenn man voraussetzt, dass MP Woidke noch unterhalb des Papstes angesiedelt ist. Das Personal in der Landes-SPD scheint dünn gestreut zu sein, wenn selbst aufgeblasene Schaumschläger turbomäßig, ohne jegliche Überprüfung, durchstarten können.

Genauer hinschauen lohnt sich

Was ist das für ein SPD-Ortsverband, der solch einen Kandidaten ungeprüft durchwinkt, obwohl dieser dort bestenfalls ein Vierteljahr „bekannt“ gewesen sein soll? Schauen wir einmal genauer hin.

Der Landtagsabgeordnete und ehemalige Chef dieses SPD-Unterbezirks Ralf Holzschuher hatte es immerhin vom August 2013 bis November 2014 zum Innenminister geschafft. Ich habe den Politiker bei mehreren Veranstaltungen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) persönlich erlebt. Einmal gab er beispielsweise den geneigten aber verdutzten Zuhörern bekannt, dass man nach den erfolgten Grenzöffnungen nach Osteuropa nicht mit einem Anstieg der Grenzkriminalität gerechnet habe. Er beendete stets eine Gewerkschaftsveranstaltung mit der Bemerkung, dass man sich auch gern persönlich an ihn wenden könne.

Als ein Beamter und meine Person das Angebot auch noch beim Wort nahmen und um eine Audienz baten, scheiterten wir bereits im Ansatz mehrfach und wurden stets erfolgreich abgewimmelt. Probleme? Gibt es keine! „Fehlerkultur“ ja, aber nur von oben nach unten. Das subjektive Befinden vorbei an den tatsächlichen Realitäten ist an höherer Stelle besonders explizit ausgeprägt. Führungs„kultur” wie im Zeitalter der Dampfmaschinen.

Das sahen der Polizeipfarrer Sven Täuber und der Chef der DPolG Brandenburg Peter Neumann ähnlich: „Ministerium und Polizeispitze verlangten kritiklosen Gehorsam von ihren Untergebenen, die ihrerseits eine Schönschreibe- und Erfolgsmeldekultur wie zu besten DDR-Zeiten beklagten“. Auf Mobbing- und Vertuschungsvorwürfe reagierte Neumann: „Das sei symptomatisch für die Polizeiführung des Landes, Probleme werden teils ignoriert oder kleingeredet.“

Geändert hat sich seitdem, trotz unendlich vieler Beteuerungen und maßlosen narzisstischen Eigenlobs der Führung, nichts.

Anderswo geht es auch nicht anders zu

Stichwort „Mobbing“: Machen wir weiter mit dem SPD-Unterbezirk, der Simon Vaut in froher Erwartung naiv durchgewunken hatte. In einer WhatsApp-Gruppe der Genossen wurde Holzschuher als „Arschkriecher“ und die jetzige Fraktionsvorsitzende im Stadtparlament als das „Aas“ tituliert. Weitere Freundschaftbekundungen im Wortlaut: „Renate, die alte Ratte“, „Marianne, die Hexe“, „Lilo, die sich nicht mehr in den Griff bekommt“, Daniel, der „glatzköpfige Zwerg“, Ralf, der „Tagträumer, dem die Fraktions-Kollegen die Pest an den Hals wünschen“ und immer wieder „Britta, die vertrocknete Pflaume“.

Darüber hatte ein weiteres SPD-Mitglied ein „Buch“ verfasst, (sie war aus der Gruppe herausgeflogen, Rache ist bekanntermaßen süß), deren ehrgeiziges Dossier immerhin stolze 512 Seiten umfasst. Das verräterische Pamphlet wurde daraufhin fleißig herumgereicht, natürlich auch an die örtliche Presse durchgestochen. Der öffentliche Skandal war perfekt. Die sechsmonatige „Unterhaltung“ soll schon sechs Uhr morgens begonnen und erst gegen Mitternacht geendet haben. Offensichtlich gab es viel an Misshelligkeiten zu berichten. Das „Instrument des Hasses“ hatte zum Ziel, den Patron Holzschuher zu Fall zu bringen. Diesen erinnerte das Vorgehen der Opponenten wiederum an „Stasimethoden“. Von den zehn Aufrührern überlebten bis heute nur zwei ihre SPD-Mitgliedschaft.

Jede Zeit produziert einen bestimmten Typus

Diese Verwerfungen sind die Saat, aus der neue „Lichtgestalten“ am Himmel aufsteigen, sie sind das Futter für Selbstdarsteller und Narzissten. Der bis dahin im SPD-Unterbezirk völlig unbekannte Blender Simon Vaut hatte demzufolge leichtes Spiel, die angeschlagenen Genossen, die auf der Suche nach einem Messias waren, zu überzeugen. Eine geschliffene Rede, die auf Emotionen setzt, smartes Auftreten mit einem vermeintlich offenen Lächeln ebneten ihm bis knapp vor dem Ziel den Weg für einen hochdotierten Posten in Brüssel.

Die SPD ergötzte sich in einem Akt der Selbstverleugnung triumphierend an ihrem eigenen Populismus, feierte sich selbst und keiner hat es gemerkt – wenn da nicht die Berliner Bekannte des Himmelsstürmers gewesen wäre.

Wie hoch die Dunkelziffer der Vauts ist, weiß niemand genau. Mutmaßlich sind es nicht wenige, die tricksen, täuschen und tarnen, um schamlos Karriere zu machen und Menschen dafür zu ge- und missbrauchen.

Der Drang, eigene und/oder gruppenbezogene defizitäre innere Sehnsüchte in vermeintliche Erlöser hineinzuinterpretieren, steigt von Tag zu Tag bis hin zur entrückter Entzücktheit und Massenhysterie. Zum Beispiel wurde Greta Thunberg, mit dem Antlitz eines zwölfjährigen Kindes, in Schweden zur „Frau des Jahres“ gewählt, vom skurrilen Abend der Verleihung einer „Goldenen Kamera“ ganz zu schweigen.

Die Grenzen zwischen Betrug (Vaut) und politischem Missbrauch von Personen (Greta) verwischen sich dabei immer mehr zu einer Einheit. Hochkonjunktur für „Phantasiebegabte“ zeigt der weitere Fall Claas Relotius. Willkommenskultur „Wir schaffen das!“ und Klimawende sind die populistischen Erlöserphrasen für politikgemachte Flüchtlingsströme und eine gewinnmaximierende Energiehochpreispolitik, im Namen der geradezu religiös angebeteten Globalisierung. Der Glaube hat schon längst die sachorientierte Lösungsstrategie ersetzt.

Zufälle gibt es keine, denn nichts kommt von nichts.


Steffen Meltzer, Herausgeber und Mitautor von Schlussakkord Deutschland – Wie die Politik unsere Sicherheit gefährdet und die Polizei im Stich lässt

Unterstützung
oder

Kommentare ( 26 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

26 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Bummi
5 Jahre her

Die braucht nienand mehr. Mieses Programm, mieses Personal.

schwarzseher
5 Jahre her

In Anlehnung an die Äußerung von Herrn Vaut : “ Wir sind häufig ( politisch ) umgezogen, sind nirgendwo verwurzelt „. Paßt doch bestens zur SPD.

ehill
5 Jahre her

Warum die Leute immer noch die SPD wählen? Ganz einfach, es geht um Vorteile. Egal, welche Wünsche der Bürger zur Verbesserung der höchst persönlichen Situation hat. Es gibt genug Genossen von unten bis oben in der politischen Landschaft, welche sich für die Wünsche einsetzen wollen, man muss sie halt nur wählen. Bei anderen Altparteien ist dies auch so, aber nicht ganz so traditionell und intensiv wie bei den Spezialdemokraten.

Reinhard Lange
5 Jahre her
Antworten an  ehill

Ich denke, es gibt genau drei Gruppen von Wählern der SPD: Günstlinge, sentimentale Träumer und diejenigen, die versehentlich in der Kabine das Kreuz an der falschen Stelle machen.

CIVIS
5 Jahre her

Da hat also die ganze SPD Brandenburg bis runter zum Ortsverband nicht mitbekommen (… wollen), dass ihr eigener EU-Kandidat keiner der Ihren ist. Was – nein – doch !

Ja liebe SPD; meint Ihr denn, der Wähler macht sich die Hose mit der Kneifzange zu. Ihr alle gehört weggefegt von der politischen Landkarte. Deutschland braucht keine Lügner und keine Laienschauspieler.

IJ
5 Jahre her

Die alte Tante SPD ist zu einer Organisation verkommen, die mehr und mehr fragwürdige Gestalten anzieht, offensichtlich, weil sie dort geschützt und gefördert werden. Hauptsache die (vorgegebene) Gesinnung stimmt.

Old-Man
5 Jahre her

Die SPD hat fertig,nicht nur in Brandenburg,sondern bundesweit.
Der angesprochene Politikwechsel sollte die SPD bundesweit für lange Zeit aus der Parlamentarischen Politik ausgliedern,dann gäbe es eventuell noch eine Chance für sie zu überleben und irgendwann wieder auf den Boden der Realität zurück zu kehren,aber so wie momentan wird es eine Reise ohne Rückfahrkarte!

pcn
5 Jahre her

„Tarnen, Täuschen“…eines fehlt noch …Lügen.
Das können die Genossen aus dem ff!

Und die würden so eine Gretel mit Kindergesicht direkt als ihren Messias nach Straßburg nominieren…wenn es eine adäquate Deutsche Ausgabe gäbe.

Solch eine lächerlich, dummbräsige Altsozialisten-Partei, ist schon einem Geschichtsmuseum würdig.

Wir haben ja so eine Einrichtung: „Haus der Geschichte.“ Genau…machen wir es möglich. Dort wäre dieses LUG- und TRUGpartei sicher und ewiglich ungefährlich gut aufgehoben!

Der-Michel
5 Jahre her

…. und dieser SPD – Kandidat:

https://www.vorwaerts.de/artikel/bereit-spd-kandidatur-woelfi-wendland-will-ins-kanzleramt

Noch haben die Genossen Humor.

RalledieQ
5 Jahre her

Ist die Geschichte um Vaut mal im regionalen ÖR-Funk beleuchtet worden? Würde mich bei dem SPD-Einfluss in den Rundfunkräten wundern. Falls nicht, kriegen das die meisten potentiellen SPD Wähler in Brandenburg doch gar nicht mit…

Tizian
5 Jahre her

Wer mal eine weile Kreis-und Landesverbandssitzungen nebst entsprechenden Wahlen der jeweiligen Funktionärsriegen mitgemacht hat, egal bei welcher Partei, der kann eigentlich nur angewidert vom Parteiensystem und dem Politikbetrieb sein. Es gibt wohl kein gesellschaftliches System, in dem in so großer Zahl völlig Untaugliche bis hin zu skrupellosen Blendern und Karrieristen an so hochdotierte und lukrative Positionen kommen und dann auch noch im schlimmsten Fall kommunale oder noch höher angesiedelte Macht und Entscheidungsbefugnis haben. Dieses ganze Parteiensystem ist durch und durch korrupt, beruht ausschließlich aus Ellbogenmentalität und primitivster Klüngelei und wird nur noch durch die boshafte Konkurrenz und den Positionsneid der… Mehr

Sonny
5 Jahre her
Antworten an  Tizian

Kann ich bestätigen. Ich möchte mal eine Lanze für die Referenten brechen, die in Wirklichkeit 75% der Arbeit erledigen und i.d.R. Fachleute der Ressorts sind. Ein eventueller Glanz trifft aber immer nur die Abgeordneten. Theoretisch könnte man überall die erste Riege abrasieren und hätte dann wirkliche Fachleute an den Entscheidungsstellen. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus und der Klüngel ist riesig.