Sächsische Bürgermeister: Eindruck, „die Inzidenz müsse um ihrer selbst willen geschützt werden“

Die Akzeptanz der Coronamaßnahmen schwindet, wenn sie weiter an Inzidenzwerte gebunden werden. Das schreiben die Bürgermeister des Erzgebirgskreises dem sächsischen Ministerpräsidenten in einem Offenen Brief. Entscheidend sei die Lage in den Kliniken und die sei "stabil".

IMAGO / Political-Moments
Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen

Acht Bürgermeister aus dem Erzgebirge haben in einem Offenen Brief an den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer appelliert, die Fixierung der Coronapolitik auf die Inzidenzwerte aufzugeben. Der hatte sich vor einer für heute geplanten Videokonferenz mit diesen Bürgermeistern allerdings für die Wiederaufnahme der bisherigen Lockdownmaßnahmen ausgesprochen. „Wir müssen möglichst schnell wieder auf einen wissenschaftlichen Weg kommen“, hatte Kretschmer am Dienstagabend gesagt, und die Lockerungen als gescheiterten Versuch angesehen.

Die Bürgermeister stellen nun fest, „dass nach unserem Eindruck immer weniger Menschen die getroffenen Regelungen nachvollziehen können und mittragen möchten.“ Es gebe „immer mehr Regelungen, welche den Eindruck von Aktionismus hinterlassen.“ So verliere die Politik die Unterstützung der Menschen, die aber dringend gebraucht werde.

Vor allem kritisieren die Bürgermeister den Inzidenzwert als alles entscheidenden Richtwert. In kleineren Kommunen sei man schon mit einem einzigen neuen Coronafall bei einer Wocheninzidenz von über 100. „Verfolgt man die Entwicklung der letzten Wochen, drängt sich der Eindruck auf, die Inzidenz müsse um ihrer selbst willen geschützt werden.“

Im Gegensatz zu den Tagen kurz vor Weihnachten, als die Intensivbetten im Erzgebirgskreis fast vollständig belegt und das betreuende Personal an der Belastungsgrenze gewesen sei, bleibe derzeit „die Lage in den Krankenhäusern auch weiter auf niedrigem Niveau stabil“, obwohl sich die Inzidenz um den als kritisch betrachteten Wert von 100 bewege.

Offener Brief an Ministerpräsident Kretschmer
Wenn die neue erweiterte Teststrategie dazu führen wird, noch mehr symptomlose und milde Infektionen bekannt zu machen, und diese neuen Ergebnisse „undifferenziert mit den bisherigen Inzidenzen verglichen werden, ergibt sich ein völlig verzerrtes Bild…“, heißt es in dem Brief. „Dies gilt umso mehr, wenn an diese auf diese Weise ermittelten Inzidenzwerte konkrete Schritte der Öffnung oder Schließung von Geschäften, Schulen etc. geknüpft werden. Dann wird ein Szenario greifbar, bei dem die genannten Einrichtungen schließen müssen oder gar nicht erst geöffnet werden, da die Inzidenzwerte steigen, aber tatsächlich überhaupt keine (zusätzliche) Gefährdung des Gesundheitswesens eintritt.“

Die Bürgermeister äußern auch ihr Unverständnis, warum die Landesregierung in Dresden auf verschiedene Angebote der Städte und Gemeinden zur schnelleren Impfung nicht eingegangen ist. „Es ist unseren Einwohnern nicht mehr vermittelbar, wenn der äußerst wichtige Weg der Bereitstellung von Impfmöglichkeiten seit Wochen zu unstrukturiert und mit vielen Unzulänglichkeiten belastet begangen wird, während andererseits weitere Einschränkungen bestehen bleiben oder neu verfügt werden sollen.“

Der komplette Brief der Bürgermeister ist von Radio Erzgebirge hier veröffentlicht worden.


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Kommentare ( 90 )

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Vaborekos
3 Jahre her

Die Inzidenzzahl ist so völlig unbrauchbar, da nicht vergleichbar.
Wenn schon, muss sie standardisiert werden.
Und zwar Anz. Pos. Test bez. Anzahl insg. gemachten Tests!
Anz. Pos. Tests
——————–
Anz. ges. Tests
Dann ist es auch egal, wie viele man testet, die Quote würde sich durch vermehrtes Testen nicht ändern, sondern sich der Inf. Rate entsprechend verhalten.
Nur könnte man dann nicht mehr durch mehr testen manipulieren und das Inf. Bild verfälschen.
Aber, ein Schelm, der dabei böses denkt!

Riffelblech
3 Jahre her

Der sächsische Ministerpräsident möchte sich doch nur für „ größere „ Aufgaben empfehlen ,deshalb gibt er seinen Verstand am Schreibtisch ab ,ruft in Berlin an und sieht dann der Lockdown ist das entscheidende .
Billiger und alberner kann der Apostel nicht gestaltet werden .
Diese CDU Abhängigkeit ist zum K……Nur Karrieregeilheit ,Sachverstand ist verboten , die Meinung der örtlichen Bürgermeister nichts wert .
So macht man das Land kaputt .
Hoffentlich denkt das Land bei den nächsten Wahlen dran !

Sani58
3 Jahre her

Sachsen (nach Civey 16.3.21): CDU 31%, AfD 27%, Grün 12%, Linke 11%,SPD 7%, FDP 5%.
So (ähnlich) Deutschlandweit, und das Gemeinwesen könnte noch mal die Kurve kriegen.

ketzerlehrling
3 Jahre her

Das haben sie glasklar erkannt.

Christian Freund
3 Jahre her

Die 8 unterzeichnenden Bürgermeisterinnen (Alexander, André, Rolf, Ingo, Nico, Mirko, Albrecht und Martin) sind irgendwie bewundernswert. Sie glauben immer noch an Sachlichkeit und Argumente. Faszinierend.

Kuno.2
3 Jahre her

Der Schwachsinn mit den Inzidenzwerten ist doch auch für Schüler der Grundschule durchschaubar:
Weil jetzt infolge der neuen Schnelltests deutlich mehr geprüft wird, steigen logischerweise die Fälle der symptomlos Infizierten.
Würde keiner mehr getestet, dann sinkt die Inzidenz sofort auf Null.

humerd
3 Jahre her

die Zahlen selbst des RKI zu hinterfragen, dazu reicht der Mut dann auch wieder nicht. Oder mangelts an Fähigkeiten? Vermutlich beides mangelnder Mut und Fähigkeit.

Last edited 3 Jahre her by humerd
Gerro Medicus
3 Jahre her

Sie haben übrigens völlig recht mit Ihrer Allegorie bzgl. Autoindustrie. Der pseudowissenschaftliche Ansatz von Grenzwerten wird überall genutzt, um zu herrschen: Ob es um angeblich krebserregende Substanzen geht, ob es um radioaktive Strahlung geht, ob es um Stickoxide bei Dieselfahrzeugen geht, ob es um Corona geht – stets wird behauptet, dass nur unrealistisch niedrige Werte (idealerweise sind die in den Augen linksgrüner Wirrköpfe = Null) sicherstellen, dass wir nicht krank werden. Dass Menschen ein in der Regel robustes Immunsystem haben, dass der menschliche Körper selbst relativ robust ist und viele Kompensationsmechanismen beinhaltet, weil wir sonst schon längst ausgestorben wären, wird… Mehr

Gerro Medicus
3 Jahre her

Dazu sollte jeder sich einmal den Artikel „Der Inzidenzwert: „In hohem Maße steuerbar“ – durch Politik und Behörden: Massive Abhängigkeit von Zahl der durchgeführten Tests“ (Gastbeitrag von Prof. Dr. Thomas Rießinger und Michael Horn, Veröffentlicht am 16. März 2021) auf der Website von Reitschuster durchlesen, damit das Ausmaß an Lüge, Betrug und Manipulation mit diesem Parameter, an dem jetzt alles hängt, Lockdown, Maske, Kontaktverbot, Ruinierung unserer Wirtschaft, Vernichtung von Existenzen etc. pp, klar wird. Und man sollte sich auch klarmachen, wie die Regierung eine realistische Einschätzung der Gefährlichkeit durch Blockierung klärender Maßnahmen (z.B. Obduktionen) und Verteufelung von Therapieschemata verhindert, während in… Mehr

Gerro Medicus
3 Jahre her

Leute, Leute, habt ihr denn immer noch nicht begriffen, dass „offene Briefe“ nur dazu gut sind, im kleinsten Raum jeder Wohnung hinter sich gebracht zu werden?
Wenn die Bürgermeister so überzeugt sind, dass ihre Position realistisch und richtig ist, dann sollten sie zum aktiven Widerstand gegen die unsinnigen Bestimmungen aufrufen. Aber dazu sind sie zu feige, denn das würde bedeuten, dass sie Verantwortung dafür übernehmen müssten. Der offene Brief soll jedoch diese Verantwortung auf die nächst höhere Ebene schieben.
Wirksamen Widerstand kann man nicht delegieren, den muss man selber leisten!