Die neue Realo-Formel lautet: „Ich will Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden.“ Nicht mehr: „Ich werde Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland“. Nur scheinbar ein kleiner Unterschied.
Eines muss man der SPD lassen: aufs Inszenieren versteht sie sich. Am 29. Januar wurde Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten ausgerufen. Am 19. März wurde er mit 100 Prozent zum Parteivorsitzenden gewählt. Am 25. Juni folgt ein Sonderparteitag zur Verabschiedung des Wahlprogramms. Mehr Show geht nicht, mehr Sondersendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auch nicht.
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Aber was nützt die schönste Feier, wenn es plötzlich hagelt? Die aktuelle „Sonntagsfrage“ dürfte die Delegierten und SPD-Anhänger in der Dortmunder Westfalenhalle jedenfalls nicht beflügelt haben. Laut Emnid hätten die Deutschen an diesem Sonntag so gewählt: CDU/CSU 39, SPD 24, Linke 9, Grüne und AfD jeweils 8, FDP 7 Prozent. Rückenwind für Schulz sieht anders aus.
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Immerhin machte Altkanzler Gerhard Schröder den Genossen Mut, indem er an seine Aufholjagd von 2005 erinnerte. Gereicht hat es damals dennoch nicht. Ein schwacher Trost.
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Vom Kandidaten selbst war nichts wesentlich Neues zu erwarten; das zu verabschiedende Programm stand ja schon fest. Neu aber war, dass Schulz dieses Mal auf die rührselige Erinnerung an seine Zeit als Alkoholiker und seinen erfolgreichen Kampf gegen die Sucht verzichtete. Auch Heldengeschichten können ermüden.
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Auffällig, dass Schulz Angela Merkel so scharf attackierte wie noch nie. Er kritisierte den bisherigen Wahlkampf der CDU, dass diese in vielen Fragen bisher noch nicht konkret geworden sei. Dann wurde er richtig böse: „Merkels Verhalten ist ein Anschlag auf die Demokratie“. Anschlag auf die Demokratie? Geht’s auch eine Nummer kleiner? So spricht einer, der zu befürchten scheint, Merkels Stil könnte erfolgreicher sein als sein Ruf nach Gerechtigkeit.
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Auch dieses Mal ließ Schulz offen, ob er sich von der Linkspartei zum Kanzler wählen lassen würde oder nicht. Aber er will keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem nicht die „Ehe für alle“ verankert ist. Das ist ganz im Sinne der FDP, deren Vorsitzender Lindner ebenfalls die „Ehe für alle“ zum entscheidenden Kriterium für die Regierungsbildung machen will. Hier blinken schon mal zwei Lichter einer rot-grün-gelben Ampel.
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Schulz forderte mit Blick auf „start up“-Unternehmen einen „Kulturwandel in Deutschland“: Wer scheitere, dürfe nicht bis ans Ende des Lebens gebrandmarkt sein, sondern müsse eine neue Chance bekommen. Stellt da der ehemalige „Gottkanzler“ bereits die Weichen für die Zeit nach dem 24. September? Eine zweite Chance für Schulz?
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Eines wurde in Dortmund deutlich: Der Einbruch der SPD-Zahlen nach dem Schulz-Hype macht dem Kanzlerkandidaten zu schaffen, hat ihn bescheidener werden lassen. Die Standard-Formulierung „ich werde Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland“ verwendet er nicht mehr. Die neue Realo-Formel lautet: „Ich will Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden.“ Ein kleiner Unterschied.
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Wahlkampfweisheit des Tages: Wenn Wahlkämpfer sagen, „die Hoffnung stirbt zuletzt“, dann wissen sie eines: Die Hoffnung stirbt nicht gleich – aber sie stirbt.
Hugo Müller-Voggs Countdown zur Wahl erscheint immer dann, wenn sich an der Wahlkampffront Interessantes tut.
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Tja – dann sollten wir von vornherein davon ausgehen das geringere Übel zu wählen!
Alternativen scheint es wohl nicht zu geben.
Schulz trat beim Sonderschulparteitag der SPD auf, als wäre die SPD nicht in der GroKo am „Regieren“ mit beteiligt gewesen und wirft der CDU Sachen vor, die die SPD mit abgenickt hat. Aber es hat ja geklappt, keinem fällt das auf und diese Person und die ganze SPD werden so weitermachen.
Ex-Kanzler Schröder zu bemühen war/ist ein Fehler. Für viele ehemalige SPD-Schäfchen ist der Mann noch immer das, was für den Stier das wedelnde rote Tuch ist. Ausserdem dokumentiert SPD-Schulz damit, dass seine Partei sich nicht verändern will. Aber darin gleicht er Merkel, nur dass die schlauer und auch skrupelloser in ihren Wahlkampf-Taktiken ist.
Die Deutschen – das zählt zu ihren Eigenschaften – wollen vor allem Kontinuität, sie wählen das Vertraute. Und die gute Wirtschaftslage hilft Merkel – obwohl sie persönlich nichts dafür kann.
Mann kann nur beten das die CDU/CSU bei 43% landet und die FDP bei %.
Ich erwarte in den Sommermonaten von Merkel gar nichts mehr Inhaltliches. Schon die Aussage von CSU Hermann „wir stehen hinter Merkel“ ist selbsterklärend. Selbst die moslemischen Terroristen werden bis zur BTW ein Päuschen machen.
Ich wünsche noch immer, das es Frau Merkel innerhalb ihrer letzten vier Jahre politisch zerbröselt.
Ich gönne ihr es nicht die gleiche Amszeit wie Helmut Kohl gehabt zu haben.
Da stimme ich Ihnen zu, denn Demokratie und wirtschaftliches Denken ist die Sache der SPD nicht. Daher dürfen wir von Herrn Schulz nicht zu viel erwarten.
Das ist kein Wahlkampf, sondern nur noch ein Wahlkrampf der SPD:-(