Trotz „Zeitenwende“: Russisches Gas bleibt in Europa Normalität

Mit 25 Prozent Anteil bleibt Russland der größte Erdgaslieferant Europas. Gas wird dabei nicht nur per Pipeline, sondern auch als LNG befördert. Durch den Flüssiggasverkauf soll Moskau allein letztes Jahr 27 Milliarden Dollar verdient haben.

IMAGO / Bihlmayerfotografie

Am 24. Februar jährt sich der Angriff Russlands auf die Ukraine. Europa und insbesondere Deutschland wollten damals die Abhängigkeit von Ressourcen aus dem Ausland auf den Prüfstand stellen. Zum ersten Mal wurde sich eine der größten Volkswirtschaften der Welt eines möglichen Erpressungspotenzials durch Rohstoffe bewusst. Die Antwort lautete darauf: mehr „erneuerbare Energien“, die den Gashunger Deutschlands in Ermangelung der Kernenergie erst ausgelöst hatten – und Gas von anderen Anbietern.

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte der Kontinent seine Gasimporte diversifiziert und Russland umgangen. Doch der Schein trügt. Denn anders als beim Öl sanktionieren weder die EU noch die EU-Mitgliedsstaaten russisches Gas. Das hat zur Folge, dass das durch Pipelines beförderte Gas günstiger bleibt als das über teure LNG-Tanker verschiffte. Während die europäischen Länder ihre vermeintliche Unabhängigkeit feiern, sieht die Realität anders aus.

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Denn russisches Gas fließt weiterhin ungestört durch Europa, etwa durch die Transgas-Pipeline oder die Turkstream-Pipeline. In den vergangenen vier Monaten lag der Anteil des russischen Importgases bei 25 Prozent und damit gleichauf mit dem aus Norwegen – so berichtet das Handelsblatt. Moskau bleibt damit Europas wichtigster Gaslieferant. Im Februar erreichte Russland sogar einen Spitzenwert von 37 Prozent. Damit kann es fast an Werte vor dem Ukraine-Krieg anknüpfen. Im November 2021 lag der Anteil der russischen Gasimporte in Europa bei rund 40 Prozent.

Beispiel Österreich: Laut NZZ hat das Nachbarland im Dezember 2022 rund 70 Prozent seines Gases aus Russland eingeführt. Und das trotz Bekundungen Wiens, die Abhängigkeit zurückzuführen und auf alternative Anbieter umzusteigen. Geliefert wird trotz Krieg über die Ukraine nach Baumgarten und von dort in die EU-Nachbarländer verteilt. Zwar erfüllt Gazprom nach Angaben des Blattes seine Verpflichtungen nicht immer vollständig, die Liefermengen betrügen oftmals nur 30 bis 70 Prozent des zugesicherten Volumens.

Der österreichische Energiekonzern OMV erklärte zwar, seinen Kunden im Bedarfsfall auch nicht-russisches Gas anbieten zu können. Doch die Verbraucher nutzten lieber das billige russische Gas als die teuren nicht-russischen Alternativen. In der Theorie ist Unabhängigkeit möglich, ohne Sanktionsdruck sind die russischen Preise jedoch unschlagbar – das teure Flüssiggas aus Übersee findet auf dem freien Markt weniger Firmen oder Händler, die es im Vergleich kaufen wollen.

Doch selbst bei LNG spielt Moskau weiterhin mit. Die Flüssiggas-Importe sind sogar im Jahresvergleich gestiegen. Laut Handelsblatt hätten die EU-Staaten und Großbritannien im Jahr 2021 rund 21 Prozent weniger russisches Flüssiggas importiert als im Jahr darauf. Die russischen Einnahmen durch Verkäufe in Europa dürften sich auf 27 Milliarden Dollar belaufen haben. Insgesamt stammten 13 Prozent des LNG-Imports aus Russland.

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Kommentare ( 20 )

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Nibelung
1 Jahr her

Für solche angeblichen Normalitäten haben wir ja eine Stimme des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft und wenn ich es heute richtig vernommen habe, dann haben wir mit dem Ukraine-Krieg 45% unseres Exporterlöses nach Rußland verloren, was aber spielend wettgemacht wurde durch Lieferungen in andere Länder, mit welchem Ertrag, wohin und welche Güter es sich handelt sagte er nicht. So kann man sich auch selbst auf den Arm nehmen, denn wer boykottiert schädigt in der Regel nicht nur den Betroffenen, sondern auch sich selbst und nun müssen sie vermutlich lügen was das Zeug hält und man muß sich schon fragen, wie das… Mehr

Rosalinde
1 Jahr her

Fragt sich nur wie lange noch. Erst kürzlich hat Medwedew (vom Verteidigungsausschuss) gesagt, dass wenn die Nato weiterhin auf einer Niederlage Russlands bestehe, Russland gar nichts anderes übrig bleibe als zu Nuklearwaffen zu greifen. Ich sage nicht, dass Ich das so erwarte.
Aber ich erwarte, dass dieses in Washington gehört wird.
Denn es ist nicht schlau das Leben von 330 Millionen Amerikanern zu opfern wegen 40 Millionen Ukrainer.

Last edited 1 Jahr her by Rosalinde
Konservativer2
1 Jahr her

Irgendwie ist doch schon seit Jahren klar, dass Polen die Bundesrepublik als „Frontstaat“ am neuen Eisernen Vorhang schon vor Jahren abgehängt hat. Spätestens seit der Diskussion um den Aufbau eines Raketenabwehrschirms gen Osten (wie lange ist das jetzt her, 10 Jahre?) wissen wir doch, wo der Hase hinläuft. Ob man’s glaubt oder nicht, auch Romane von Tom Clancy spiegel(te)n den jeweils aktuellen Stand der politischen Diskussion wider, und eines seiner Werke (der Titel fällt mir gerade nicht ein) hatte schon vor Jahren Polen als Hauptschauplatz.

Konservativer2
1 Jahr her

Tja, das steht aber in krassem Gegensatz zu dem, was medial suggeriert wird. Das – jetzt verwende ich einen Begriff, der mir nicht liegt, weil inflationär verwendet – „Framing“ suggeriert doch bereits eine sich anbahnende Kriegführung (und das meine ich so, wie ich es schreibe) gegen Russland: n-tv: „Liste der Schande“ (westliche Unternehmen, die noch mit Russland Geschäfte machen) t-online: „Lanz weist Wagenknecht zurecht“ – was glaubt der, wer er ist? Biden erwähnt ohne Not eine absolute Selbstverständlichkeit in seiner Rede: „Ein Angriff auf ein NATO-Land ist ein Angriff auf alle NATO-Länder“ – die Ankündigung einer False Flag-Aktion á la… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Konservativer2
Haeretiker
1 Jahr her

Es hat den Anschein, dass die Sanktionen des Westens genau das treffen was vom Westen anvisiert wurde: die deutsche Wirtschaft. Russland ist das sekundäre Ziel.

Proffi
1 Jahr her

Leider wird der Unsinn, den die Medien verbreiten, von der Mehrheit der Bevölkerung, die nicht weiß und auch nicht wissen will, daß eine eigene Meinung auf selbständigem kritischen Nachdenken beruht, bereitwillig als Tatsache angesehen, deren Existenz häufig lautstark verteidigt wird. So lange das intellektuelle Niveau stetig sinkt und Allgemeinbildung eher hinderlich ist, haben die Medien leichtes Spiel. Das Problem sind die alleinerziehenden grünen Lehrerinnen, dieden Kindern alles Mögliche weismachen, so auch, daß Klimaschutz und Umweltschutz dasselbe sind.

Wolfbert
1 Jahr her

Von irgendjemandem bleiben wir abhängig, solange wir keine eigenen Gasvorkommen entdeckt haben (oder wieder massiv in die Kernenergie einsteigen). Und da stehen mir wirtschaftlich eng verbundene Russen in der Tat näher als der ferngesteuerte Tattergreis und seine Hintermänner, die sich gar nicht mal mehr die Mühe machen zu verbergen, dass man Deutschland nicht als transatlantischen Partner, sondern bestenfalls als Vasallenstaat ansieht. Ich möchte nicht abhängig sein von einem rücksichtslosen Amerika, das zusammen mit einem europäischen Komplizen von langer Hand einen Sabotageakt gegen einen Bündnispartner plant, um dann dessen Versorgungsleitungen in die Luft zu jagen, nur um seine geopolitischen Interessen durchzusetzen,… Mehr

chloegrace1312
1 Jahr her
Antworten an  Wolfbert

Die Gasvorkommen müssen nicht entdeckt werden. Sind sie schon. Ganz Niedersachsen liegt auf riesigen Gasfeldern, die Deutschland für Jahre versorgen könnten. Wenn, ja wenn man nicht das Fracking verboten hätte. Und nein, das gefährdet nicht unser Grundwasser, da die Gasfelder viel tiefer liegen und es sichere Technologien für das Fracking gibt.

Ach ja, und dann haben wir noch Gasfelder im Mittelmeer, die Europa ebenfalls anzapfen könnte.

Solange das nicht passiert, scheint es mir mit den Sanktionen für Russland nicht wirklich ernst zu sein.

Konservativer2
1 Jahr her
Antworten an  chloegrace1312

Abgesehen davon hätten wir massig Steinkohle.

Uups, an diese strategische Reserve kommen wir nicht mehr ran. Was ein Zufall aber auch…

RMPetersen
1 Jahr her

Polen kauf weiter Erdölin Russland, während Deutschland nicht will und dabei die Raffinerie Schwedt ruiniert.
Die wird dann für ein Butterbrot an Polen verscherbelt.
Der geniale Wirtschaftsminister Habeck ist der Täter. Früher hiess die vollständige Funktionsbezeichnung „Minister für Wirtschaft“. Heute eher „Minister gegen Wirtschaft“.

CIVIS
1 Jahr her

>Trotz „Zeitenwende“: Russisches Gas bleibt in Europa Normalität<

Nur Deutschland hat sich in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Komiker Selenskyj und dem Greis Beiden den Gashahn (und neuerdings auch den Ölhahn) selbst zugedreht.

Wie dumm muss man sein …. ?

NB
1 Jahr her

Wertes Tichy Team, die Daten von statista zeigen ein komplett anderes Bild als Sie angeben. Was nun stimmt, kann ich nicht natürlich nicht beurteilen. Der graphische Verlauf ist sehr interessant. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1310890/umfrage/europaeischer-gasimport-aus-russland-nach-pipeline/ Zusammengefasst für KW 6 in Zahlen: Nordstream: vor einem Jahr ca. 1177 Mio m3/ Woche, heute 0. Yamal: vor einem Jahr ca. 157 Mio m3/ Woche, heute 0. Transgas: vor einem Jahr ca. 383 Mio m3/ Woche, heute 179. Turkstream: vor einem Jahr ca. 275 Mio m3/ Woche, heute 282. ohne Turkstream Summe (Pipeline) vor einem Jahr 1717, heute 179 Mio m3/ Woche mit Turkstream Summe (Pipeline) vor einem… Mehr

RMPetersen
1 Jahr her
Antworten an  NB

Wie im Text erwähnt, läuft der Expoert von Russland nach Europa verstärkt über Pipeline. Siehe https://www.reuters.com/markets/commodities/russia-boosts-lng-exports-europe-by-20-2022-refinitiv-2023-01-31/
Und wieviel russiches Gas in den Pipeline-Zuflüssen aus anderen Lnderns teckt, sagt Statista nicht.
Interessant ist doch auch, daß Polen nach wie vor russiches Erdöl bezieht und die Raffinerie Schwedt auf dem Trockenen sitzt.