Die saarländische CDU und andere Parteien stärken die SPD

Im Saarland wird am 27. März gewählt. Die SPD hat gute Chancen, nach über zwei Jahrzehnten den Posten des Ministerpräsidenten zurückzugewinnen. Zumal die politische Konkurrenz hilft: etwa die AfD, die in Saarbrücken und Umland wohl nicht zur Wahl zugelassen wird.

IMAGO / BeckerBredel
Tobias Hans, CDU, Ministerpräsident des Saarlandes

„Der Ministerpräsident des Saarlandes ist ein besserer Landrat“, heißt ein beliebter Scherz im Internet. Und an dem ist was dran. Zum einen ist das Saarland das kleinste Flächenland der Republik mit gerade mal 700.000 Wahlberechtigten. Zum anderen ist es aus eigener Kraft nicht mehr lebensfähig. Deswegen beschäftigt sich der saarländische Landtag im Wesentlichen nur mit zwei Arten von Anträgen. Das eine sind Initiativen für den Bundesrat, in dem die Saarländer den anderen Deutschen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben: Soll Werbung für Prostitution erlaubt sein? Oder dürfen Unternehmen „Lockvogel“-Angebote machen?

In solchen Fragen soll am saarländischen Wesen das deutsche Land genesen. Der andere Antragskomplex sind Beschlüsse über Dinge, die das Saarland für sich gerne finanziert sähe und für die es den Bund dringend auffordert, seiner Verantwortung gerecht zu werden. Also zu bezahlen, was die Saarländer wollen, sich aber nicht leisten können.

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In einem solchen Umfeld ist es schwer, sich ernsthaft politisch zu profilieren. Desto mehr zählt Symbolpolitik. Ministerpräsident Tobias Hans wäre gerne ein Meister darin, scheint aber schon an der Gesellenprüfung zu scheitern. In der Corona-Politik wechselte er zwischen den Rollen des Hardliners und des vorzeitigen Öffners. Er gehörte zuletzt zu den ersten, die 2G-plus einführten. Auf die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft muss er keine Rücksicht nehmen. Die Saarländer haben sich eh daran gewöhnt, von Transfers des Bundes abhängig zu sein.

Doch so klein und schwach das Saarland ist, seine Wahl ist ein Stimmungstest. Schon weil es die erste Landtagswahl nach Antritt der Ampelkoalition im Bund ist. Aber auch, weil es eine mögliche Abstimmung über die Corona-Politik ist. Zumal es bisher an landespolitischen Themen gefehlt hat. Hans hat sich jüngst dafür ausgesprochen, den Gymnasiumsbesuch wieder von acht auf neun Jahre zu verlängern. Dabei war es die CDU, die G8 an der Saar eingeführt hatte. So politisch beliebig erscheint die Union dieser Tage nicht nur im kleinsten Flächenland. Auch das könnte Hans bewogen haben, sich in die erste Reihe zu stellen, als seine Partei im Bund die Impfpflicht und die Rückkehr zum Ausnahmezustand gefordert hat. Wenigstens in diesem Punkt will Hans entschlossen wirken.

Bisher hat das nicht gefruchtet. Die ehemalige Kugelstoßerin und aktuelle Spitzenkandidatin der SPD, Anke Rehlinger, liegt in den Umfragen vorne, bei Infratest mit fünf Prozentpunkten vor der CDU. Bisher regiert Rehlinger als Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin mit Hans in einer Großen Koalition. Der hat das Amt des Ministerpräsidenten aus eigener Kraft noch nicht gewonnen. Er hat es geerbt, als seine Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer als Nachwuchshoffnung der Partei in die Bundespolitik gewechselt ist.

Das Saarland ist keine natürliche SPD-Hochburg. In den 1950er Jahren gab es im Saarland sogar zwei christdemokratische Parteien. Eine war für, die andere gegen die Unabhängigkeit des Saarlandes. Beide waren einzeln jeweils stärker als die Sozialdemokraten. Bis 1985 regierte die CDU dann im ans „Reich“ angegliederte Bundesland. Reich nennen die Saarländer das Deutschland östlich von Kaiserslautern und nördlich von Trier. Dann kam Oskar Lafontaine und prägte anderthalb sozialdemokratische Jahrzehnte an der Saar. Politisch legte er sich links fest, von der Attitude gab er sich konservativ – etwas anderes hätte auch nichts gebracht in einem Land, das von katholischen Bergarbeitern geprägt wurde.

Als Lafontaine 2008 ins Saarland zurückkam, erlebte die Linke einen Aufschwung. Zwischenzeitlich sah es so aus, als ob sie mit ihm den ersten westdeutschen Ministerpräsidenten der ehemaligen SED inthronisieren könnten. Bei der Wahl 2009 reichte es immerhin für 21,3 Prozent und für 11 von 51 Sitzen im Landtag. Lafontaine war unter den Saarländern extrem beliebt. Außerdem profitierte er davon, dass in Ministerien, Behörden, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Organisationen noch viele Führungskräfte saßen, die ihm ihre Karriere verdankten.

Doch diese Euphorie ist längst verflogen. Vor fünf Jahren kam die Partei noch auf 12,9 Prozent. Auch die scheinen dieses Mal unrealistisch: Die Linke an der Saar ist heillos zerstritten. Ihren einstigen Hoffnungsträger wollen manche Genossen mittlerweile rauswerfen. Der streitbare Lafontaine lässt an seinem Landesverband auch kein gutes Wort mehr und ruft zur Wahl anderer Parteien auf, sodass die Linken vermutlich Stimmen verlieren werden. Die SPD hätte eine gute Chance, diese Wähler an sich zu binden.

Saarland
Landeswahlleiterin attestiert den Grünen „eklatanten Verstoß gegen die Demokratie“
A propos zerstritten. Das trifft auch für die AfD an der Saar zu. Deren Fraktionsvorsitzender und langjährige Landeschef Josef Dörr gilt selbst anderen in der AfD als Rechtsaußen. Dörr war bei der Wahl um den Spitzenplatz der Kreistagsliste René Selzer unterlegen. Daraufhin hat er die Liste angefochten. Sein Vorwurf: Die andere Seite habe noch schnell Mitglieder rekrutiert, die aber noch nicht korrekt aufgenommen gewesen seien. Das Landgericht Saarbrücken hat ihm nun recht gegeben. Die Konsequenz wäre, dass die AfD im Wahlkreis Saarbrücken nicht antreten könnte. Dort leben aber ein Drittel der Wahlberechtigten. Und die AfD stand in den Umfragen vorher bei 9 Prozent.

Wie schafft man nun den Übergang vom selbst für AfD-Verhältnisse rechts außen stehenden Josef Dörr zu den Grünen? Der Sprung fällt erstaunlich kurz aus: Dörr war jahrelang Schatzmeister der Grünen an der Saar und ein enger Vertrauter sowie Zechgenosse von Hubert Ulrich, der Eminenz des Grauen im grünen Landesverband. Zu seiner Erfolgsbilanz gehört, dass die Grünen im Saarland stets unter 6 Prozent blieben und bei der letzten Wahl aus dem Parlament flogen. Der unpopuläre Populist hatte auf das klassische Landtagsthema Kampf gegen Trump gesetzt.

Was es heißt, nicht zu einer Wahl zugelassen zu werden, erlebte Ulrich erst vor einem halben Jahr. Seine Wahl als Spitzenkandidat im Land stieß auf die Missgunst von Annalena Baerbock, die gemäß des Statuts eine Frau an dieser Stelle sehen wollte. Über das eigene Schiedsgericht ließ sie diese Wahl canceln. Die neu gewählte Liste fiel wiederum vor einem regulären Gericht durch und die Grünen durften bei der Bundestagswahl an der Saar nicht antreten.

Ulrich ist eine Figur, die mit schillernd noch wohlwollend umschrieben ist. Skandale begleiten seinen politischen Weg. Den Verband führte er mit einem diktatorischen Stil, der ihm den Spitznamen „Der Panzer“ eingebracht hat. Die über 600 Mitglieder des Kreises Saarlouis verschafften ihm unter den Delegierten die notwendigen Mehrheiten. Das Gerücht, diese Zahl komme unter dubiosen Umständen zusammen, hielt sich über die drei Jahrzehne, die Ulrichs Karriere nun andauert. Zwar tritt der Verband nun mit Spitzenkandidatin Lisa Becker an, die als politisch clean gilt – doch Ulrichs Schatten dürfte noch lang sein.

Das Stichwort „lange Schatten“ führt wiederum zur FDP. Die Liberalen waren in dem Land der Bergarbeiter ohnehin nie stark. Doch die Affären rund um ihren ehemaligen Landeschef Christoph Hartmann ließen die Partei erst aus der Regierung ausscheiden und dann in eine Liga absteigen, in der sie gegen die Familien- oder die Tierschutzpartei antrat – und mitunter sogar verlor. Ihr aktueller Landeschef Oliver Luksic erhofft sich Rückenwind aus Berlin. Der soll die FDP wieder zurück in den Landtag und am besten auch in eine Ampelregierung tragen. Und so klein das Saarland ist: Der Test, ob Gelb als Teil der rot-grünen Regierung wahrgenommen wird, dürfte für alle im Reich spannend sein.

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Kommentare ( 16 )

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16 Comments
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Juergen P. Schneider
2 Jahre her

„Ministerpräsident Tobias Hans wäre gerne ein Meister darin, scheint aber schon an der Gesellenprüfung zu scheitern.“ Der gute Mann hat ja auch tatsächlich keinen Beruf erlernt. 18 Semester studiert ohne Abschluss. Der Bäckergeselle, der meine Frühstücksbrötchen backt, hat mehr Berufsqualifikation als der Zivilversager in der Staatskanzlei. Aber wir haben uns ja daran gewöhnt, von beruflich gescheiterten Existenzen regiert zu werden. Vielleicht ist das auch der Grund, warum es in unserem Land stetig bergab geht. Unabhängig von der politischen Ausrichtung ist die erwähnte Kugelstoßerin, Frau Rehlinger, zumindest examinierte Juristin und hat auch eine Zeit lang als freie Mitarbeiterin in einer Anwaltskanzlei… Mehr

Nibelung
2 Jahre her

Die Schwarzen sind doch durch das Wunder des Ostens schon längst sozialdemokratisiert worden und haben damit jeden Anspruch verloren Oppositionspartei zu sein, daß sind die Blauen und sonst niemand die sich innerhalb der deutschen Einheitspartei befinden. Mit welchem Regierungsanspruch wollen die denn überhaupt noch antreten ohne eigenes Profil und ihr neuer Vorsitzender ist doch nun in eine ernste Krise geraten, denn als gedachter Kanzlerkandidat ist er gestartet und befindet sich nun in einer undefinierbaren Ecke, aus der er nur noch herauskommen kann, wenn er die Gelben herausbricht und die Blauen mit einbindet, ansonsten werden sie lange in der Oppostion bleiben,… Mehr

Juri St.
2 Jahre her

Tobias Hans, Kreissaal, Hörsaal, Plenarsaal, keinen Abschluss aber sich wichtig tun. Wer solches Spitzenpersonal hat braucht keine Gegner. Wenn Merz mit Leuten wie Hans, Brinkhaus und Kretschmer nicht aufräumt, wird das nichts mit der ‚Erneuerung‘. Dann muss die CDU demnächst um die 5 Prozent Hürde kämpfen oder sie schließt sich als Blockpartei der ‚Ampel‘ an.

Iso
2 Jahre her

Warum soll denn das Saarland nicht lebensfähig sein? Wenn der Förderalismus funktionieren, und man die Bundesländer machen lassen würde, bräuchte das Saarland keine Bundeszuschüsse. In der Schweiz klappt es mit den Kantonen schließlich auch. Aber Demokratie und Förderalismus sind in diesem Staat nur Etiketten. Da macht es schon keinen Unterschied mehr wen man wählt, man bekommt immer das Gleiche, nur schlimmer. Ebenso bei der AfD. Bei denen frage ich mich inzwischen auch, ob die überhaupt oppositionsfähig sind?

christin
2 Jahre her

„Zum anderen ist es aus eigener Kraft nicht mehr lebensfähig.“

Wie auch Berlin, Bremen und andere Bundesländer, die ohne Länderfinanzausgleich nicht über die Runden kämen.

Sonny
2 Jahre her

Ich erwarte keinerlei Sensation. Das Parteiensystem hat sich verselbständigt und wird schon vor der Wahl ausgekungelt haben, wie man die Wählerstimmen im Falle des Falles ad absurdum führen kann, um trotzdem den desaströsen Deutschland-Weg fortzsetzen zu können.
Wie heißt es doch so schön: Wenn Wahlen heute tatsächlich noch etwas ändern könnten, wären sie längst verboten. Dem schließe ich mich an.

Thomas Hellerberger
2 Jahre her

Über die Frage, warum die AfD in den westlichen Bundesländern – wo sie vor rund 10 Jahren gegründet wurde – letztlich gescheitert ist (und das ist sie, auch wenn sie noch in einstelligen Prozentstärken in den Landtagen sitzt), ließe sich ein mehrseitiges Essay schreiben. Allerdings hat es gerade im Westen unter dem Markennamen AfD schon mehrere Parteien gegeben, die seit 2015 einander abgelöst haben. Am Ende sind sie alle aber daran gescheitert, das geschickte Narrativ der CDU zu durchbrechen. Aufgrund der Nachkriegssozialisation will die deutsche Mittelschicht im Westen um keinen Preis „rechts“ sein. Jeder, der sich in den westlichen Bundesländern… Mehr

Medienfluechtling
2 Jahre her
Antworten an  Thomas Hellerberger

Deswegen gebe ich den kommenden Verhältnissen gute 30 Jahre… Erst muss die ganze Generation Baerbock in den Ruhestand gehen.

MariaundJosef
2 Jahre her

Ein ( von den Bürgern nicht gewählter und mit viel Vit.B ausgestatteter ( Vater war bekannter CDU-Politiker, aber ein ganz anderes Kaliber)..) Ministerpräsident, der ungestraft in einer „Quasselshow“ verkünden darf, an die Adresse der selbstdenkenden, mündigen Bürger : ……dann seit ihr raus aus dem gesellschaftlichen Leben…( Zitat Hans)…muss mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt werden. Ein Gernegroß, der sich gewaltig überschätzt! Aber diese Ex-Kugelstoßerin und sogenannte Wirtschaftsministerin…bringt auch nix auf die Reihe. Das schäbige, armselige Land ( ich bin Saarländer) soll sich auflösen…hinweg damit!

Babylon
2 Jahre her

An der Saar, Saargebiet hieß es von 1920-1935, Saarland von 1947-1956 beide Male unter französischer Oberhohheit, dann wieder Saarland als Land der Bundesrepublik Deuschland, geht einiges quer von oben nach unten, rechts und links, bunt gemischt und wieder andersrum.Dieses Land ist tektonisch unterminiert und wackelt ständig. Kleinere bis mittelschwere Erdstöße sind an der Tagesordnung. Die Saar ist äußerster Westen, die Dinge ändern sich und beiben stets so wie sie sind. Insofern kann man sagen „Im Westen nichts Neues“

Last edited 2 Jahre her by Babylon
Franz Grossmann
2 Jahre her

Ist eine große Absurdität, dass das Saarland, von der Größe her ein Landkreis in Bayern, ein eigenständiges Bundesland ist. Das Saarland ist nicht überlebensfähig und ist auf ständige Subventionen vom Bund angewiesen. Diese trifft auch für andere Bundesländer zu, z.B. Bremen. Eine Reduzierung der Anzahl der Bundesländer würde eine erhebliche Kosteneinsparungen bedeuten, genauso wie die Reduzierung der Größe des Bundestages auf seine Normgröße. Aber das politische System ist bereits in einem Ausmaß degeneriert, dass selbst kleinste sinnvoll Reformen nicht mehr möglich sind.

Berlindiesel
2 Jahre her
Antworten an  Franz Grossmann

Seit 1949 gilt in Deutschland, dass die vor 1949 getroffenen Entscheidungen der Alliierten sakrosankt sind, und nicht infrage gestellt werden oder gar geändert werden dürfen. Dazu gehört – neben dem Föderalismus insgesamt – insbesondere auch die Grenzen der Länder, mögen sie noch so künstlich und unsinnig sein. So wurden auch 1990 im Osten die fünf noch von der sowjetischen Besatzungsmacht gegründeten Länder, die keinen anderen Sinn hatten als Preußen zu zerschlagen (den Beschlüssen von Jalta folgend) sinnloserweise restauriert. Ein Land „Sachsen-Anhalt“ ist ebenso an den Haaren herbei gezogen wie Mecklenburg-Vorpommern, oder Rheinland-Pfalz, die sinnlos zwangsvereinigten Rheinland und Westfalen, die nur… Mehr

Kuestensegler
2 Jahre her
Antworten an  Berlindiesel

Man könnte es auch anders sehen und den Bund abschaffen. Nordrhein-Westfalen hat in etwa so viele Einwohner wie die Niederlande. Und kein Bundesland hat weniger Einwohner als Luxemburg. Und wenn mich nicht alles täuscht, werden die Niederlande und Luxemburg nicht schlechter regiert als NRW oder Bremen.

Thomas Hellerberger
2 Jahre her
Antworten an  Kuestensegler

An sich nicht falsch, aber: Wie wollen Sie diese Länder legitimieren? Nationen legitimieren sich von selbst nur durch eine Homogenität an Kultur, Sprache und Ethnie, die dann fast automatisch zur Nation führt. Übergeht man das, muß immer eine Art Gewalt ausgeübt werden (die nicht notwendigerweise physisch sein muß, es aber in der ultimativen Androhung immer bleibt), siehe Belgien mit Wallonien und Flandern, Schottland, Katalonien, Bosnisch-Serbien, dem ganzen Kosovo-Gebilde, und so weiter. Die Unterschiede zwischen deutschen Regionen wie dem Rheinland, Ostelbien, Bayern (ohne Franken) oder auch Cisleithanien alias Österreich sind existent, aber reichen sie ihn, um eine Nation zu begründen? Ohne… Mehr