Rektor Kirbs der Universität Merseburg hatte sich scharf von dem Professor distanziert und juristische Schritte angedroht, weil dieser bei einer Eröffnungsfeier des Frauenhofer Instituts in Halle die Festrede Angela Merkels mit seiner Kritik an deren Einwanderungspolitik unterbrochen hatte. Nach anschwellendem Protest rudern die Politik und die Uni Merseburg schon wieder zurück. Ein hässlicher Nachgeschmack bleibt. Demokratie geht anders.
Die Distanzierung des Rektors insinuiert, dass der Chemieprofessor sich am Rande des Rechtsbruches bewegt hätte
Klar, die Festtagsgäste im Sonntagsstaat waren gewiss nicht in Realitätslaune, sondern eher im Champagnermodus und wollten nicht gestört werden. Das allerdings rechtfertigt nicht die Ruf- und Berufsschädigung in Kauf nehmende Attacke des Unirektors gegen den sich sorgenden Chemieprofessor und Vater:
Der Treibsatz, der in diesem Kontext in der Formulierung des Unirektors liegt, dass die Uni eventuell juristische Schritte gegen den Merkel-Unterbrecher einleiten könnte, enthält die Botschaft, dass der Chemieprofessor sich am Rande des Rechtsbruches oder gar einer Straftat bewegt hätte und gegebenenfalls aus der Uni entfernt gehörte. Allerdings: Mit solchen Insinuierungstechniken muss ein Unirektor vorsichtig und sehr restriktiv umgehen.
Auf die Frage, ob der nicht als privat, sondern als geladener Gast erschienene Chemieprofessor vom Thema, nämlich von der genannten Wertschöpfungskette abgewichen ist, kommt es wirklich nicht an. Auch die Kanzlerin hat dieses Thema nur pro forma bedient, ohne substanziellen Wert. Und ihre Wertschöpfungskette kann auch die Uni Merseburg und kann auch die regionale Wirtschaft vergessen, wenn politisch-gesellschaftliche Verwerfungen Platz greifen.
Wie glaubwürdig das politisch-korrekte Statement zu seiner politischen Haltung in Sachen Einwanderung auch immer sein mag. Tatsächlich sagt der oberste Uni-Vertreter, dass er die Einwanderungspolitik unterstützte. Das sagen viele und viele verweigern ihre Unterstützung. Das genau ist der aktuelle politische Diskurs oder, vielleicht besser, der politische Graben, den Merkel durch die Republik zieht.
Merkel bedankte sich bei dem Zwischenrufer
Merkel bedankte sich übrigens spontan bei dem Professor. Mag sein, dass sie es nicht so, wie sie es sagte, gemeint hat. Mag sein, dass sie ihren Dank ernst oder ganz im Gegenteil, bitterböse, sozusagen volle Kante ironisch gemeint hat. Nun ist Merkel verbal ziemlich platt und nicht sehr ironiefähig, aber hier könnte sie das Gegenteil von dem gemeint haben, was sie gesagt hat. Es ist wahrscheinlich, dass sie den Zwischenrufer abbürsten wollte und dass sie not amused war. Gelassen und souverän, wie sie die Medien gesehen haben wollen, war sie nicht. Und es zeugt von wenig Größe, dass Merkel offenbar zugelassen hat, dass die Veranstalter, also hoffentlich die Frauenhofer Gesellschaft den immerhin geladenen Zwischenrufer, hat, „abführen“ lassen. Immerhin der Zwischenrufer war mit seinem Zwischenruf fertig und machte keine Anstalten, tätlich zu werden oder sonst zu stören.
Souverän wäre es gewesen, wenn Merkel die eilfertigen Abführer an ihrem Tun gehindert hätte und dem Zwischenrufer die Möglichkeit angeboten hätte, ihr weiter zuzuhören und ihre Einwanderungspolitik vielleicht zu verstehen. Stattdessen verhielt sich die Kanzlerin so kleinkariert wie die Abführer und die Claqueure aus dem Publikum, die Merkels, wie gesagt, sehr kleinliches Statement gleich artig beklatschten.
Wenn Merkel und die Demokratie derlei Zwischenrufe nicht aushalten, die zu den Gummibärchen der gewalttätigen 68er-Bewegung gehört hätten, die das Recht der Meinungsfreiheit mit überbordender Kriminalität durchgesetzt haben will, dann Gute Nacht, Merkel, gute Nacht Deutschland.
Merkellager rudert zurück
Der extra angereiste Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff … hat sich inzwischen mit diesem Statement in die Debatte eingeklinkt. „So ist Demokratie. Ab und zu gibt es da auch Zwischenrufe. Dafür sind wir schließlich auf die Straße gegangen“. Gemeint ist sicher die friedliche Revolution, die die Meinungsdiktatur der DDR beendete. Das ist ein klares Signal, dass das Merkellager inzwischen zurückrudert. Natürlich möchte das Merkellager jetzt, wo erste Solidarität mit dem Chemieprofessor aufkommt, am liebsten Torf und Mulch über die Sache streuen und am liebsten keine Diskussion auslösen. In der Sache stehen der Unirektor und Merkel klar auf verlorenem Posten. Merkel bleibt die politische Antwort und die Erklärung der Zukunft in Sachen ihrer Einwanderungspolitik schuldig und der Uni-Vormann ist zu eilfertig zu weit vorgeprescht.
Wissenschaftsminister des Wahllandes Sachsen-Anwalt, Hartmut Möllring (CDU) will ebenfalls nicht eingreifen: „Für schlechtes Benehmen ist jeder selbst verantwortlich(…) „Man muss sich manchmal wundern, wer alles einen Professorentitel bekommt.“
Die kurz über dem Professor schwebende Drohung einer Entlassung, für die dieser keinen Grund geliefert hat, ist offenbar schon wieder vom Tisch. Die böse Absicht der politisch korrekten Uniführung ist jedoch sichtbar geworden. Merkels kleinkarierte Reaktion bleibt ebenfalls festzuhalten. Kritik an einem Regierungschef ist in jeder Art und Weise und in jedem Härtegrad zulässig, solange die Kritik nicht die Grenze der Strafbarkeit überschreitet.
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