Rechnungshof rügt Lauterbach wegen Impfkampagne

Für Lauterbach könnte es eng werden: Die RKI-Protokolle stellen seine Pandemiepolitik in Frage. Im Herbst 2022 gab er eine Impf-Videokampagne ohne Ausschreibung an eine SPD-nahe Agentur. Laut Bundesrechnungshof hat der Minister die Aufklärung der Vorwürfe „vorsätzlich behindert“.

IMAGO / Political-Moments
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei der Auftaktveranstaltung der ImpfenHilft-Tour, Berlin, 10.02.2022

Karl Lauterbach ist unter Beschuss, als Nachfolger von Jens Spahn, als Verteidiger von Merkels Erbe und als Verfechter einer Pandemiepolitik ab dem Winter 2021/22, die sich mindestens ebenso strikt gab, in der die Scheuklappen fest sitzenblieben und abweichende Meinungen ignoriert und diffamiert wurden. Lauterbach verlängerte viele Maßnahmen noch über den Sommer 2022, um dann erst zum Herbst- oder Wintereinbruch öffentlich einzugestehen, dass vieles davon gar nicht nötig war.

Als Erbe der Pandemiepolitik trifft ihn die Kritik von AfD und BSW, die einen Untersuchungsausschuss wegen der RKI-Protokolle fordern. Schon länger verlangt die FDP eine Enquete-Kommission zur Corona-Aufarbeitung. Wolfgang Kubicki (auch FDP) erinnert an die „doppelte Aufrundung“ des R-Werts unter Spahn. Von Lauterbach erwartet Kubicki die Offenlegung sämtlicher Krisenstabs-Protokolle, damit „Schäden, die auch durch politische Maßnahmen verursacht wurden“ und „immens“ waren, endlich aufgedeckt werden.

— Paul Schreyer (@paul_schreyer) March 26, 2024

Nun kommt ein weiterer Mitspieler dazu, der lange eher für eigene Vorteilnahme bekannt war, aber sich nun seit einem Jahr an die Fersen Lauterbachs geheftet hat. Es geht um die CDU/CSU-Fraktion, in der bekanntlich Millionen durch Maskendeals verdient wurden. Nun scheint sich ein ähnlicher Skandal in SPD-Kreisen – unter der Ägide von Karl Lauterbach – anzukündigen.

Idee einer auf Dauer „durchgeimpften“ Gesellschaft

Alles begann am Ende von zwei Jahren Pandemie, als gewisse Ermüdungserscheinungen in der Gesellschaft offen zu Tage traten. Mit jedem vom Minister dringend angeratenen „Booster“ wurden mehr Bürger misstrauisch, verloren das Interesse oder wechselten zur offenen Ablehnung dieser Maßnahme, die angeblich die jeweils nächste Corona-Welle verhindern sollte. Nach drei Spritzen hatten auch viele Ältere schlicht genug. Viele Versprechen waren nicht gehalten worden.

Doch Lauterbach wollte seine Idee einer dauerhaft „durchgeimpften“ Gesellschaft nicht aufgeben. Eine Kampagne wurde gestartet, die dazu aufrief: „Halten auch Sie ihren Corona-Schutz aktuell.“ 84 auf den ersten Blick unverdächtige Bürgergesichter waren gecastet worden, und so wurden 84 Fernseh-Spots produziert. Hinzu kamen flankierende Plakate. Billig war das nicht: 600.000 Euro gab das Ministerium dafür aus, mehr als 7.000 pro Spot. Die Gesamtkosten für die Kampagne lagen allerdings noch deutlich höher, wie Table.Media auf X berichtet: 44,8 Millionen Euro sollen dafür bis zum 31. Januar 2023 geflossen sein.

Die „größten Elche“ der Pandemie kritisieren Lauterbach

Die Kampagne war also absurd genug. Auch der Preis war nicht das einzige, was daran aufstoßen konnte. Vergeben wurde die Kampagne nämlich zudem an die SPD-nahe Werbeagenter BrinkertLück, und zwar ohne dass der Auftrag öffentlich ausgeschrieben worden wäre. Zudem gab es schon einen Rahmenvertrag des BMG mit der „Hausagentur“ Scholz & Friends, die theoretisch auch ein Anrecht auf diesen Einzelauftrag gehabt hätte. Sie hätten den Vertrag höchstens an den Konkurrenten weiterreichen können. Das aber geschah nicht.

BrinkertLück-Co-Geschäftsführer Raphael Brinkert war laut Agenturseite „kreativer Kopf des SPD Wahlkampfs 2021“ und „Deutschlands meistausgezeichneter Sport Marketer“. Er war übrigens auch für den CDU-Europawahlkampf 2019 unter Angela Merkel verantwortlich. Von 2000 bis 2010 war Brinkert bei der Agentur Scholz & Friends tätig, die schon durch ihren Namen Anlass zur Verwechslung mit der Bundesregierung gibt.

Zu diesem Zeitpunkt kritisierten auch die „größten Elche“ die Pandemiepolitik Lauterbachs. Die Linkspartei und der Unions-Gesundheitssprecher Tino Sorge sprachen im Oktober 2022 von Vetternwirtschaft. Sorge forderte die Offenlegung des Vertrags und des Rahmenvertrags mit Scholz & Friends plus einer etwa vorliegenden Unterbeauftragung. Das BMG verweigerte jede Antwort im zuständigen Gesundheitsausschuss und deklarierte die Dokumente zur „vertraulichen“ Verschluss-Sache (VS) um.

Lauterbachs „Pflichtverstöße und Vertuschungsversuche“

Parallel wollte man der Union Zugang zu den Unterlagen geben – allerdings nur ausgewählten Politikern und in einem abhörsicheren Saal. Das ist an Absurdität kaum zu übertreffen und wirkt, als wollte man zu einer Absprache mit dem politischen Konkurrenten kommen. Zur Erinnerung: Es ging um eine freundlich daherkommende Impfkampagne, an der eigentlich nichts Geheimnisvolles dran ist.

Die Union stellte einen Prüfantrag an den Bundesrechnungshof, wollte zur Not bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Der hat seine Arbeit nun getan – auch diese Mühlen mahlen eher langsam. Aber einen Unterauftrag zwischen Scholz & Friends und den Kollegen von BrinkertLück haben die Prüfer dabei nicht gefunden. Daneben sieht der Rechnungshof keinen Anlass für die Einstufung der Dokumente als „VS-vertraulich“. Ein „Schaden für die Interessen Deutschlands“ wäre sicher nicht zu erwarten, wenn herauskäme, dass die SPD ihren Freunden in der „freien“ Wirtschaft Aufträge zuschanzt. Wohl aber ein Schaden für die Regierungspartei. Der Rechnungshof mahnt allgemein an, VS-Einstufungen „auf das notwendige Maß zu beschränken“.

Daneben steht für die Prüfer fest, dass Lauterbach die Aufklärung der Vorwürfe „vorsätzlich behindern“ wollte. Ein schwerer Vorwurf an den wackelnden Gesundheitsminister. Wird es Zeit zu gehen für Corona-Karl? Tino Sorge meint gegenüber Welt: „Die Einschätzung des Bundesrechnungshofes ist eindeutig und die Vorwürfe wiegen schwer. Pflichtverstöße und Vertuschungsversuche kennzeichnen die Vergabe der Impfkampagne durch Lauterbach.“

Ministerium versucht noch immer, die Wagenburg zu schließen

Hinzu kommt, dass auch die Ampelfraktionen die doppelte Pflichtverletzung des Gesundheitsministers über anderthalb Jahre gedeckt und die Aufklärungsversuche torpediert haben, wie der Rechnungshof weiter feststellt. Hier sieht man wieder, wie der Bundestag – zumal die Regierungsfraktionen – sich nur noch als ausführendes Organ der Regierung, als deren Angestellte begreifen, anstatt auch die eigenen Minister zu kontrollieren. Es war einmal anders gedacht gewesen von den Vätern und Müttern des Grundgesetzes.

Das Lauterbach-Ministerium ist freilich anderer Meinung als der Rechnungshof. Alles sei regelkonform gelaufen, von der Vergabe bis hin zur Unterdrückung der Vertragsdokumente.

Die Wagenburg-Mentalität der Kanzlerpartei war schon vor anderthalb Jahren beachtlich und hat sich seitdem vielleicht noch gesteigert. War die öffentliche Überprüfung eines solchen Kampagnen-Vertrags etwa undemokratisch, am Ende gar „demokratiegefährdend“? SPD-Statements in diesem Sinne sind durchaus in den kommenden Tagen zu erwarten, nachdem Lauterbach und der grüne Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen vor angeblicher Russenpropaganda in Sachen der RKI-Protokolle gewarnt haben. Warum nicht auch die Union in die rechte Ecke stellen und der feindlichen Einflussnahme verdächtigen? Das wäre ja nur konsequent.

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