Olaf Scholz will die Alten kaufen

Sozialminister Hubertus Heil (SPD) macht Versprechungen bezüglich der anstehenden Rentenreform. Doch, was er zu bieten hat, ist dünn. Was den deutschen Rentnern droht, geht indes an die Substanz.

IMAGO

Die älteren Ostdeutschen haben ihren Landsleuten aus dem Westen so manches voraus: etwa das Wissen, wie man staatsnahe Medien lesen muss. Zum Beispiel die Botschaft des Sozialministers Hubertus Heil (SPD), die der über geneigte Medien transportieren ließ: nämlich, dass die Regierung die Renten steigen lasse. Das beruhte auf einem Interview, das er der Berliner Morgenpost gegeben hat. Interessant war aber weniger die Jubelmeldung, die der Genosse verbreiten ließ – ältere Ostdeutsche wissen das. Entscheidend sind die Zwischentöne und was der Staatsmann weglässt.

Die Renten sind an die Reallöhne gekoppelt. Steigen die, steigt auch die Rente. In den Jahren der hohen Inflation erlebten die deutschen Rentner einen Verlust an Wohlstand. Denn die Renten stiegen weniger als die Preise. Die Ampel hätte das korrigieren können. Doch die hatte Geld für vieles, aber nicht dafür, den Verlust an Wohlstand der verdienten Generation auszugleichen. Stattdessen belastet sie diese mit Steuern, den Kosten von Habecks Heizhammer und der faktischen, massiven Steuererhöhung, die durch die neu geregelte Grundsteuer zustande kommt.

Das ist heikel: Olaf Scholz’ (SPD) Kanzlerschaft beruht auf drei gesellschaftlichen Gruppen: den Arbeitern mit schlechtem Schulabschluss, den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes und den Menschen über 60 Jahren. In diesen Gruppen holte er 2021 weit mehr Stimmen als im Durchschnitt des Landes. Die Arbeiter mit schlechtem Schulabschluss hat der Kanzler schon verprellt. Umfragen zu dem Erfolg der AfD zeigen, dass der vor allem auf der Erhöhung des Bürgergelds um 25 Prozent innerhalb eines Jahres beruht. Wer mit niedrigem Schulabschluss hart arbeitet, ist wenig begeistert, wenn er kaum mehr verdient als ein Empfänger von Bürgergeld. Weil die Ampel denen keinen Verlust an Wohlstand zumuten will – hart Arbeitenden mit niedrigem Einkommen aber schon.

Heils Interview mit der Morgenpost ist also der Versuch, die Lorbeeren für eine Rentenerhöhung zu kassieren, die ohnehin kommt. Nachvollziehbarer Versuch. Auch wenn er wenig erfolgsversprechend ist. Ein Politiker kann zwar über staatliche und staatsnahe Medien so tun, als ob mit der Rente alles in Ordnung sei. Aber er kommt nicht dran vorbei, dass Deutschland in der EU eines der Länder mit dem niedrigsten Rentenniveau und höchsten Renteneintrittsalter ist. Die Betroffenen bekommen das zu spüren. Da hilft es dann wenig, wenn ihnen der Fernseher eine andere Realität vorlügt.

Ohnehin sind es die Zwischentöne, die in Heils Aussagen beachtenswert sind. Heil verspricht, mit der anstehenden Rentenreform den Beitragssatz zur Rentenversicherung von 18,6 Prozent nicht zu erhöhen. Das Rentenniveau will er „dauerhaft sichern“. Er schließt ein Renteneintrittsalter von 68 oder 69 Jahren aus. Soweit die Botschaften. Doch es lohnt sich, mit Heils Politikerdeutsch in den Zweikampf zu gehen, es zu zerpflücken und die Zwischentöne rauszuholen, die darin verborgen sind. Mit dem Beitragssatz zur Rentenversicherung macht es einem Heil noch leicht. Der soll nämlich nicht „deutlich ansteigen“. Spricht also viel dafür, dass Heil es wie sein Genosse Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) machen will, der die Kassenbeiträge Jahr für Jahr steigen lässt. Aber halt nicht „deutlich“.

In Sachen Eintrittsalter und Rentenniveau macht es Heil dem kritischen Leser schwerer, klare Sicht auf seine Inhalte zu bekommen. Erst einmal negiert der Sozialminister ein Projekt, mit dem die SPD lange für sich geworben hat: „Die Rente mit 63 gibt es schon heute nicht mehr.“ Faktisch gingen die Menschen ja erst mit 64 oder 65 in den Ruhestand. Dann nimmt er die Unternehmen in die Pflicht, Menschen übers 65. Lebensjahr im Betrieb zu lassen. Und ausgeschlossen hat Heil nur die Rente mit 69 – nicht aber die Rente mit 68 Jahren. Der Sozialdemokrat lässt sich also Spielraum für eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters. Wenn auch für keine „deutliche“. Die SPD schreitet da lieber Schritt für Schritt voran. Die nächste Erhöhung des Renteneintrittsalters käme ja dann auch erst nach der Bundestagswahl 2025. Und wenn Heil sagt, er wolle nicht, dass das Rentenniveau noch weiter sinkt, sieht man ihn quasi schon vor sich, wie er achselzuckend grinst und an die gute Absicht erinnert, die von einem der üblichen Verdächtigen durchkreuzt wurde: dem Russen, dem Krieg, den Rechten oder dem Internet.

Heil hat es geschafft, negative Botschaften zu verkaufen und positiv dabei rüberzukommen. In der Blasenwelt von Politik und Medien, die Berlin zwischen Spreebogen und Wilhelmstraße ausmacht, ist das ein Riesenerfolg. Doch was die Bewohner dieser Blase immer weniger verstehen, ist die Tatsache, dass solch ein Erfolg in der Welt außerhalb der Blase immer weniger zählt. Dort erleben die Betroffenen klar, dass ihre Rente kaum noch für die Miete reicht, für immer weniger Lebensmittel, und was erst passiert, wenn Habecks Heizhammer auf ihr Klein-Häuschen durchschlägt, das verdrängt manche Oma derzeit panikhaft. Das ist mit ein bisschen Medien-Hokuspokus nicht wettzumachen. Die Westler sind vielleicht noch nicht so gut darin, zwischen den Zeilen zu lesen wie die Ostler – doch rechnen können beide Gruppen.

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Kommentare ( 50 )

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Kendra1958
8 Monate her

Ich als Ostdeutscher Rentner, höre, lese und schaue keine Kartellmedien. Im Westen ist nur Lug und Trug.

Sterling Heights
8 Monate her

Was der zusammenlabert mit Minister „Un“ Heil kann man nicht mal „den Hasen geben“ . ?

Badenser1959
8 Monate her
Antworten an  Sterling Heights

Wenn man sich das Interview mit Herrn Heil bei Maischberger zu Gemüte geführt hat, dann kommt man unweigerlich zur Erkenntnis, dass eine zeitliche Begrenzung des Bundestagmandats auf maximal zwei Legislaturperioden unabdingbar eingeführt werden muss. Dieser Herr sitzt seit 1998 im Bundestag und hat dadurch jegliche Bodenhaftung verloren und Überheblichkeit dazu gewonnen. Dies ist ihm meines Erachtens nicht mal persönlich anzulasten, denn das sind durchaus menschlich kognitive Prozesse, die nun mal bei über 25 Jahren Aufenthalt im Elfenbeinturm unweigerlich ablaufen.

Renegade1
9 Monate her

Heil möchte das Rentenniveau auf jeden Fall halten. Danke, Herr Heil, das Rentenniveau ist bereits jetzt schon unterirdisch. Kein normaler Durchschniitsverdiener, der keine Betriebsrente erhält, kann von dieser Rente seinen bisherigen Lebensstandard halten. Und trotzdem sagen meine Kollegen und ich, wir gehen mit 63 mit Abschlägen in Rente. Niemand weiß, wie lange er/sie tatsächlich noch lebt, man muss sich nur die Traueranzeigen in der Zeitung ansehen, welche Jahrgänge da jetzt schon drin stehen. Da wird man sch doch nicht noch die letzten Jahre von Arbeitgebern stressen lassen, die mit ganz wenig Personal ganz viel Profit machen wollen. Öffentliche Dienst und… Mehr

cernunnos
9 Monate her

Die Rentner sind ein riesiger Wählerblock. Sie hätten viel in der Hand. Mal das Kreuz woanders machen, von mir aus bei der Tierschutzpartei, und halt nicht wie immer schwarz oder rot.
Aber das wird wohl niemals passieren. Das Beharrungsvermögen ist schon erstaunlich. Man sollte ja annehmen, dass die Rentner schon allein aufgrund ihrer Lebensspanne am häufigsten von allen von der Politik veralbert worden sind und sie aufgrund dieser Lebenserfahrung dann Dinge eher mal anders sehen. Naja. Ist nicht so. Schade.

Sam99
9 Monate her

Gesetzliche Rente? Wer die bekommt und nur davon leben muss, hat ein hohes Armutsrisiko. Wenn man vorgesorgt hat und noch zusätzliche Einkünfte im Alter hat, wird man bei der Rentenbesteuerung richtig belohnt. Ich darf z.B. 1/3 meiner Rente gleich an den Staat zurücküberweisen. Da hat sich das jahrelange, zwangsweise Einzahlen richtig gelohnt. Dieses Rentensystem wird in naher Zukunft nicht mehr bezahlbar sein. Das gleiche gilt für die gesetzliche Krankenversicherung. Es ist eigentlich egal, ob das Geld dann als Rentenzuschuss oder Bürgergeld im Bundeshaushalt verbucht wird. Dieses System ist nicht mehr zu retten und muss kollabieren. Lediglich der Zeitpunkt des Zusammenbruchs… Mehr

Evero
9 Monate her

USA und Deutschland setzen auf Krieg, wenn die Wirtschaft kollabiert. Der Russe muss an allem schuld sein.

hoho
9 Monate her

Man erwartet Knall aber es kann auch sein, dass es ein langes, langsames und schmerzhaftes Sterben der Sozialleistungen geben wird, bis die Gesellschaft irgendwann merkt, dass wir doch anderen Weg brauchen. Wann das passieren wird, ist unklar. Ich vermute das wird noch dauern, besonders in dem Westen.

Siggi
9 Monate her

Lange ist die tatsächliche Situation des Landes nicht mehr zu kaschieren. Nicht nur, dass die Migration unaufhaltsam weiterläuft, die Energiesicherheit nicht gewährleistet ist, die Abwanderung der Industrie extreme Formen annimmt, die Arbeitslosigkeit mit noch übleren Tricksereien verschleiert werden muss, die Kriminalität in einem Maß steigt, dass nur noch Schweigen hilft, ist das Land pleite und überschuldet. Es traut sich keiner der Verantwortlichen, dies anzusprechen. Gaukeleien und andere Tricksereien mit Hilfe der neu ausgerichteten Staatsmedien im „Zusammenland-Bündnis“, darüber hinaus getürkte Umfragewerte, die dem Bürger vorgaukeln sollen, dass die Opposition an Zustimmung verliert und die Versager dazugewinnen, werden mit lächerlichen Durchhalteparolen und… Mehr

Unglaeubiger
8 Monate her
Antworten an  Siggi

Der Wille GUT zu sein, ist den Menschlein speziell im Westen wichtiger als ihre Freiheit und ihr bisserl Wohlstand. Der Gute kommt ja in den Himmel, da wollen natürlich alle hin. Also Gürtel enger schnallen, darben und auf den Himmel hoffen!

Kassandra
9 Monate her

Wer kann heute auch noch mit 63 Jahren auf 45 Jahre Beitragszahlung und damit eine lückenlose Erwerbsbiografie verweisen?
Das System ist, insbesondere hinsichtlich aufgebürdeter Fremdleistungen, so gut wie hinüber.

Simplex
9 Monate her

Ja, Folgendes ist total aus dem Focus geraten: Wer ab März 2023 z.B.eine Brennwerttherme, oder Ölheizung einbauen musste, muss sie in Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern, die bis zum 30. Juni 2028 keine Wärmeplanung vorlegen können, anschliesssend wieder rausreissen und eine LWP mit PHV oder ggf. eine Pelletheizung einbauen. Die „pragmatische Lösung“ scheitert schon deshalb, weil die Heizungsfirmen keine Austauschheizungen haben (würde dem Kunden auch nur eine neue Anlage für 80.000,- € mit LWP und PVA verkaufen, auch wenn die Lieferzeit 12-18 Monate dauert – LoL!). Ergo stehen insb. weniger zahlungskräftige Rentner/Pensionäre wieder vor der Frage: Muss ich ins… Mehr