Je länger die Miseren schön geredet und schön geschrieben werden, desto mehr gleicht das Verhältnis zwischen Bürgern, Medien und Staat einer gescheiterten Ehe. Ohne Einsehen und Entschuldigung geht es irgendwann nur noch um die Scheidung.
Sorry seems to be the hardest word. Haben Sie sich heute schon entschuldigt? Sind Sie ihrem U-Bahn-Nachbarn auf den Fuß getreten, haben Sie den Kaffee gekonnt über dem Bürotisch verteilt oder Ihre Kinder angeschnauzt, weil sie nicht schnell genug aus den Federn kamen? Haben Sie danach voller Reue eingestanden, einen Fehler begangen zu haben?
Vorsprung durch Eingestehen
Wenn Ihnen das gelungen ist, haben Sie einen klaren Vorsprung. Sie sind viel weiter als Meinungs- und Politikmacher in unserem Land. Sie haben schon begriffen, dass das ehrliche Eingestehen, etwas Falsches getan oder gemacht zu haben, das Gegenüber besänftigt. Die Wogen glätten sich, man fängt noch mal von vorn an. Die Wirkung einer Entschuldigung und das Spiel zwischen Vergebung erbitten und Vergebung gewähren ist so simpel, so menschlich selbstverständlich, dass Sie und ich und wir alle davon ausgehen können, dass es jeder beherrscht.
Doch als das Thema im Benimmunterricht dran war, haben unsere Eliten, egal ob hinter den Tischen hiesiger Blätter oder auf den Bänken der Regierung und des Bundestages, offensichtlich geschwänzt. Sich zu entschuldigen, gehört wohl nicht mehr zum Standardrepertoire von Journalisten oder Politikern. Denn sie müssten doch sehen, wenn etwas schief läuft in Deutschland. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass sie am Abend die Büros ihrer Elfenbeintürme verlassen und so tun, als wäre nichts. Denen das schnurzpiepegal ist, wenn sich Parallelgesellschaften bilden, Urlauber in Zügen angegriffen werden, Festivalbesucher nur knapp dem Tod entkommen, Links- und Rechtsradikale dem Staat auf der Nase herumtanzen, wenn sich das Volk langsam nicht mehr alles bieten lassen will und manche schon von Aufständen fabulieren, die Merkel und ihre Kumpane hinwegfegt. Sind jene denn wirklich so blind, so unbelehrbar, so völlig fehlgeleitet und ideologisch verbohrt, dass sie gar nicht mehr bemerken, dass Deutschland langsam einem Ebola-Kranken gleicht: die Hülle steht noch, aber das Innere löst sich schrittweise auf?
Das rosarote Licht der Versprechungen
Nur eine dieser, vorsichtig ausgedrückt, Pannen und Unzulänglichkeiten der vergangenen Monate hätte schon den Grund für eine Entschuldigung geliefert. Aber wir sehen uns mannigfaltigen Problemen gegenüber, denen die Führung der Republik absolut nichts entgegenzusetzen hat, dafür aber lieber noch mehr Rouge aufträgt, als Grundlagen anzupacken. Im Lichte des Vergangenen und Kommenden müsste uns ein Sturm der Abbitte entgegenschallen, dass uns die Ohren schlackerten. Verzeihung für fragwürdige Deals mit einem noch fragwürdigeren Osmanenchef. Vergebung für die Öffnung der Grenzen, den unkontrollierten Zustrom Hunderttausender Flüchtlinge, die Aushöhlung des Asylrechts als Hintertür der Einwanderung. Bedauern, dass nun Positionen übernommen werden, die vorher bestenfalls populistisch gegeißelt, schlimmstenfalls als Hetze deklariert wurden. Ein Widerruf vieler Schmähungen aus den Magazinen und Zeitungen, denen sich Zweifelnde, Fragende, Kritiker gegenüber sahen.
Würden die Verantwortlichen tatsächlich einmal in sich gehen, könnten sie die Augen doch nicht länger verschließen. Besser spät als nie, möchten wir ihnen dann zurufen. Aber es passiert nichts. Journalistisch und politisch wird uns ein Bild vorgegaukelt, dem schon längst die Farbe abblättert und die rissige Leinwand hervortritt. Der erhobene Zeigefinger, das Abkanzeln und Steinigen unliebsamer Zwischenrufer, das Zurechtbiegen unangenehmer Fakten, das Beschimpfen und Ausgrenzen von Mahnern oder Besorgten – das alles ist in Fleisch und Blut übergegangen. Keiner jener, die Deutschland in diese Lage gebracht haben, konnte sich bislang zu einem Wort des Bedauerns durchringen und denen, die auf der anderen Seite stehen, die Hand reichen.
Je länger die Miseren um uns herum schön geredet und schön geschrieben werden und je länger keine Einsichten Platz greifen, dass andere auch mal recht hatten, desto mehr gleicht das Verhältnis zwischen Bürgern, Medien und Staat einer gescheiterten Ehe. Ohne ein Einsehen, viel falsch gemacht zu haben und dies als Grundlage für eine anfangs vielleicht erst einmal dahingehauchte Entschuldigung zu nehmen, geht es irgendwann nur noch um die Modalitäten der Scheidung.
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