Neue Enthüllungen im Cum-Ex-Skandal machen Scholz immer unglaubwürdiger

Olaf Scholz wird den Cum-Ex-Skandal nicht los. Ein neu aufgetauchtes Mail-Postfach aus seiner Hamburger Zeit, beziehungsweise die Lücken darin, und das seiner Büroleiterin nähren den Verdacht, dass Scholz mehr weiß über die erlassene Steuerschuld der Warburg-Bank, als er bisher preisgab.

IMAGO / photothek
Bundeskanzler Olaf Scholz

Wenn es nach Olaf Scholz geht, soll sein Auftritt vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss zur Cum-Ex-Affäre am Freitag eine langweilige Angelegenheit werden. Auf seiner Sommerpressekonferenz in Berlin behauptete er, er habe ja schon alles zur Aufklärung beigetragen, was er könne, und werde alles eben noch einmal sagen.

Allerdings ist es fraglich, ob er mit dieser ganz dem Gemüt des „Scholzomaten“ entsprechenden Herangehensweise durchkommen wird. Denn in der Presse werden immer neue Details zu seiner damaligen Rolle als Erster Bürgermeister Hamburgs beim Erlassen der Steuerschuld der Warburg-Bank nach deren Cum-Ex-Geschäften bekannt. Wie der Stern berichtet, hat Scholz sich nicht nur mit Warburg-Chef Christian Olearius getroffen (an Inhalte will sich Scholz nicht erinnern können), sondern bislang Treffen mit seinem damaligen Finanzsenator (und Nachfolger) Peter Tschentscher und den einflussreichen SPD-Politikern Alfons Pawelcyk und Johannes Kahrs verschwiegen, die im Zusammenhang mit der Warburg-Affäre stehen könnten. „Was hat dieser Mann zu verbergen?“ lautet der Titel des aktuellen Stern-Heftes.

— Fabio De Masi ? (@FabioDeMasi) August 17, 2022

Stern-Reporter Oliver Schröm spricht davon, Scholz habe den Skandal „mit allen möglichen Täuschungsmanövern, mit Unwahrheiten“ kleingeredet. Er unterstellt ihm eine „Lüge“. Dokumente, aus denen Stern, Manager-Magazin und NDR zitieren, legen die Vermutung nahe, dass die Aufklärung behindert und dabei möglicherweise gegen Gesetze verstoßen wurde. „Dieser Skandal wird seine Kanzlerschaft überschatten, er wird ihn nicht mehr loskriegen“, sagt Schröm.

Die neuen Erkenntnisse, über die auch das Manager-Magazin berichtet, stammen unter anderem aus einem Mail-Postfach von Scholz (olaf.scholz@sk.hamburg.de) aus seiner Zeit als Bürgermeister, das versehentlich nicht komplett gelöscht wurde. Ein Polizeikommissar stieß bei Recherchen darauf. „Es folgt ein wohl historisch einmaliger Vorgang“, heißt es im Manager-Magazin: „Ein Polizist beschlagnahmt mit einem richterlichen Beschluss das frühere Postfach eines amtierenden Bundeskanzlers. Gegen Scholz selbst ermitteln die Beamten nicht. Aber doch kommen die Beamten dem Kanzler in den folgenden Monaten immer näher.“

Außerdem hat die Kölner Staatsanwaltschaft, wie Stern, Manager-Magazin und NDR berichten, schon im April ein Mail-Postfach von Scholz’ Büroleiterin Jeanette Schwamberger beschlagnahmt. Wegen: Verdacht auf Löschung von Beweismaterial. Der entsprechende Durchsuchungsbeschluss stamme vom Amtsgericht Köln. In dem Beschluss gehe es um die Zeit, als Scholz schon Bundesfinanzminister war. In dem Postfach könnten sich, so die Argumentation des Gerichts, relevante E-Mails zur Vorbereitung der Zeugenaussage von Scholz im Hamburger Untersuchungsausschuss zur Cum-Ex-Affäre im April 2021 finden.

Laut den drei Medien gibt es in dem Postfach eine E-Mail von Schwamberger vom April 2021, die die Staatsanwaltschaft Köln als verdächtig einordnet, weil sie offenbar eine Abfrage des Hamburger Untersuchungsausschusses betrifft zu Terminen von Scholz zum Thema Cum-Ex, der Warburg-Bank und mit Bankmanagern und Politikern. In der Bewertung der Staatsanwaltschaft heißt es: „Die folgenden Kalendereinträge und Mails sind potenziell beweiserheblich, da sie auf Überlegungen zum Löschen von Daten schließen lassen.“

Scholz selbst hatte auf Anfrage dem NDR mitgeteilt, er sei „weder in die Kalenderabfrage noch in die Übersendung der Kalenderauszüge eingebunden“ gewesen, berichtet der Sender. Das hätten Schwamberger und Wolfgang Schmidt (inzwischen Kanzleramtsminister) erledigt. Eine Regierungssprecherin sagte dem NDR: „Es hat keine ‚Auswahl‘ von Kalenderdaten gegeben.“

Bislang wird nicht gegen Scholz ermittelt, sondern gegen eine Hamburger Finanzbeamtin und gegen die ehemaligen SPD-Politiker Johannes Kahrs und Alfons Pawelczyk. Ein Bargeldfund von über 200.000 Euro in einem Schließfach von Kahrs und eine Whatsapp-Nachricht der Finanzbeamtin über einen „teuflischen Plan“, hatten dem Fall neue Brisanz gegeben. Der Verdacht ist, dass das Trio der Privatbank M.M. Warburg in den Jahren zwischen 2016 und 2018 geholfen hat, eine Rückforderung von – durch Cum-Ex-Geschäfte – zu Unrecht erstatteten Steuern in fast dreistelliger Millionenhöhe zu verhindern.

Aber natürlich ist Scholz trotzdem die eigentliche Hauptfigur in der Affäre. Denn es ist erwiesen, dass sich der damalige Erste Bürgermeister Scholz im Vorfeld der Entscheidung der Finanzbehörde, die Steuerschuld zu erlassen, mehrfach mit dem damaligen Warburg-Chef Christian Olearius traf. Was die beiden bei diesen Gelegenheiten besprachen, ist der bislang ungeklärte Kern der Affäre. Scholz meint sich daran nicht erinnern zu können.

Der Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft, vor dem Scholz am Freitag erneut befragt wird, will klären, ob der heutige Bundeskanzler damals als Bürgermeister und Tschentscher als sein Finanzsenator politisch Einfluss auf die Entscheidung der Finanzbehörde, die Steuerschuld zu erlassen, genommen haben. Sowohl Scholz als auch Tschentscher bestreiten das. Mit den neuen Aufdeckungen in der Presse wird diese Behauptung immer unglaubwürdiger.

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