Wie Union und SPD das Parlament kaltstellen

Die nächste Sitzungswoche des Bundestags wurde auf Betreiben von Union und SPD gestrichen – mitten in Krisenzeiten und während laufender Koalitionsverhandlungen. Es ist ein dreister Versuch, unliebsame Debatten zu verhindern, noch ehe die Machtverhältnisse zementiert sind. Grüne, Linke und AfD protestieren.

IMAGO / Political-Moments

In einer demokratischen Selbstverständlichkeit hätte sich der Bundestag nächste Woche zur ersten Sitzungsrunde der neuen Legislaturperiode treffen sollen. Doch SPD und Union – die künftigen Hauptkoalitionäre – ließen im Ältestenrat kurzerhand die Notbremse ziehen. Ergebnis: Die Sitzungswoche vom 7. bis 11. April fällt aus.

Der Bundestag, offiziell das Zentrum der Legislative, wird damit stillgelegt – auf Wunsch derer, die ihn eigentlich tragen sollen. Was wie ein banaler Terminaufschub wirkt, ist in Wahrheit ein gefährlicher Angriff auf die Arbeitsfähigkeit des Parlaments – und ein dreister Versuch, unliebsame Debatten zu verhindern, bevor die Machtverhältnisse zementiert sind.

Kritik kommt von allen Seiten der Opposition. Christian Görke von der Linken spricht von einem „Affront“ gegen das Parlament: „Während hinter verschlossenen Türen Koalitionen geschmiedet werden, soll die Opposition in politischer Grabesruhe verharren.“ Auch die Grünen warnen vor einer gefährlichen Hängepartie inmitten multipler Krisen.

Besonders scharf kommentiert die AfD: „Die Union hat Angst vor der AfD – und vor ihren eigenen Wahlversprechen“, so Bernd Baumann. Denn faktisch gebe es bereits eine Mehrheit für Forderungen wie Grenzschutz oder Rückführungen – mit Stimmen von Union und AfD. Doch diese Debatte solle auf keinen Fall sichtbar werden. Baumann wirft der CDU vor, auf Zeit zu spielen, um später sagen zu können: „Wir würden ja gern – aber unser Koalitionspartner lässt uns nicht.“

Zwar hätten AfD und Linke gemeinsam das nötige Drittel der Stimmen, um den Bundestag trotz Koalitionsverhandlungen einzuberufen. Doch an der Brandmauer zur AfD will die Linke nicht rütteln – auch wenn sie inhaltlich ebenfalls auf eine sofortige Parlamentsarbeit drängt. Baumann nennt das „absurd“, und verweist auf die Blockadehaltung, die letztlich die demokratische Grundfunktion des Bundestags beschädige: Kontrolle, Debatte, Gesetzgebung.

Ein Parlament, das tagt, wenn es der Regierung passt – das kennt man eher aus anderen Breitengraden. Doch auch in Berlin werden die Weichen gerade gestellt: Richtung Ausschluss der Opposition, Entmachtung der Debatte und Koalitionsharmonie unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Es ist das zweite Mal, dass dieser Bundestag sich entmachten läßt: so haben Linke und Grüne verhindert, dass sich das Parlament rechtzeitig konstituierte, um die von Merz/Klingbeil verlangten Grundgesetzänderung und Zerstörung der Schuldenbremse zu behandeln. Das überließt man dem alten, abgewählten Bundestag. DIE LINKE hätte die Einberufung erzwingen können – zusammen mit den Stimmen der AfD. Da verzichteten die Linken lieber auf ihr Mandat und überließen die Macht den Altparteien CDU/SPD. Der Vorgang wiederholt sich.

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Kommentare ( 55 )

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55 Comments
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Teiresias
4 Tage her

Die Demokratie gefährdet „unsere Demokratie“.
Deshalb muss die Demokratie weg.
„Unsere Demokratie“ ohne Demokratie ist im Ergebnis „Unsere“.
Sie wollen sich ihr „Unseres“ nicht wegnehmen lassen.

Warte nicht auf bessre zeiten
5 Tage her

Am Ende wird such niemand mehr daran erinnern, was an Demokratie und Rechtsstaat eigentlich gut. Eine Institution nach der anderen wird abgeräumt werden können, von denen, die nach den Blockparteien die Macht bekommen. Das ist brandgefährlich, aber anscheinend nicht mehr aufzuhalten.

remick
5 Tage her

„Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das deutsche. Zwiespalt brauchte ich unter ihnen nie zu säen. Ich brauchte nur meine Netze auszuspannen, dann liefen sie wie ein scheues Wild hinein. Untereinander haben sie sich gewürgt, und sie meinten ihre Pflicht zu tun. Törichter ist kein anderes Volk auf Erden. Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden: die Deutschen glauben sie. Um eine Parole, die man ihnen gab, verfolgten sie ihre Landsleute mit größerer Erbitterung als ihre wirklichen Feinde.“, Naturphilosoph und Publizist Joseph Görres (1776-1848)   „Der Deutsche gleicht dem Sklaven, der seinem Herrn gehorcht ohne Fessel,… Mehr

jopa
5 Tage her

Es bleibt dabei: Auch die Linken sind eine Blockflöte der Nationalen Front. Warum nimmt man nicht deren Chef als Bundeskanzler? Einen Unterschied würde es nicht machen. Oder die 5 Oberblockflöten spielen Schere, Stein, Papier. Wer gewinnt wird Kanzler.

Aegnor
5 Tage her

Die korrekte Überschrift wäre gewesen: „Altparteien stellen das Parlament kalt“. Denn Grüne und SED sind eindeutig mit dabei. Ihre Proteste offensichtlich Krokodilstränen, da sie jederzeit den BT einberufen könnten. Selbst wenn man die Brandmauer ernst nehmen würde, ist es Unsinn da man die Einberufung des Parlaments, die demokratischste aller demokratischen Handlungen im Parlamentarismus, wohl kaum als Zusammenarbeit bezeichnen kann.

Normalzeitfreund
5 Tage her

Wir erleben gerade, wie der noch vorhandene Rest an Demokratie in diesem Land ausgehebelt und beseitigt wird – mit einer Dreistigkeit und Schamlosigkeit, die ihresgleichen sucht. Medien und Justiz, seit Jahren auf Linie gebracht, tragen es mit, die Gesinnungsgenossen in Gewerkschaften und NGOs applaudieren. Den Bürgern wird vor Augen geführt, dass sie weder durch ihre Wahlentscheidung noch auf dem Klageweg eine Möglichkeit haben, sich gegen diesen Staatsstreich zur Wehr zu setzen.

Endstadium0815
5 Tage her

Seit dem 24.02.2024 wurde die Demokratie beerdigt, wurde das Parlament beerdigt und nun bestimmen Lügner und Wahlverlierer, was in Deutschland so angesagt ist. Wir leben in einer Dystopie.

Kassandra
5 Tage her
Antworten an  Endstadium0815

Schon vordem, denn das ist seit Merkel nichts Neues. Die hatte, von wem auch immer, ihren Plan, ihre Agenda – und das zog sie halt vehement „alternativlos“ durch. Und nicht einer hat die Frau an irgendeiner Stelle aufgehalten! Wird jetzt mit Merz, so sie ihn tatsächlich wählen, auch nicht passieren – nur, dass es jetzt offensichtlich ist. Aus Merkels Rede zur Vorstellung des Allensbacher Jahrbuchs der Demoskopie „Die Berliner Republik“ am 3. März 2010 in Berlin“ ist überliefert: „Aber genau deshalb bin ich auch zutiefst davon überzeugt, dass es richtig ist, dass wir eine repräsentative Demokratie und keine plebiszitäre Demokratie… Mehr

Nibelung
5 Tage her

Trump hat es auf Deutschland abgesehen und will uns abwürgen um den Sozialisten seinen Willen aufzuzwingen durch allerhand Maßnahmen die uns noch teuer zu stehen kommen, denn sind wir erst mal am Ende, fallen die anderen Domino-Steine auch noch und Brüssel wird daran auch nichts mehr ändern, denn die sind hochgradig abhängig gerade von uns und seine Bekundungen die Nato aufrecht zu erhalten sagt garnichts, weil es nur Lippenbekenntnisse sind und bei einem atomaren Angriff gegen uns von US-Seite nichts unternommen wird um selbst zu überleben und selbst beim Iran folgen nur drohende Ankündigungen, denn geht es wirklich los ist… Mehr

Karlito
5 Tage her

Schön, wenn sich auch einmal das Parlament zurückgesetzt fühlt, das sonst nie müde wird, uns höhere Steuern sowie neue Pflichten aufzubürden, sowie Grundrechte zu streichen.

elly
5 Tage her

 „Wir würden ja gern – aber unser Koalitionspartner lässt uns nicht.“
dieses Narrativ der CDU lässt sich ergänzen: „… weil unser Kanzler viel zu schwach ist und ein Rückgrat aus Gummi hat“

Kassandra
5 Tage her
Antworten an  elly

Die arbeiten Hand in Hand – und immer zu Lasten der deutschen Bürger, die es in Vielzahl halt immer noch nicht bemerken wollen.
Vorwärts immer – Rückwärts nimmer!