Möglicher Bruch der Ampel: Die FDP spielt Opposition in der Regierung

Themen, an denen die Ampel zerbricht. So könnte der Name einer recht langen Serie heißen. Die aktuelle Folge: das Rentenpaket. Das hat das Bundeskabinett beschlossen, doch jetzt schert die FDP im Bundestag wieder aus.

IMAGO / dts

Für Journalisten ist die FDP ein dankbarer Gegenstand der Berichterstattung. Seit drei Jahren beschreiben sie die Fehler der Liberalen samt deren Folgen – doch seit drei Jahren behalten diese unbelehrbar an ihrem Glauben fest: zum Sieg führe ausschließlich mehr von dem, was bisher zu den Niederlagen geführt hat. Zum Beispiel das Konzept, Opposition in der Regierung sein zu wollen. Also alle rot-grünen Ideen mittragen, aber sich gleichzeitig dagegen öffentlich aussprechen – in der Hoffnung, so Freunde und Gegner der Ampel gleichermaßen als Wähler zu gewinnen. Und mit dem Ergebnis, in Landtagswahlen bei 0,83 Prozent zu landen.
Jetzt also das „Rentenpaket“ der Ampel. Das sieht vor, das Rentenniveau auf 48 Prozent zu erhöhen. Mit dem Ergebnis, dass nach der Bundestagswahl die Höhe der Beiträge für die Rentenversicherung schrittweise um vier Prozentpunkte steigen würden – und Arbeitsstellen durchschnittlich um 2000 Euro im Jahr teurer würden.

Seit drei Jahren verspricht die Ampel zwar, Arbeitnehmer entlasten zu wollen. Doch seit drei Jahren macht sie Arbeit für die Betriebe teurer und lässt deren Beschäftigten immer weniger vom Lohn. Etwa, indem die Beiträge zu Kranken-, Pflege- und anderen Sozialversicherungen steigen – oder in dem die Regierung die Bemessungsgrenzen für die Krankenkasse erhöht, womit Gutverdiener nochmal zusätzlich höhere Beiträge zahlen müssen.

Nun also die Rentenversicherung. Zumindest, wenn das Rentenpaket der Ampel durchkommt. Der Bundestag hat sich jetzt in erster Lesung damit befasst. Und FDP-Mann Johannes Vogel spricht wie ein Oppositionspolitiker mit Regierungsverantwortung. Das Paket sei nicht zustimmungsfähig, es belaste zu stark die Arbeitnehmer. Inhaltlich durchaus richtig. Machtpolitisch eine Katastrophe: Im Frühjahr haben die FDP-Minister Christian Lindner und Marco Buschmann im Kabinett dem Paket zugestimmt, das nun laut FDP nicht zustimmungsfähig ist. Wer die FDP noch ernst nimmt, müsste sich mit diesem Widerspruch auseinandersetzen. Doch weil die Liberalen diese Widersprüche seit drei Jahren in Serie liefern, bleibt bei den meisten Beobachtern nur noch Kopfschütteln – und bei den Wahlen Ergebnisse von 0,83 Prozent.

Nur noch für Spott ist diese FDP gut. „Sie haben es mir echt schwer gemacht. Sie haben eine pure Oppositionsrede gehalten“, eröffnet der CDU-Abgeordnete Matthias Middelberg seine Rede. Der weist die Liberalen darauf hin, dass dieser Widerspruch ein Grund für die FDP sein müsste, die Ampel zu verlassen – und dass die Union bereit wäre, in dieser Sachfrage mit den Liberalen gemeinsam gegen das Paket zu stimmen. Eben, weil es Arbeit teurer mache und Beschäftigten weniger von ihrem Lohn lasse.

Spoiler: Das wird nicht passieren. Zuerst beraten nun die Fachausschüsse über das Paket und dann kommt es zu den entscheidenden zweiten und dritten Lesungen in den Bundestag. In diesen wird die Lindner-FDP die gleiche Entschlossenheit und das gleiche Rückgrat zeigen, mit der sie bisher durch die Ampelzeit gegangen ist. Anders ausgedrückt: Die FDP stimmt also eins zu eins mit SPD und Grünen mit. Nach einer Anstandsfrist von einem Tag twittert Lindner dann auf X, dass genau das Gegenteil von dem passieren müsse, was er am Tag davor beschlossen haben wird. Wobei das nicht ganz sicher ist. Vielleicht verzichtet der FDP-Chef auch gleich ganz auf Anstand und Frist.

Christian Lindner rechtfertigt seine Entscheidung für das Rentenpaket damit, dass darin auch der Einstieg in die Aktienrente vorgesehen ist. Dafür soll der Bund in den nächsten 13 Jahren rund 200 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden aufnehmen, die Lindner dann an der Börse anlegt. Mit diesem Kapital will er wiederum zehn Milliarden Euro im Jahr an Gewinn machen – diese zehn Phantasiemilliarden will Lindner nutzen, um den Anteil des Bundes an der Rentenversicherung zu bezahlen. Der beträgt 100 Milliarden reale Euro. Das Ganze soll wiederum eines der Wahlkampfschlager der FDP im nächsten Jahr werden. Manchmal sind Ergebnisse von 0,83 Prozent gar nicht so schwer zu verstehen.

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Kommentare ( 19 )

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AnSi
2 Minuten her

Nicht schon wieder! Man hat den Eindruck täglich grüßt das Murmeltier. Sie stellen irgendetwas auf und stellen dann wieder fest, dass es verfassungswidrig ist oder aus anderen Gründen nicht funktioniert. Würde ein Arbeitnehmer am freien Markt so stümperhaft wie die Hampel arbeiten, wäre er schon längst Empfänger von Migrantengeld!

Mausi
54 Minuten her

Ein Finanzmagazin hat diesen Monat ein Depot vorgestellt, in das drei US-Aktien für Anschaffungskosten von jeweils 33.333,33 EUR einzulegen sind. Damit sollen 500 EUR Dividenden pro Monat erwirtschaftet werden. Das wären 6.000 EUR aus einem Kapital von 100.000 EUR. Wie solide solche US-Aktien sind, habe ich nicht geprüft. Und Herr Lindner will das toppen mit 200 Mrd. EUR und 10 Mrd EUR Gewinn pro Jahr? Welchen Fachleuten will er die 200 Mrd. EUR anvertrauen? Dürfen die auch in Kernkraft, Krieg oder z. B. Nestle investieren oder nur in Sonne, Wind, grünen Beton und vegan? Vielleicht noch Pharma für Hormontherapien und… Mehr

Peter Gramm
58 Minuten her

Verstehe diese Diskussion um das Rentenpaket II nicht. Warum orientiert man sich nicht an der Politikerversorgung. Keine Beitragsleistung und in kürzester Zeit enorme Pensionsansprüche. Geht doch. Wo ist das Problem. Lösung – Sondervermögen Rente. Christian muß halt die Drehzahl der Druckerpresse etwas erhöhen. Na und. Bei der Produktion von Waffen geht es ja auch.

Elmar
1 Stunde her

Die Frage, ob die Bundesregierung das Geld Steuerzahler für sinnvolle Dinge ausgibt, kann man auch an allen möglichen anderen Ausgaben festmachen. Zum Beispiel Gender-Gaga an Universitäten, nutzlose Beauftragte für Tod und Teufel, E-Autos welche kaum jemand haben will, ebenso unbeliebte Wärmepumpen, Kriegsverlängerung in der Ukraine durch Waffenlieferungen, Milliarden für Betrüger in China und in Peru, 50 Milliarden Euro mit steigender Tendenz jährlich für illegale Zuwanderung und so weiter und so fort. Stattdessen gedenkt man bei den zweitniedrigsten Renten in der EU zu sparen.

Last edited 1 Stunde her by Elmar
Freigeistiger
2 Stunden her

Bei der FDP brennt die Hütte und sie hat nun die Möglichkeit, die Ampel mit einer Begründung zu verlassen, die von vielen Arbeitnehmern in der Bevölkerung anerkannt wird. Wenn das passiert, hat Scholz zwei Möglichkeiten: Minderheitsregierung oder Vertrauensfrage und daraus resultierende Neuwahlen. Eine Minderheitsregierung wird das Rentenpaket natürlich nicht durchbringen. Es geht übrigens nicht um eine Erhöhung des Rentenniveaus, das seit 2020 bei ca. 48% liegt, sondern um die weitere Festschreibung dieses Niveaus. Wird nichts unternommen, sinkt es bis 2035 auf gut 45%. Im Vergleich mit anderen europäischen Staaten gehört Deutschland zu den Schlußlichtern beim Rentenniveau. Österreich, südeuropäische und skandinavische… Mehr

swengoessouth
2 Stunden her

Das sind die letzten Blubberblasen des FDP Schiffs beim dem Untergang. Die Schiffsführung steht noch erhoben Hauptes auf der Brücke und tut so als ob noch was zu retten wäre. Der Kapitän hat sich auf seinem Stuhl festgeklebt und hält im den Kurs auch wenn das Boot schwere Schlagseite hat. Ab und an brüllt er in Richtung Maschinendeck so was wie Maschinen zurück nur um kurz danach wieder volle Kraft voraus anzusagen. Keiner weiß wo hin es gehen soll nur das Ziel ist gewiss… Der Meeresgrund….

Tacitus
2 Stunden her

Ich kann den Phantasien Herrn Lindners und seinen Phantastilliarden nicht folgen (R.I.P. Dagobert Duck). Warum eigentlich? Ich habe ja nur ein wirtschaftswissenschaftliches Studium mit Prädikat abgeschlossen, bin nur seit über 25 Jahren in der Wirtschaft in Führungsverantwortung, habe lediglich 5 Kontinente regelmäßig bereist (Antarktika fehlt mir noch), spreche leider nur 2 Fremdsprachen verhandlungssicher und konnte in einer glücklichen Ehe mit einer echten (!) Frau, meiner Frau, lediglich drei wundervolle Kinder großziehen. Jetzt verstehe ich es! Ich hatte bislang einfach nur den falschen Zugang zu Erfolg und Seriosität. Danke, liebe Politik, danke liebe FDP! Was wäre ich nur ohne Euch? Vermutlich… Mehr

November Man
2 Stunden her

Eilmeldung: Frau Dr. Alice Weidel soll die AfD in den Bundestagswahlkampf führen – als Kanzlerkandidatin.
Frau Dr. Alice Weidel (AfD) als Kanzlerkandidatin und womöglich nächste Kanzlerin ist ein hervorragende, ein sehr gute, weise und nach vorne orientierte Entscheidung.
Die beste Entscheidung die es für unser Land und seine Bürger geben kann.
Allerdings muss Frau Dr. Alice Weidel (AfD) sich im klaren sein, dass die linksextreme Ampel nur verbrannte Erde hinterlassen wird.  

Sam99
1 Stunde her
Antworten an  November Man

Das dürfte u.a. gut für unsere beschädigten Beziehungen zu China sein, wenn sich eine deutsche Regierungschefin mit Xi Jinping ohne Dolmetscher unterhalten kann.

joly
1 Stunde her
Antworten an  November Man

Mann wächst an den Herausforderungen – auch wenn Mann ne Lesbe ist.

W aus der Diaspora
6 Minuten her
Antworten an  November Man

Diese Entscheidung ist gewagt!

Denn ich hatte mir eigentlich geschworen nie wieder eine Frau in der Politik zu unterstützen.

Aber Weidel traue ich zu sich wie Thatcher durchzusetzen – für Deutschland in ihrem Fall.

Reinhard Schroeter
2 Stunden her

Seit der letzten Wahl vor drei Jahren spekulieren wir uns ein Ende der Ampel herbei. Das diese Ende bisher nicht eintreten will, wird uns nicht davon abhalten ,weiter hin und her zu spekulieren. Wären wir der Realität näher als dem Wunsch, wir würden einsehen, dass unsere Wünsche überhaupt nichts nützen. Die Ampelparteien kleben aneinander, jeder von den Politclowns da , weiß das seine Karriere an der des jeweils anderen hängt. Sie wissen, dass sie nur noch ein Jahr Zeit haben, sich die Taschen voll zu machen und ihre Pfründe zu genießen. Das werden sie nicht aufs Spiel setzen. Alles was… Mehr

Jens Frisch
2 Stunden her

Soso, 200 Milliarden für den Aktienmarkt. Das Paket soll 10 Milliarden Gewinn abwerfen, also 5% des investierten Geldes.
Wie hoch werden die Zinsen sein, die auf die 200 Milliarden fällig werden? Der Leitzins steht gerade bei 3,65%…
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/201216/umfrage/ezb-zinssatz-fuer-das-hauptrefinanzierungsgeschaeft-seit-1999/

Aber Milchmädchen können nicht rechnen…

Flik Flak
1 Stunde her
Antworten an  Jens Frisch

Hinzu kommt das Verlustrisiko durch Kurs- und Dividendenschwankungen. Das sind doch komplette Vollidioten, oder aber das Ganze dient nur der Beseitigung der Schuldenbremse.

W aus der Diaspora
3 Minuten her
Antworten an  Jens Frisch

Die Höhe der Zinsen, im Moment, halte ich für uninteressant. Interessanter ist, ob es nicht doch im Verlauf der nächsten Jahre zu einem Börsencrash kommt und dann sind diese 200 Milliarden weg (bzw. es hat sie jemand anders).