Seehofer und Merkel 12: Halb zog er sie, dann sank er hin

Welchen Detailverlauf das ganze auch immer nimmt, der Aufstand in der Union verläuft sich. Ob es zum Eklat der Trennung von CSU und CDU kommt oder nicht, ihren Abstieg beim Wähler kriegen Seehofer und Merkel nicht mehr gestoppt.

© Michele Tantussi/Getty Images

Ein Absatz auf ZEIT online genügt, um die letzte Hoffnung fahren zu lassen, die immer noch viele haben:

«Der unionsinterne Streit um die Flüchtlingspolitik soll laut Innenminister Horst Seehofer (CSU) weder die Regierungskoalition beenden noch die Kanzlerin stürzen oder das Fraktionsbündnis mit der CDU auflösen. Das sagte Seehofer der Bild am Sonntag. „Niemand in der CSU hat Interesse, die Kanzlerin zu stürzen, die CDU/CSU-Fraktionsgemeinschaft aufzulösen oder die Koalition zu sprengen. Wir wollen endlich eine zukunftsfähige Lösung für die Zurückweisung von Flüchtlingen an unseren Grenzen“, sagte Seehofer.»

Merkel will in den zwei Wochen, die ihr Seehofer verweigert, also noch vor dem EU-Rat, mit Regierungen anderer EU-Staaten Abkommen zur Eindämmung der sogenannten Sekundär-Migration verhandeln. Warum erst jetzt und nicht früher? Warum nicht damals statt des Merkel-Alleingangs im Türkei-Deal? Seehofer und die Seinen reagierten auf den Druck der AfD, Merkel reagiert auf den Druck der CSU. Sobald beide den Druck los sind, machen sie weiter wie vorher.

Ob Seehofer als Innenminister tatsächlich Anweisung für die Zurückweisungen an der Grenze gibt oder die mündliche Grenzöffnungsweisung seines Vorgängers außer Kraft setzt, ist alles andere als sicher. Ob Merkel das hinnimmt, etwa mit der Ausrede, das würde ja nur ganz kurze Zeit gelten bis zu ihren bilateralen und EU-Erfolgen, oder den Bundespräsidenten ersucht, Seehofer zu entlassen, ebenfalls. Im Zweifel muss in dieser Mandarinen-Klasse immer mit dem kleinsten Nenner gerechnet werden. Größeres passiert nur zufällig aus Schlamperei. Wie bei Schabowski.

Es wird auch nichts mehr helfen, dass Deutschlands Verwaltungsrichter pro Seehofer votieren und wer sich sonst noch meldet.

Montag kommt der neue Ministerpräsident Italiens, Giuseppe Conti, nach Berlin. Danach wird Merkel die erste bilaterale Vereinbarung zur Zurücknahme von Migranten ankündigen und sagen: Seht, ich handle doch. Zeitlich wird das vor dem CSU-Vorstand in München sein und diesen weiter beeinflussen.

Welchen Detailverlauf das ganze auch immer nimmt, der Aufstand in der Union verläuft sich. Ob es zum Eklat der Trennung von CSU und CDU kommt oder nicht, ihren Abstieg beim Wähler kriegen Seehofer und Merkel nicht mehr gestoppt. Die Lawine rollt. Der TE-Titel Endspiel hat sich verselbständigt.

 
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Kommentare ( 142 )

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Thorben Friedrich-Dohms
6 Jahre her

„…. Abkommen zur Eindämmung der sogenannten Sekundär-Migration verhandeln.“ Die geplanten Änderungen an den Dublin-Regeln sollen die Sekundär-Migration nicht eindämmen, sondern legalisieren. Genau darauf wartet die Kanzlerin doch. Die neuen Regeln besagen ja, dass nicht mehr zwangsläufig das Land zuständig, in das ein Flüchtling zuerst einreist. Flüchtlinge sollen vielmehr in das Land dürfen, mit dem sie eine Verbindung haben. Das wird natürlich in den meisten Fällen das Land sein, in dem schon besonders viele Landsleute aufgenommen wurden. Merkel hat immer betont, sie wolle aus illegaler Migration legale Migration machen. Sie hat vor in diesem Falle Wort zu halten. Es kann ihr… Mehr

jboese2
6 Jahre her

Nach den letzten Meldungen soll die Polizei angewiesen werden, Asylbewerber die ausdrücklich den Wunsch äußern, nicht nach Deutschland einreisen zu wollen keinesfalls unter Einsatz von Gewalt über die Grenze zu ziehen. Die Grünen tragen das wohl mit.

Flavius Rex
6 Jahre her

Soeben der Durchbruch. Mit sofortiger Wirkung (oder auch ein bischen später, weiß man nicht so genau) dürfen Asylnachfrager mit Einreiseverbot NICHT einreisen.

Bisher war es ja durchaus üblich mit Einreiseverbot einzureisen.

Seehofer gibt wieder den Deppen Merkels. Nichts Neues in Deutschland. Vielleicht erinnern sich die CSU-Euphoriker nun an das letzte Mal, als sie dem Quatsch aus München glauben schenkten. Aber dieses Mal was das aller aller letzte, oder?

🙂

Regenpfeifer
6 Jahre her

Die CSU sollte nun konsequent sein und Drehhofer das Vertrauen entziehen. Aber welcher Politiker mit Format könnte ihn schon beerben und Pattex-Mutti vom Stuhl vertreiben?

Johann Thiel
6 Jahre her

Dran bleiben Herr Goergen, Sie kriegen das schon noch hin. Bei Nr. 25 haben Sie die Merkel weggeschrieben.

Flavius Rex
6 Jahre her
Antworten an  Johann Thiel

Na, ich denke, dass nach dieser machtpolitischen Meisterleistung nun der Wiederwahl Merkels im Jahr 2021 nichts mehr entgegensteht. Der Seehofer kapiert immer noch nicht, dass er nicht nur gegen Merkel kämpfen muss, sondern auch gegen die Medien, die alles mögliche zusammenlügen um Merkel zu schützen. Im vorliegenden Fall haben die Medien den Minimalplan Seehofers dramatisiert, damit nun auch die kleinste Kleinigkeit die Merkel umsetzt wie eine Tat der Vernunft im Angesicht unmenschlicher Grenzschließungsszenarien erscheint. Da ist er wieder, der Mythos von der vernunftbetonten Kanzlerin die es kann. Und Seehofer? Die einen sehen ihn als Versager, der nichts erreicht, die anderen… Mehr

Johann Thiel
6 Jahre her
Antworten an  Flavius Rex

Daher setze ich ja mein Vertrauen auch viel lieber in den Herrn Goergen als in den Seehofer.

Johann Thiel
6 Jahre her

Seehofer gefällt sich seit jeher in der Rolle des Lausbubs mit der Zwille. Ihm stehen zwar immer wesentlich gefährlicher Waffen zur Verfügung, aber er entscheidet sich immer für die Zwille. Damit kann man den ganzen Tag lang Streiche spielen, und das tut auch machmal ein bisschen weh, aber ernsthaften Schaden kann er damit nicht anrichten. Auf diese Weise ist er immer im Gespräch, aber so richtig böse kann ihm am Ende dann doch keiner sein. Er ist mit dieser Rolle ausgefüllt und zufrieden. Mehr hat er nie vorgehabt. Es könnte jedoch sein, daß er ganz versehentlich mit seiner Zwille, die… Mehr

Niklas
6 Jahre her

Von Anfang an war die Option auf dem Tisch, Seehofers Budenzauber durch Volksverarschung zu entschärfen. Es zeichnet sich ab, dass genau diese Variante nun gespielt wird. Vielleicht war das auch von Anfang an der Plan – eine nette klein Theatervorführung vom „starken Horst“ für den bayrischen Wähler. … Seehofer („Es kann keine faulen Kompromisse mehr geben!“) wird sich heute die MÖGLICHKEIT eröffnen, an der Grenze zurückzuweisen, wird es aber nicht TUN. Merkel bekommt ihre zwei Wochen, was im Klartext heißt, dass das Thema mal wieder richtung St.Nimmerleins-Tag entschwindet, denn in zwei Wochen ist das alles schon wieder kalter Kaffee bzw.… Mehr

Karl Heinz Muttersohn
6 Jahre her

Seehofer beweist mal wieder seine hohe Beweglichkeit und zieht das Schwänzchen ein und macht artig Platz. Wer heute noch glaubt, die etablierten Parteien wären willens und in der Lage die brennenden Probleme der ungeordneten Migration zu lösen, dem ist einfach nicht mehr zu helfen. Der kleine Schaukampf zwischen Mutti und Horsti fällt unter „Brot und Spiele“ für den Wahlmichel.

Thorsten
6 Jahre her

„vae victis“ bleibt da nur zu sagen. Es könnte aber sein, dass der deutsche Michel dies Spiel irgendwann durchschaut und dann die CSU/CDU mit der SPD mit 10% + x leben müssten.
Zumindest in Sachsen deuten sich solche Verhältnisse an. Die CDU sollte überlegen, ob sie ihr „Kanzler-Abo“ wirklich riskieren will.

Herrad Landsberg
6 Jahre her

Das ist doch gar nicht so dumm. Warum soll Seehofer der Merkel nicht zwei Wochen Zeit geben.
Sie wird in den zwei Wochen nichts reißen und sich nur noch mehr blamieren.
Die EU-Partner sind gegen Merkels realitätsferne Politik. Sie diskutieren ganz andere Lösungen.
Hat Frau Merkel samt ihren Vasallen eigentlich die Entwicklungen um sie herum verschlafen?
Die Realitätsverweigerung dieser Frau ist schon erschreckend.
Hat sie keine Berater? Kann sie nicht umdenken?
Geisterfahrerin in der Tat. Ihre Tage sind gezählt.

Thorsten
6 Jahre her
Antworten an  Herrad Landsberg

Die 14 Tagen sind eine Merkel-übliche List auf Zeit zu spielen und die Zeit dazu zu nutzen, die Putschisten auseinander zu dividieren.

giesemann
6 Jahre her

Wer kennt noch die DC (= democratia christiana), Schwesterpartei der CDU/CSU in Italien? Is‘ schon lange wech. Wer erinnert sich an die Sozialisten in FR? An Hollande? Alle wech. Der Einbruch des Islamofaschismus beginnt das Gesicht Europas zu verändern – hoffen wir, in die Richtung zur Erhaltung unserer „Offenen Gesellschaften“ im Sinne von Karl Popper, die ihre Feinde erkennt und ausschaltet.