Querdenken-Gründer Ballweg kommt nach neun Monaten U-Haft frei

Während verurteilte Kriminelle vorzeitig entlassen oder gar nicht erst inhaftiert werden, musste Michael Ballweg, der politische Gegner der Corona-Maßnahmen seit dem Jahr 2020, neun Monate in Haft bleiben. Am Ende wurde die Klageschrift dünner als gedacht. Bestand darin das Problem?

IMAGO / Arnulf Hettrich
Michael Ballweg, Gründer der Initiative Querdenken 711

Man stelle sich vor, ein Vereinspräsident sammelt ein paar Spenden ein, vielleicht auch ein paar mehr als üblich, weil die Sache, für die er steht, ausgesprochen beliebt ist. Er macht dann zwei oder drei Barabhebungen, um einen Kauf zu tätigen oder ein Projekt anzuschieben. Außerdem kann es sein, dass der kleine Vereinspräsident nicht immer streng zwischen seinen eigenen Ausgaben und solchen des Vereins unterscheidet – weil er der Verein ist und der Verein er. Und dann stelle man sich vor, dass plötzlich im Laufe einer Hausdurchsuchung sämtliche Vermögenswerte des Kaninchenzüchter-Präsidenten beschlagnahmt und die Bankkonten eingefroren werden. Und im Laufe dieser Ermittlung wegen eines Anfangsverdachtes der Geldwäsche und des Betrugs wird der kleine Vorsitzende dann abgeführt und am Ende von einem Richter in Untersuchungshaft gebracht, weil, so das Gericht, die Gefahr einer Absetzung ins Ausland mitsamt den Vermögenswerten bestanden hätte.

So könnte man etwas zugespitzt und metaphorisch übertragen den Fall Ballweg beschreiben. Denn Michael Ballweg war das Haupt des Vereins der Corona-Querdenker, die ihm, vielleicht aus persönlicher Geneigtheit und sicher mit politischen Absichten, Spenden überwiesen. Laut Anklageschrift in 9.450 Fällen, wobei dann insgesamt mehr als eine Million Euro zusammenkamen. 640.000 Euro von diesen Spendeneingängen soll Ballweg angeblich für eigene Zwecke genutzt haben, wie Bild berichtet. Seine Verteidiger sagen freilich, dass der Unternehmer Ballweg zuvor und daneben umfänglich eigenes Vermögen für seine Sache einsetzte. Außerdem soll er weitere 430.000 Euro in vier Barabhebungen zweckentfremdet und damit vielleicht sogar „gewaschen“ haben. Vier weitere Vorwürfe der Geldwäsche wurden, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, fallengelassen.

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Meldeheld:in statt Denunziant
Durch diese Abhebung und Neueinzahlung, so die Anklage, wäre die „mutmaßlich rechtswidrige Herkunft der eingeworbenen finanziellen Zuwendungen in mittlerer sechsstelliger Höhe … verschleiert worden“, erläutert das Rechtsportal Legal Tribune Online. Dieser Einschätzung tritt der Rechtsanwalt Dr. Alexander Christ entgegen, sogar wenn Ballweg die abgehobenen Beträge in Krypto-Währung angelegt haben sollte. Dass diese Anlageform an sich schon „verschleiernd“ sei, kann Christ in einem Video-Interview nicht nachvollziehen. Inwiefern könnte außerdem die Einwerbung der Spenden „rechtswidrig“ gewesen sein? Auch die Antwort zu dieser Frage erschließt sich nicht direkt.

Eher als Ballwegs Geld scheint man seine Argumente zu fürchten

So steht es in der nun ergangenen Anklageschrift, ergangen wohlgemerkt erst neun Monate, nachdem Ballweg seine U-Haft in Stuttgart-Stammheim angetreten hat. Außerdem werden ihm darin Steuerstraftaten vorgeworfen. Dabei könnte es sich laut Gerüchten um die Nichtabgabe der Steuererklärung 2020 handeln, die am 31. August 2022 fällig gewesen wäre. Aber zwei Monate zuvor war Ballweg ja verhaftet, waren seine Steuerunterlagen konfisziert worden. Die Abgabe der Steuererklärung wurde also von den Ermittlern selbst verhindert.

Die Anklageschrift, die nun endlich nach neun Monaten des Wartens erschien, ist aber nur die eine Nachricht. Daneben kam Ballweg nun endlich frei, wie es viele seine Anhänger in allen großen Städten wie vor der JVA Stammheim selbst immer wieder bei Demonstrationen und mit Transparenten gefordert haben. Viele Gewaltkriminelle und Vergewaltiger kommen vermutlich rascher wieder frei, wenn sie in U-Haft geraten sollten. Sogar bei einem polizeibekannten Messertäter zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg war es in diesem Frühjahr nicht anders. Die monatelange Inhaftierung Ballwegs dürfte daher andere Gründe gehabt haben.

Michael Ballweg war einer der frühen Protagonisten des Protests gegen den umfangreichen Maßnahmenkatalog, der damals nach und nach auf der Grundlage der Corona-Pandemie eingeführt wurde. An ihm war ein Großteil der Querdenken-Bewegung ausgerichtet, die noch immer sehr lebendig ist und noch interessante Nachwirkungen in der deutschen politischen Landschaft hinterlassen könnte.

Die Vermutung eines politischen Verfahrens stand daher unmittelbar im Raum, als im letzten Sommer die Verhaftung Ballwegs bekannt wurde. Die lange, kaum durch Sicherheitsgründe gerechtfertigte Verweildauer in der Untersuchungshaft schien diese Vermutung zu bestätigen, ähnlich wie bei anderen, offenbar politischen Prozessen, etwa dem um die „Putschisten” gegen Lauterbach, die ebenfalls mehr als sechs Monate auf eine Anklageschrift warten mussten. Eigentlich ist die Untersuchungshaft, die von einem Staatsanwalt beantragt wird und von einem Richter beschlossen werden muss, auf sechs Monate begrenzt. Diese Zeitdauer sollte für das Verfassen der meisten Klageschriften ausreichen. Zur Not kann die U-Haft aber verlängert werden wie auch in Ballwegs Fall.

Die Zeit, in der Querdenken allgemein als etwas Positives eingeschätzt wird, scheint ja auch vorbei. Und so galten entsprechende Forderungen als randständig. Die Untersuchungshaft eines prominenten Kritikers zweier Bundesregierungen und der kontinuierlich durchgeführten Maßnahmenpolitik schlug daher kaum größere Wellen. Allerdings wurden die Wellen schon etwas höher, als die Untersuchungshaft nach sechs Monaten in die Verlängerung ging, ohne dass eine Anklageschrift ergangen war. Auch TE fragte bei einem Berliner Staatsanwalt nach, wie das sein könne.

Oberstaatsanwalt Ralph Knispel erklärte dazu, man müsse natürlich sehen: „Wie umfangreich ist ein Verfahren? Wie verhalten sich Beschuldigte oder Angeklagte und Verteidigung? Bedarf es weiterer Gutachten?“ Außerdem werde in solchen Fällen meist „mit scharfen Schwertern gekämpft, und dann können Sie davon ausgehen, dass die Verteidigung, die in aller Regel auch fachlich wirklich gut und personell stark aufgestellt ist, große und scharfe Geschütze auffährt“. Dass Knispel hier den Fall Ballweg so nachzeichnete, wie er ist, scheint wenig plausibel. Mehr als Ballwegs Geld hat die baden-württembergische Staatsanwaltschaft wohl die validen Gegenargumente von Ballwegs Verteidigerteam zu fürchten.

Ein Vorgehen, das sich auf viele Mutmaßungen stützt

Nach neun Monaten scheint die Staatsanwaltschaft ihre Möglichkeiten aber genügend geprüft zu haben. Heraus kam eine eingedampfte Anklageschrift. Aus dem Vorwurf des Betrugs wurde nun in merkwürdiger Zaghaftigkeit – der des versuchten Betrugs. Das geschah angeblich, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass die von Ballweg mutmaßlich „für private Zwecke genutzten Gelder von denjenigen Unterstützern stammten, die zumindest auch mit einer entsprechenden Handhabung einverstanden gewesen seien“. Das aber klingt schon beim ersten Hinhören merkwürdig.

„Versuch“ bedeutet ja, dass man eine Handlung in zumindest theoretischen, besser wohl praktischen Ansätzen verwirklicht, sie aber letztlich nicht vollendet. Der Begriff hängt also nicht etwa von der Einwilligung der Spender ab. Wenn die Spender mit dem Vorgehen nicht einverstanden gewesen waren, dann wäre diese Handlungsweise ein richtiggehender Betrug. Waren Ballwegs Unterstützer mit dem Vorgehen aber ganz und gar einverstanden – was anscheinend der Fall war –, dann gab es weder den Betrug noch den Versuch dazu. Der Anwalt Alexander Christ berichtet, dass es den allermeisten Schenkern tatsächlich egal war, was Ballweg mit ihren Spenden tat. Insofern handle es sich in deutscher Rechtssprache um einen „untauglichen Versuch“, weil eine Schädigung gar nicht möglich war.

Es wird also, kurz gesagt, Anklage erhoben wegen einer Tat, die bei Erhebung der Beweismittel noch in der Zukunft lag und zudem niemanden geschädigt hätte, wenn sie vollendet worden wäre. Auch das wirft kein gutes Licht auf diese Anklageschrift. Eine Festnahme und eine neunmonatige Untersuchungshaft im berüchtigten Gefängnis Stammheim wurden anscheinend auf reine Mutmaßungen gegründet.

Daneben ist auch die lange Inhaftierung nicht verständlich. Ballwegs Verteidiger hatten schon vor einiger Zeit angekündigt, dass ihr Mandant Meldeauflagen akzeptieren würde, wenn er nur freigelassen wird. Seine Konten seien ohnehin eingefroren, so dass eine Absetzung mit Vermögen ins Ausland nicht mehr als möglich gelten kann. Man kann die ganze Verzögerung dieser unabwendbaren Freilassung von Michael Ballweg also wohl am ehesten mit den Nöten der Anklage beim Verfassen der eigenen Klageschrift und mit einem Versuch erklären, das eigene Gesicht zu wahren.


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Kommentare ( 108 )

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StefanZ
1 Jahr her

Wenn das woanders passiert wäre, würden sich unsere Moralapostel ganz dolle für die Einhaltung der Menschenrechte und gegen die bösen totalitären Systeme, für die Demonstrations- und Meinungsfreiheit und natürlich für den Kampf gegen „Rächts“ einsetzen. Aber in einem demokratischen Rechtsstaat, kann so etwas natürlich nicht geduldet werden. Man stelle sich nur mal vor in Ungarn…, nicht auszudenken. Uschi würde sofort einmarschieren, notfalls auch mit Unterstützung der Wagner-Truppe. Eine Frage hätte ich auch noch an die Staatsanwaltschaft. Wenn das ein versuchter Betrug war, was waren dann eigentlich die Corona-Maßnahmen? Wurden die Konten von Biontech und Co auch eingefroren? Was ist mit… Mehr

StefanZ
1 Jahr her

Wie lange, sitzen eigentlich die Verantwortlichen und Geldgeber der „letzten Generation“ schon in Untersuchungshaft? Oder sind Unterstützung und Anstiftung zu Straftaten keine Verbrechen mehr?

Ralf Poehling
1 Jahr her

Für mich liest sich das, als hätte man einen Vorwand gesucht, Ballweg aus dem Verkehr zu ziehen. Kryptowährungen sind nicht verboten. Warum auch?
In einem freien Land sollte die Geldanlage auch frei sein.

Fred Schneider
1 Jahr her

Politik, Verwaltung und besonders Justiz haben die Rechtsstaatlichkeit in diesem Land mit Füßen getreten und praktisch abgeschafft. Die Transformation durch Willkür, Korruption und Inkompetenz hin zur Bananenrepublik steht mittlerweile kurz vor ihrer Vollendung.

ketzerlehrling
1 Jahr her

Man wollte an ihm, wie an Oliver Janich, ein Exempel statuieren, was allerdings offenbar nicht den gewünschten Effekt hatte.

Peter Gramm
1 Jahr her

Jetzt geht das ganze Theater erst richtig los und wird sehr sehr teuer für Herrn Ballweg. Jahrelange Prozesse mit ungewissem Ausgang und horrenden Kosten. Ich weiss aus eigener (13 Jahre andauernder), leidvoller Erfahrung was dies bedeutet oder bedeuten kann. Vor allem dann wenn man nicht prominent ist und dies im stillen Kämmerlein erleiden und erdulden muß. Jeder dieser Experten die immer gerne vom Rechtsstaat schwurbeln wissen gar nicht über was sie da so reden. Ich wünsche Herrn Ballweg gute Nerven und eine möglichst breite Unterstützung für das was ihm jetzt bevor steht. Rechtsstaat ist in Deutschland lediglich ein Privileg für… Mehr

StefanZ
1 Jahr her
Antworten an  Peter Gramm

Es könnte in diesem Fall durchaus nach hinten losgehen. Es kommt letztendlich auf die Unterstützung für Herrn Ballweg und seine Widerstandskraft an. Die Haft hat ihm von der Reputation her eher genutzt als geschadet.

RUEDI
1 Jahr her

Warum wird Scholz nicht in Untersuchungshaft gesteckt wegen Verdunkelungsgefahr beim WARBURG -Komplex. Dann hätte man auch Zeit in Ruhe eine Anklageschrift zu verfertigen und um weiteren Schaden vom Volke abzuwenden. Zusätzlich Beugehaft bis die Erinnerungen kommen. Gleiches RECHT für alle, oder ist die Führungsspitze GE-RECHTER ?

StefanZ
1 Jahr her
Antworten an  RUEDI

Führungsspitze? Es sind nur unsere leitenden Angestellten. Wenn „wir“, der Souverän sie gewähren lassen, tanzen sie uns halt auf der Nase herum. Wir müssen aufhören, diese Leute wie König und Königin zu behandeln. Das gibt es in einer Demokratie nicht. Auch keine Stylistin oder Fotografen für Minister. Das können und müssen diese Leute, wie jeder andere auch, selber bezahlen. Dafür bekommen sie ihre Diäten. Alles andere ist Steuerverschwendung und dies muss geahndet werden. Es ist nichts anderes wie ein Puffbesuch auf Kosten der Steuerzahler. Wir haben völlig die Kontrolle über dieses Parteiensystem und Wahlsystem verloren. Das Parteien ganze Medienkonzerne übernehmen… Mehr

Aljoschu
1 Jahr her

Der Fall Ballweg ist – wie wir sehen – eigentlich die späte Rechtfertigung der Querdenken-Bewegung und der moralische Untergang des Corona-Regimes der Merkels, Spahns, Lauterbach und Drostens.

Cubus
1 Jahr her

Da hat der Leviathan seine hässliche Fratze gezeigt. Die Gerichte sind nur Erfüllungsgehilfen des Tiefen Staates und keine selbstständige Gewalt oder gar Kontrollinstanz. Bitter zu erfahren, dass unsere Demokratie nur eine Scheindemokratie ist.

Markus Gerle
1 Jahr her
Antworten an  Cubus

Um ehrlich zu sein, erwarte ich hier mehr von den Medien. Natürlich nicht von den Staatsmedien oder staatsnahen Medien. Schön wäre es, wenn alternative Medien wie z. B. TE mach recherchieren würden, von wem die Anweisung an die Staatsanwaltschaft kam, Herrn Ballweg als politischen Häftling festzusetzen. Anders als in anderen Ländern wird es in Deutschland keine Aufarbeitung der Fehler und teilweise schwerwiegenden Rechtsverstöße durch Repräsentanten des Staates während der Corona-Pandemie geben. Dies bedeutet, sie werden es irgendwann wieder tun. Und um das zu verhindern, sollten wir wenigstens die Namen der Täter kennen. Ach ja, auch mir ist schon vor langer… Mehr

Edwin
1 Jahr her

Den Systemlingen hat es scheinbar zwischenzeitlich eingeleuchtet, dass sie Ballweg damit nur zum Märtyrer gemacht haben und damit für ihre Sache kontraproduktiv ist. Dasselbe findet aktuell bei Trump statt. Also nur weiter so!

Gabriele Kremmel
1 Jahr her
Antworten an  Edwin

Das glaube ich kaum. Vielmehr kann man nicht ewig etwas vorschützen, was nicht ist, und macht sich dann selbst angreifbar.