Maria Himmelfahrt, 15. August 1914:
Vor der Kathedrale des belgischen Kleinstadt Dinant führt eine gesichtslose Brücke über die Maas. Unbedeutende Kreuzungen wie diese werden manchmal zu Schicksalsorten. An Maria Himmelfahrt, am 15. August 1914 erreichte der deutsche Vorstoß quer durch Belgien die Stadt; Franzosen versuchten die Brücke zu verteidigen. Dabei wurde der Leutnant Charles de Gaulle verwundet. Es sollte nicht seine letzte bleiben; im Laufe des Krieges wurde de Gaulle mehrfach verwundet, geriet in Gefangenschaft, versuchte fünf mal zu fliehen und wurde wegen seiner überragenden Körpergröße von 1,95 Meter immer wieder erkannt und festgenommen. Noch einen Weltkrieg später wurde er 1959 erster Präsident der 5. Republik. Eine seiner großen Leistungen war die Aussöhnung mit Deutschland. Das muss man erzählen in einer Zeit, in der allein die Absicht, Frieden herbei zu führen, Barack Obama schon den Friedensnobelpreis gebracht hat.
Auf der Brücke in Dinant steht aber kein Bild von de Gaulle, sondern große Saxophone. In der Stadt wurde auch Adolphe Sax geboren, er hat das Instrument erfunden. Es ist ein gutes Zeichen, wenn Kriegshelden oder große Politiker Musikern als Vorbilder weichen können.
Wenige Kilometer weiter liegt Charleville. Herz der Kleinstadt ist ein riesiger herzoglicher Palast. Er wurde wenige Wochen nach der Schlacht in Dinant Hauptquartier der Obersten Heeresleitung. Die Offiziere fühlten sich wohl in den Palästen und Patrizierhäusern; das erinnerte sie an die preussische Pracht Potsdams oder Berlins. An der Maas wurden Pferderennen veranstaltet, während einen Tagesritt weiter die mörderische Schlacht von Verdun tobte. Bekanntlich gilt der erste Weltkrieg als moderner, technikgetriebener Krieg, aber er wurde gezogen und getragen von 11 Millionen Pferden, Eseln und Maultieren. Und es war ein Wirtschaftskrieg. Die deutsche Besatzung beschlagnahmte in allen Geschäften der Stadt kriegswichtige Seidenfäden; alle Garne mußten gemeldet werden. Wer es vermied, wurde standrechtlich erschossen. Die Kirchenglocken wurden eingesammelt und eingeschmolzen, um aus dem Metall Rüstungsgüter herzustellen. Auch die Pracht des germanisierten Charleville konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Krieg wirtschaftlich entschieden wurde. Heute sind Dinant und Charleville wirtschaftliche Notstandsgebiete, Ruinenlandschaften der Desindustrialisierung, verschwunden aus der Geschichte und den historischen Gedenkveranstaltungen – vor hundert Jahren Schauplatz und Logenplatz mörderischer Schlachten.
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