Robert Habeck, der Staat ohne Fehler, und die Partei, die stets recht hat

Die Grünen reagieren neuerdings auf Widerspruch noch empfindlicher als ohnehin schon. Gleich zwei ihrer Spitzenleute erklären, warum und wie Kritik an staatlicher Bürokratie gefährlich sei.

IMAGO

Unter allen Merksätzen Robert Habecks über die Pendlerpauschale, die Funktion der BaFin und die Natur der Insolvenz könnte am Ende seiner Amtszeit einmal dieser eine herausragen: „Der Staat macht ja keine Fehler.“ So gesprochen auf einer Tagung des Unternehmerverbandes „Der Mittelstand“. Mittlerweile heißt es, er habe es ganz anders gemeint, und zwar sarkastisch. Denn vorher habe er gemeint, die Bürokratie gebe es deshalb, weil Beamte bloß keine Fehler machen wollten. So einfach kommt der Minister allerdings nicht davon.

Die Grünen reagieren in letzter Zeit auf fast alles hochempfindlich, auch auf den Vorwurf von Unternehmern, Selbstständigen und Bürgern generell über die ausufernde Bürokratie. „Die Bürokratie“, so dozierte der Wirtschaftsminister auf der Veranstaltung, „entsteht aus etwas Gutem heraus. Wenn man sagt, das sind alles Idioten, versteht man nicht, wo das Problem ist. Es ist etwas Gutes, denn der Staat macht ja keine Fehler. Stellen sie sich vor: jede zweite Baugenehmigung wäre wieder zu kassieren. Und sie werden mit dem Risiko alleine gelassen. Oder jede zweite Lebensmittelausgabe, Bäcker oder Restaurants, wäre gesundheitsgefährdend. Alle hätten permanent Durchfall. Wäre auch nicht gut.“

— Claudio Casula ??????????????? (@shlomosapiens) March 14, 2024

Damit demonstriert der grüne Vizekanzler zum einen, dass er den Unterschied zwischen guter Verwaltung und Bürokratie nicht versteht. Eine gute Verwaltung sorgt dafür, dass beispielsweise Bauanträge schnell bearbeitet werden, und Beamte sich als Dienstleister der Bürger verstehen. Bürokratie bedeutet, beispielsweise das Bauen mit immer neuen Vorschriften von der Dämmung über die Heizungsart bis zur Entsorgung des Bauschutts zum teuren Missvergnügen zu machen.

Zum zweiten vermittelt der Wirtschaftsminister damit ein ganz bestimmtes Bürger- und Unternehmerbild: Ohne den Staat, der alles bis in den letzten Winkel überwacht, würden die Leute ihr Eigenheim ins Sumpfgebiet bauen. Bäcker und Gastronomen wiederum hätten unbeaufsichtigt nichts anderes im Sinn, als verdorbenes Mehl in den Teig zu kneten und den Gästen keimdurchsetze Speisen vorzusetzen, auf dass sie sich nie wieder blicken lassen. Der Wirt wäre dann selbstverständlich nicht pleite. Er würde nur aufhören, Umsatz zu machen. In diesem Gesellschaftsbild liegt die eigentliche Bedeutung seiner Aussage. Zu „der Staat macht keine Fehler“ kommen wir gleich.

Auf große Ungnade bei den Grünen traf auch eine Kampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) gegen die ausufernde Bürokratie. Die INSM-Leute entwarfen dafür den Spruch: „Willkommen in der Deutschen Bürokratischen Republik“.

Das fand die grüne Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt unerhört. Nicht die Bürokratie, sondern den satirischen Hinweis darauf. „Das ist ein bescheuerter, geschichtsvergessener Vergleich @insm. Die DDR war eine Diktatur“, erregte sich die Politikerin auf X: „Sie hätten in den Knast gekommen für dieses ‚Plakat‘. (Schreibweise im Original) Sie verhöhnen die Opfer. Bitte regen sie sich über Bürokratie auf, frei, offen, ihr Recht! Aber ziehen sie das hier zurück!“

In dem Staat ohne Fehler gibt es also auch eine führende Politikerin der Regierungspartei, die einem Unternehmerverein erklärt, wie er seine Regierungskritik auf keinen Fall vortragen darf. Übrigens kommt in der Veröffentlichung der INSM die Abkürzung ‚DDR‘ gar nicht vor. SED-Opfer, die sich tatsächlich verhöhnt fühlen, meldeten sich bisher auch nicht.

Bemerkenswert wirkt das Wüten gegen den angeblich „geschichtsvergessenen Vergleich“ von der Repräsentantin einer Partei, die in den vergangenen Wochen mit dem Begriff „Faschismus“ nur so um sich warf („es geht darum, den Faschismus zurückzudrängen“ – Robert Habeck), und eine Buchvorstellung im privaten Kreis zur Wannsee-2.0-Konferenz aufblies. In diesem Fall konnte es offenbar gar nicht genügend historische Anleihen geben.

Wollten sie die wachsende Kritik an der bürokratischen Gängelung vermeiden, könnten die Grünen idealerweise das Gebäudeenergiegesetz einstampfen und in Brüssel dafür sorgen, dass die EU-Gebäuderichtline nicht in Kraft tritt, die ab 2040 fossile Heizungen von Hammerfest bis Palermo ganz verbieten will – was sich ohne einen gewaltigen Kontroll- und Straf-Apparat unmöglich durchsetzen ließe. Hier bekommt der Habeck’sche Satz: „Der Staat macht ja keine Fehler“ seinen eigentlichen Sinn, denn er bedeutet, auch wenn sein Urheber jetzt beteuert, er sei aus dem Zusammenhang gerissen, eben doch genau das, wonach er aussieht. Nämlich: Was immer der Staat tut, es ist gut für die Bürger. Auch wenn die es selbst nicht verstehen. Zum Staat, der es unentwegt gut meint, gehört natürlich auch die Partei, die immer recht hat. (Achtung, Katrin Göring-Eckardt, hier bitte aufregen).

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