Ökonomie der Hitze

Gut, dass Strom aus der Steckdose kommt. Über die Folgen einiger heißer Tage, die die Verletzlichkeit unserer technisierten Welt offenlegen. Denn trifft Politik auf Physik, gewinnt die Natur.

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In der modernen Welt fühlen wir uns vielfach unangreifbar von Naturereignissen; wir leben in einer künstlichen Welt, in der Bits und Bytes den Ton angeben. Natur ist etwas für den Sonntagsspaziergang.

Natur im Alltag

Doch die aktuelle Hitzewelle zeigt, wie sehr wir abhängig sind – viel tiefer und ursächlicher als wir uns das oft vorstellen: Sie dringt wieder in den Alltag vor.

Die Landwirtschaft leidet, es kommt zu massiven Ernteausfällen. Gut, die Bauern fordern 1 Milliarde Hilfen – wer hätte nicht Verständnis dafür? Schließlich braucht man in Deutschland nur eine starke Lobby, und die Politik knickt ein. Dabei ist es Aufgabe der Bauern, mit guten wie mit schlechten Tagen zu leben. Ist Wetter neu? Neu ist die Zahlungsbereitschaft des Staates, der für alles und jedes zuständig ist. Das lernen wir. Dabei gibt es viel verborgenere Veränderungen: Kurzfristig wird Fleisch billiger, weil Vieh geschlachtet werden muss, das nicht gefüttert werden kann, nachdem Heu und Futtergetreide nur magere Ernten liefern. Nur Importe aus anderen Teilen der Welt verhindern eine Katastrophe – dank der gescholtenen Globalisierung. Mittelfristig werden die Preise für landwirtschaftliche Produkte steigen. Anderswo wächst der Hunger: Die Reichen verdrängen die Armen; Getreide fließt an den Ort, der zahlen kann.

Klima und Inflation

Die Europäische Zentralbank kommt unverhofft ihrem Ziel näher, die Inflation in Europa anzuheizen. Steigende Lebensmittelpreise helfen so der Null-Zinspolitik und Gelddruckerei. Wir erfahren neu: Lebensmittel kommen also nicht aus dem Supermarkt – sie kommen vom Feld und aus dem Stall, abhängig von Klima und Wetter. Ist es schon der viel zitierte und nicht verstandene Klimawandel? Klimawandel ist wie schon immer, immer, wie er ausfällt, wissen wir in 30 Jahren. Wie gehen wir mit dem um, was wir an Wetter erleben, das sich wiederholen kann? Es gibt zwei Antworten: Anpassen oder untergehen.

Strommangel ist menschengemacht
Hitzefrei
Europa hat gerade eine moderne Methode der Gen-Schere verboten, die schnellere Zuchterfolge bei Getreide und Nutzpflanzen ermöglicht. Dabei wären neue Sorten und Züchtungen dringend nötig, wenn es klimabedingt tatsächlich zu langanhaltenden Dürren kommen sollte. Saaten sind veränderbar, können sich anpassen. Die Entwicklung dieser neuen Sorten wird daher in den USA stattfinden, die Labore und Sämereien wandern ab. Europa will sich nicht anpassen an die neuen Herausforderungen, denn die Instrumente widersprechen der herrschenden Ideologie. Die Geschichtsbücher sind voll von Berichten über Gesellschaften, die den Wandel nicht bewältigt haben.

Gut, dass der Strom aus der Steckdose kommt

Aber die Hitze greift auch tief in die Energiewirtschaft ein: Solarzellen liefern viel Strom, wenn der Himmel blau ist und die Sonne hoch am Himmel steht. Die Windräder allerdings stehen wetterbedingt, und damit fällt die Hauptleistung der Erneuerbaren Energien aus. Auch die letzten Steinkohlekraftwerke drosseln derzeit ihre Leistung; sie sind zur Kühlung auf Flüsse wie den Rhein angewiesen.

Längst sind die Grenzwerte der Erhitzung des Flusswassers erreicht. Wenn weiter der Strom produziert werden soll, denn der Wind nicht liefern mag, dann sterben Fische und Natur. Das gilt auch für die französischen Kernkraftwerke an der Mosel. Schon einberechnet ist, dass die Frachtschiffe auf dem Rhein nur mit weniger Tiefgang und damit geringerer Kohlefracht für die Strommeiler unterwegs sind. Aber wie lange halten die Kohlehalden vor? Strom lässt sich nicht speichern, auch wenn die neue grüne Parteivorsitzende Annalena Baerbock meint, er ließe sich in den Strom-Leitungen auf die Seite legen wie ein Sack Steine.

Strom gesucht
Hitzeschäden bei der Energiewende
Trifft Politik auf Naturgesetze, gewinnt immer die Physik. Träume zerplatzen an der Wetter-Realität. Auch Norwegen, mit seinen Flüssen und Seen lange als „Batterie“ der Energiewende propagiert, leidet unter Wassermangel und importiert seinerseits Strom, statt welchen nach Deutschland abzugeben – der Import kommt massiv aus schwedischen Kernkraftwerken. Selbst Biogasanlagen fallen aus: Die Trockenheit verhindert die Ausbildung von Maiskörnern – die aber sind für die Vergasungsprozesse unabdingbar. Zuverlässig und an der Leistungsgrenze arbeiten die viel gescholtenen Braunkohlekraftwerke; ihr Kühlwasser kommt aus dem Grundwasser der Abbauflächen. Viele fordern, wir sollten sie abschalten. Ob nach der Abschaltung nie mehr ein heißer Sommer kommt? Meist allerdings hat die Natur das letzte Wort. Weiter Wälder werden für neue Windräder abgeholzt, auch der Wald der Gebrüder Grimm. In der nächsten Hitze wird trotzdem dort kein Windstrom produziert – in baumlosen Wüsten ist dafür die Hitze umso spürbarer. Dummheit und Gier zerstören die Natur, die letztlich aber immer doch stärker ist.

Feinstaub auch ohne Diesel

Gehen Sie möglichst nicht an die frische Luft. Feinstaub erschwert die Atmung. Er ist Produkt der Hitze, war immer schon da, lauernd, wird jetzt hervorgelockt. Mit dem Diesel-Motor hat das wenig zu tun. Eigentlich. Aber Naturphänomene eignen sich für politische Kampagnen. Mittlerweile werden immer neue Diesel-Aggregate bestellt. Sie sollen die Stromversorgung für Kliniken, öffentliche Gebäude, Tankstellen der Polizei und Feuerwehr sicherstellen, wenn der Strom wegen der überlasteten Netze und überstrapazierten Bauteile ausfällt – die Verheerung war in Lübeck schon nach vier Stunden gewaltig.

Ein Plädoyer für Gentechnik im SPIEGEL
Fortschritt braucht bloß Vernunft
Plötzlich zeigt sich: Großflächige Energieverbünde und möglichst unterschiedliche Quellen sind also doch Garanten für eine sichere Energieversorgung. In manchen Städten werden Glasflaschen für Getränke knapp. die Unternehmen kalkulieren knapp – unbenutzte Glasflaschen gelten als totes Kapital. Also wurden Reserven reduziert – Reserven sind teuer. Dafür will keiner mehr bezahlen. Weder bei Flaschen, noch bei Energie und auch nicht bei Lebensmitteln. Die Hitze macht einen Strich durch viele Kalkulationen. Die Natur herrscht.

Menschen können nur vorsorgen. Und über den Tag hinaus denken. Sich ihrer Kleinheit bewusst sein, Bescheidenheit pflegen. Ein paar Sonnentage können erhellend wirken.

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Kommentare ( 114 )

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114 Comments
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humerd
6 Jahre her

„Hitzewelle 1976 Im Sommer 1976, besonders von Ende Juni bis weit in den Juli, gab es eine der markantesten Hitzewellen des vergangenen Jahrhunderts. Erst im Jahre 2003 sollte sich ähnliches wiederholen, mit allerdings noch schlimmeren Auswirkungen. Im Sommer 1976 war es zudem extrem trocken und die Landwirte beklagten enorme Ernteausfälle, Felder waren komplett vertrocknet. In weiten Teilen Europas gab es eine große Dürre. Im Westen und Südwesten Deutschlands gab es gebietsweise mehr als zwei Wochen am Stück 30 Grad und mehr!“ http://wetterkanal.kachelmannwetter.com/das-waren-die-markantesten-hitzewellen/ Der Agrarindustrie ist jedes Wetter willkommen noch mehr Gelder abzugreifen, um in noch größere Tiermastställe zu investieren und… Mehr

W aus der Diaspora
6 Jahre her
Antworten an  humerd

1976 durften allerdings die Bauern auch noch selbst bestimmen, dass sie kurz entschlossen auf jedem möglichen Flecken im Herbst Grünfutter anbauten für das Vieh. Heute bestimmt das, das Amt. Wenn aber der Staat bestimmt, dann muss auch der Staat für die Konsequenzen daraus zahlen …

Herbert Wolkenspalter
6 Jahre her

Ein klarer Fall von Wetterabhängigkeit herkömmlicher Kraftwerke. Bisher hatte man das nur den Ökoenergien zugeschrieben. Berühmte Formel: Wenn der Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint, nützt es auch nichts, wenn die Zahl der Anlagen verdoppelt wird. Nun lernen wird, dass dasselbe auch für die herkömmlichen Kraftwerke gilt, wenn es zu heiß wird. Herr Tichy weist im Schweinsgalopp des Schreibens noch extra darauf hin, dass das nicht das letzte heiße Wetter gewesen sein wird. Wie wahr in Zeiten globaler Temperaturerhöhung! Im übrigen habe ich keine Vorstellung, wie man mit Grundwasser(!) überhaupt eine nennenswerte Kühlleistung zustandebringen will (Zusammenhang zum Artikel:… Mehr

Nibelung
6 Jahre her

In meinen Augen sind viele Landwirte, nicht alle, mit die größten Umweltverschmutzer, zusammen mit den Chemikonzernen und das ist sichtbar durch das langsame Sterben der Artenvielfalt und das seit gut 70 Jahren. Was vorher war, entzieht sich mehrheitlich der Kenntnis der Beobachter, aber wenn man dann der Natur wegen auf`s Land gezogen ist und ein guter Betrachter deren Tätigkeiten ist, kann man sehr wohl erkennen, was hier abläuft, unabhängig von anderen Einflüssen, die sicherlich alle mit dazu beitragen, daß wir uns über grüne Wälder und Felder hinwegtäuschen lassen, die nur grüne Agrarwüsten darstellen und dabei nahezu die gesamte Tierwelt von… Mehr

Thomas
6 Jahre her
Antworten an  Nibelung

Deutschland hat zu viele Einwohner.

gast
6 Jahre her

Die Zahlungsbeteitschaft des Staates für die Bauern ist nicht neu. Ich beobachte seit ich denken kann, dass der dickste Landwirt mit dem meisten Land und Vieh immer in der Politik als Minister ganz vorne steht und das meiste davon absahnt, was er politisch durchsetzt. Viele Bauern haben versucht, jeden Scheiße mitzumachen und viele sind daran gestorben. Es gibt trotzdem noch Bauern, die überleben wollen und ich sehe hier einige. Ich gehe praktisch täglich durch ein Paradies, alles voller Kühe, die ein Bauer draußen hält auf vielen Weiden, bis die Kühe schließlich die weiße Fahne schwenken, weil es ihnen zu kalt… Mehr

Reinhard Lange
6 Jahre her

Nein, das sollte Tichys Einblick nicht passieren. Es ist keine „Hitzewelle“. Es waren lediglich einige Wochen Trockenheit in einigen Teilen Deutschlands und ein paar heiße Tage. Dazu Jörg Kachelmann:
https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_84212752/wetter-in-deutschland-kachelmann-ueber-den-klimawandel-kein-sommermaerchen.html

bfwied
6 Jahre her

Deutschland ist das Land der fanatischen Ideologen, und das wird keineswegs besser, sondern wieder übler. In diesem thematischen Zusammenhang ging es nur zu Beginn der Forschung bez. der Klimaentwicklung in der Zukunft um Wissenschaft, vor langerer Zeit wurde das Thema von der Politik, insb. von den Grünen, okkupiert, die zwar keine Ahnung davon haben, aber sie gingen/gehen mit Katastrophenschlagzeilen an die Öffentlichkeit – es sind keine Wissenschaftler, und die wenigen, die überhaupt Naturwissenschaften studiert haben und in die Öffentlichkeit treten, waren niemals/kaum jemals tätig, sie wären sonst – bei Verstand – zurückhaltender! Seit Langem also geht es nicht mehr um… Mehr

Alf
6 Jahre her

Es gibt Leute, die haben eine elektrische Säge, eine Küchenmaschine, einen USB-Bleistiftspitzer und Wikipedia. Die Handsäge, den Bleistiftspitzer wie es ihn früher gab, das Lexikon als Buch – alles Unfug, wer benutzt so etwas. Ich lebe in beiden Welten, habe die Handsäge und die elektrischen Teile in meinem Werkkeller. Einen USB-Bleistiftspitzer besitze ich nicht. Aber wenn der Rechner nicht funktioniert, dann nehme ich meinen Brockhaus, 24 Bände mit Goldschnitt – ein Schatz, der auch ohne Strom funktioniert. Hat 100 € gekostet. Es muß nicht Strom aus Braunkohle sein. Einfach nur nachdenken, was wichtig ist. Ich bin noch aufgewachsen in einer… Mehr

Autochthon
6 Jahre her

Ich kann das Gejammer über das Wetter nicht nachvollziehen. Wenn ich übers Land wandere oder radle sehe ich schwarzrote Erde unter Kirschbäumen, weil weder Menschen noch Stare mit der Ernte nachgekommen sind. Mancher Apfelbaum ist unter der Last der Früchte zusammengebrochen und die Winzer müssen kräftig ausdünnen, damit sie ihre zugelassenen Mengen nicht überschreiten. Auch die Getreidewagen, die zu den Mühlen gefahren werden, sind gut geladen. Zumindest bei uns im Südwesten ist das so. Und eine alte Bauernregel sagt: In einem trockenen Jahr ist noch kein Bauer zu Grunde gegangen, aber in einem nassen.

Gerro Medicus
6 Jahre her

Dazu lässt sich folgendes beisteuern: Extrem heiße Sommer innerhalb der letzten 1025 Jahre http://klimaarchiv.info/ein-blick-in-die-vergangenheit/sommer.html 994 Jahrtausendsommer mit extremer Dürre in Europa! 1137 Außergewöhnliche Trockenheit in ganz West- und Mitteleuropa. 1177 Extreme Trockenheit & Hitze in ganz Europa. 1198 Extreme Trockenheit & Hitze in ganz Europa. Die Dürre dauerte angeblich 15 Wochen lang. 1304 Ein Jahrhundertsommer mit extremer Trockenheit das ganze Jahr über! Extrem niedrige Pegelstände großer Flüsse. 1448 Extrem heißer und trockener Sommer. Brunnen, Flüsse trockneten aus. Hervor ragender Wein. 1534 Rekordhitze und -trockenheit. Erhebliches Niederschlagsdefizit! 1540 Jahrtausendsommer mit beispielloser Dürre in ganz Europa! 2003 Eine extreme Dürre & Hitze… Mehr

Getebe
6 Jahre her
Antworten an  Gerro Medicus

Ihr Kommentar…Auch 1959 war es von April bis August extrem trocken, die Sonne schien ständig. Das gleiche 1975 und 1976

Thomas
6 Jahre her
Antworten an  Getebe

Es sind Zyklen.

benali
6 Jahre her

Der Mensch braucht die Natur, die Natur braucht den Menschen nicht.

Ironie der Zeitgeschichte. Diesen Spruch haben die Gutmenschen früher als vorgetragen, um die absolute Wahrheit ihrer Ideologie zu untermauern. Zu dumm, dass sie damals nicht erkannt haben, dass Physik, sprich Natur, keine Ideologie braucht um sich zu behaupten.