Nicht Oma, der Bauer ist Umweltsau und „Brunnenvergifter“

Der Deutschlandfunk erklärt die Bauern zu "Brunnenvergiftern". Anders Edeka: Auf als misslungen wahrgenommene Werbeplakate der Lebensmittelkette in Minden, folgten Proteste zahlreicher Bauern auf ihren Traktoren. Die Edeka-Manager wollen nun einen Tag lang auf einem Bauernhof ein Praktikum absolvieren - die Verhandlungsführer der Bauern dürfen einen Tag bei Edeka Lebensmittelhändler spielen.

Maja Hijti/Getty Images

Wenn Oma noch ein Schnitzel isst, gilt sie beim WDR als „Umweltsau“? Da muss der Deutschlandfunk nachlegen – und macht die Bauern zu „Brunnenvergiftern“: „Dafür können sich die Bauern die Hände reiben. Jahrelang haben sich nicht alle, aber viele von ihnen – man ist versucht hier ein drastischeres Wort zu benutzen – einen Dreck geschert um den Schutz unseres Grundwassers und um die Einhaltung gültiger Gesetze. Und nun bekommen diese Brunnenvergifter noch eine Milliarde Euro oben drauf.“  Natürlich hat es sofort Proteste gehagelt, und die Redaktion bemühte sich um eine Beschwichtigung in folgender Form und in Klammern: (Anm. d. Red.: Dieser Begriff hat einen antisemitischen Hintergrund. Der Autor bedauert die unbedachte Verwendung des Begriffs.)

Es ist eine halbherzige Entschuldigung. Der Vorwurf bleibt, nur die Formulierung ist also etwas heftig?

— Dr. Alexander Will (@AF_Will) January 31, 2020

Ach, alles nur ein Missverständnis! Auch anderswo. In Sack und Asche statt feinem Geschäftsführer-Gewand gehen derzeit der Vorstandsvorsitzende und der Medienverantwortliche der Lebensmittelkette Edeka Minden-Hannover. (»Wir lieben Lebensmittel!«). In einem Statement veröffentlichten sie ihren Rückzieher nach Bauernschelte: »Es ist unser erklärtes Ziel, partnerschaftlich mit den Lieferanten und Produzenten zusammenzuarbeiten, um ein für alle Beteiligten zufriedenstellendes Ergebnis sicherzustellen.«

Sie wollen einen Tag lang auf einem Bauernhof ein Praktikum absolvieren, die Verhandlungsführer der Bauern dagegen einen Tag bei Edeka Lebensmittelhändler spielen. Rollentausch also nicht nur im Trash-TV, sondern auch im Lebensmittelbereich. Edeka, sonst deutlich brutaleren Umgang mit Lebensmittelproduzenten und Bauern gewöhnt, zog die Samthandschuhe an und flötete: »Es ist in unserem ureigenen Interesse, eine gute Beziehung mit den regionalen Erzeugern und Produzenten zu pflegen!« Mark Rosenkranz, der Vorstandssprecher der Edeka Minden-Hannover weiter: »Den Landwirten und uns geht es doch im Grunde um die gleiche Sache – Lebensmittelwertschätzung. Das heißt, auch regionale Produkte zu fairen Preisen anzubieten, die sich im Wettbewerb behaupten können.«

Grüne Realität
Bauernproteste: Zerstören die Bauern das Land - oder schaffen sie Kulturlandschaft?
Landvolk-Präsident Albert Schulte to Brinke, der neben Vertretern der neuen Bauernorganisation »Land schafft Verbindung«, Landwirt Douwe Wittbard und zwei weiteren Landwirten aus der Region mit den Lebensmittelhändlern am Verhandlungstisch saß, zufrieden: »Unsere Bauern haben im Moment wirklich nichts zu lachen. Es ist gut, dass Edeka die Plakataktion ändern und es eine gemeinsame Kampagne geben wird.« Und weiter: »Ganz deutlich wurde aber gemacht, dass der Preis das entscheidende Werbeinstrument ist und auch bleiben wird. Der Preis bleibt gerade im Kampf mit den Discountern auch für Edeka der wichtigste Faktor – da lassen sie sich nicht beirren.« Deshalb werde der Landvolkverband für seine Bauern weiter für faire Wettbewerbsbedingungen kämpfen, schob er markig nach.

Auch Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied, der bei den demonstrierenden Bauern kaum mehr eine Rolle spielt, fand dies eine gute Gelegenheit, nachzuschieben: »Wir haben kein Verständnis dafür, dass Edeka zu seinem Jubiläum nichts anderes als ‚der niedrigste Preis‘ einfällt.«

Zu Wochenbeginn hatte eine massive Belagerung der Bauern Schlagzeilen gemacht. Sie blockierten das Edeka-Zentrallager Nordwest in Neuenkruge im Ammerland. Traktoren verstellten die Haupteinfahrt, kein Lastwagen konnte mehr passieren. So konnten auch die Zulieferfahrzeuge für die Supermärkte in der Region kaum mehr ausrücken – und das ausgerechnet zum 100-jährigen Bestehen der größten Edeka-Regionalgesellschaft. Die Landwirte forderten eine Entschuldigung von Edeka und zogen in der Nacht gegen vier Uhr wieder ab.

Anlass war eine Plakatwerbung der Edeka Minden-Hannover AG, auf der der Grimassen ziehende Komiker Otto Waalkes mit dem Spruch zu sehen war: »Essen hat einen Preis verdient: den niedrigsten«.

Bei den Landwirten kam das natürlich nicht gut an, versuchen sie doch gerade deutlich zu machen, dass sie für hohe Qualität von Lebensmittel entsprechend bezahlt werden müssten. Der Werbespruch klang in ihren Ohren nach Dumpingpreisen, für Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied bedeutet die Werbung, dass »hochwertige Lebensmittel verramscht« werden.

Experten-Gespräch mit Holger Douglas
2019 - das Jahr der Bauernproteste
Die Aktion hat ein weiteres Nachspiel: Bundeskanzlerin Merkel »zitiert« die Chefs von Aldi Nord und Süd, Lidl, Kaufland Edeka und Rewe ins Kanzleramt. Das berichtete die Lebensmittelzeitung. Am 3. Februar sollen sie demnach in die Pflicht genommen werden. Da würde man gerne Mäuschen gespielt, wenn Merkel der Industrie den Marsch blasen will. »Die Lebensmittelpreise werden in Deutschland zur Staatsangelegenheit«, bemerkte die Lebensmittelzeitung spitz.

Wird es demnächst Bundestagsdebatten und Mehrheitsentscheidung darüber geben, wie teuer Milch, Butter und Eier werden dürfen? Oder soll ein Preisdiktat gleich von einem neuen Politkommissar für die Landwirtschaft kommen?

Die Bauern jedenfalls haben gezeigt, wie schnell sie neuerdings wirkungsvolle Demonstrationen auf die Straßen bringen können. Das könnte entscheidend sein. Sollen sie doch gerade mit insgesamt einer Milliarde Euro an Zuschüssen mundtot gemacht werden und ihren Widerstand gegen eine Agrarpolitik aufgeben, in deren Folge sie ihre Höfe aufgeben müssten.

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