Clan- und Lobbyklüngel sind in den Bundesministerien an der Tagesordnung

Jennifer Morgan reiht sich logisch ins Glied von Öko-Lobby-Strukturen der Bundesregierung. Früher haben sich NGOs – sogenannte Nichtregierungsorganisationen – von Ministerien durchfüttern lassen. Heute übernehmen sie diese direkt.

IMAGO/Jens Schicke, photothek, IPON

Deutschland ein Selbstbedienungsladen? Schön wär’s! Ein Selbstbedienungsladen setzt voraus, dass der Kunde nach seiner Einkaufstour zur Kasse gebeten wird. Die immer offenere Dreistigkeit, mit der sich die Ampel am Silbergeschirr der Bundesrepublik bedient, erinnert dagegen an deutlich unschönere Vergleiche, deren freundlichste Beispiele im weiteren Umfeld der Bandenkriminalität zu suchen sind.

Zur Erinnerung: Das Bundeswirtschaftsministerium ist tatsächlich ein Bundesklimaministerium, legt man die Definition zugrunde, wer dort heute den Ton angibt. Staatssekretär Patrick Graichen war früher Direktor des Think Tanks Agora-Energiewende. Die beiden Parlamentarischen Staatssekretäre sind eng mit ihm verdrahtet: Da ist einmal Oliver Krischer, der jahrelang im Rat derselben Agora saß, die Graichen früher geleitet hat; Michael Kellner, der andere Parlamentarische Staatssekretär, ist mit Verena Graichen verheiratet, der Schwester von Patrick Graichen.

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Verena Graichen ist stellvertretende Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie „Senior Researcher“ am Öko-Institut für Energie und Klimaschutz – dessen Finanzierung sich größtenteils aus staatlichen Zuwendungen speist. Am Öko-Institut sitzt auch ein weiterer „Senior Researcher“ für Energie und Klimaschutz, nämlich Jakob Graichen. Er ist der Dritte im Bunde der Geschwister Graichen.

Kein Mitglied des Graichen-Clans, jedoch im näheren Umfeld der NGO-Begeisterten verortet, ist auch der neue Staatssekretär Sven Giegold. Der war nicht nur mal Landesjugendsprecher der BUNDjugend in Niedersachsen und am Aufbau des Vereins Ökologisches Zentrum Verden beteiligt, sondern auch eines der Gründungsmitglieder von Attac Deutschland. Er vertrat den BUND im Attac-Rat. Es gehört zur Ironie dieses Europa-Grünen, dass er auf seiner Webseite Lobbyismus zu seinen Kernthemen zählt. Gemeint sind natürlich nur die „schlechten“ Lobbys, die er zufällig nicht vertritt.

Der Graichen-Clan ist nur ein Beispiel von vielen

Um beim bekanntesten Beispiel zu bleiben und zu erahnen, inwiefern NGOs bereits große Teile der Exekutive und Legislative durchdrungen haben, sind im Folgenden nur Staatssekretäre aufgeführt, die zum Netzwerk der Agora Denkfabrik in der Bundesregierung gehören:

  • Cem Özdemir (Grüne), Bundesminister für Landwirtschaft;
  • Stefan Tidow (Grüne), Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt;
  • Johann Saathoff (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren;
  • Michael Theurer (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr;
  • Jochen Flasbarth (SPD), Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung;
  • früher: Andreas Feicht (CDU), Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft (2019-2021); und
  • Norbert Barthle (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft (2018-2021);
  • dazu der mehrfache Staatssekretär Rainer Baake (Grüne), der Gründer der Agora und Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), der zuletzt im Bundesministerium für Wirtschaft (2014-2018) war.

Aufmerksame TE-Leser kennen diese Zusammenhänge bereits. Aber fast täglich tun sich neue Abgründe jener Symbiose aus Parteipolitik und NGOs auf. Ein Phänomen, das schon der Großen Koalition nicht unbekannt war. Doch mit dem offiziellen Einzug der Öko-Lobby in die Ministerien wird nunmehr deutlich offener gezeigt, wer tatsächlich die Hosen anhat.

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Der jüngste Fall der Nominierung der bisherigen Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan zur Staatssekretärin im Außenministerium reiht sich daher nur logisch in die obere Reihe ein. BUND, Öko-Institut, Agora – irgendwie muss man auch die alten Kollegen von Greenpeace honorieren. Ganz ungewohnt ist die ministeriale Umgebung nicht: 1996/1997 war sie im Bundesumweltministerium als Redenschreiberin für Angela Merkel tätig. Dennoch hat die grüne Lobby in den Ministerien eine Stärkung verdient, seitdem Gerd Billen (Grüne), der ehemalige Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbund Deutschland (NABU), nicht mehr Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz ist. Aber keine Sorge um den NABU: Jochen Flasbarth ist nicht nur eifriges Agora-Mitglied, sondern war schließlich elf Jahre lang Präsident dieses Verbandes.

Die Öko-Lobby in den Ministerien ist ein Netzwerk, das seit 20 Jahren beständig wächst

Jetzt kommen wir doch ins Plaudern. Denn über Jochen Flasbarth und Rainer Baake kommt man nicht umhin, die offensichtlichen Verstrickungen zwischen NABU, Agora, DUH, Umweltbundesamt, VCD und dem neuesten Streich dieser Lobby zu erwähnen, der doch gerade in der Mache ist. Aber halblang: Bleiben wir bei Flasbarth. Denn nicht nur seine Tätigkeit als Präsident des NABU, als Ratsmitglied der Agora und als Präsidiumsmitglied des Deutschen Naturschutzrings (eine Oberorganisation, dem neben dem NABU auch der BUND und die DUH angehören) sind erwähnenswert, ganz abgesehen von seiner zwanzigjährigen Aktivität in zwei Ministerien. Flasbarth ist zudem Mitbegründer des Verkehrsclub Deutschland (VCD).

Um die Gesinnung des VCD zu umschreiben, reicht eine Selbsteinschätzung, dass man dort nicht prinzipiell mit Autofeinden zu tun habe. Er steht in enger Kooperation mit der DUH von Jürgen Resch. Zur Erinnerung: Rainer Baake war Staatssekretär im Umweltministerium unter Jürgen Trittin (1998-2005), bevor er Geschäftsführer der DUH wurde. Und Jochen Flasbarth wurde in dieser Zeit (ab 2003) Abteilungsleiter im selben Ministerium, das er später als Staatssekretär von 2013 bis 2021 leitete.

Zur selben Zeit (bis 2007) arbeitete für das Umweltbundesamt Axel Friedrich. Friedrich ging nach seinem Rauswurf 2007 ebenfalls – wie Baake – zur DUH. Wenn Sie das alles für blanken Zufall halten: Noch im Zuge des „Diesel-Skandals“ sind gemeinsame Mittagessen zwischen DUH-Chef Resch und Staatssekretär Flasbarth verbürgt. Auch den Co-Chef der DUH, Sascha Müller-Krenner, hat Flasbarth ins Ministerium eingeladen. Man kennt sich, man hilft sich.

Der VCD plant das „Bundesmobilitätsgesetz“ und hatte starke Verbündete

Think-Tank bestimmt die Energiepolitik
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Das heißt: Bereits ohne grüne Beteiligung an der Regierung wirkten Öko-Lobby-Netzwerke im Hintergrund und spielten über Bande. Sprechen wir deswegen über einen weiteren Fall, nämlich einen „verhinderten Fall“. Dass das Verkehrsministerium nicht an die Grünen ging, kam für viele überraschend. Jemand, der sich bis heute übergangen sieht, ist der grüne Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar aus Berlin. Er ist seit 2020 verkehrspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion seiner Partei. Jeder, der nur etwas von der grünen Verkehrsutopie Berlins versteht, weiß, mit wem er es zu tun hat. Lesen wir einen kurzen Ausschnitt aus einem Interview mit der Verkehrsrundschau:

„Wären Hofreiter oder Özdemir Verkehrsminister geworden, wäre Stefan Gelbhaar heute Staatssekretär. Es kam anders. Trotzdem will der Grünen-Politiker Impulse bei der Verkehrspolitik geben.“

Ein Name, der häufig auftritt, wenn man sich nach Aktionen erkundigt, an denen Gelbhaar teilnimmt, lautet Anika Meenken. Meenken ist Sprecherin für Radverkehr und Mobilitätsbildung des VCD. In diesem Zusammenhang ist es nicht ganz uninteressant, dass eben dieser VCD derzeit eine Kampagne für ein „Bundesmobilitätsgesetz“ macht; im Übrigen auch mit Ihren Steuergeldern, denn gemäß einer Anfrage des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Mario Mieruch, der TE auf diesen Vorstoß hingewiesen hat, erhält der VCD seit 2003 sechsstellige Zuwendungen seitens der Bundesregierung (2019 waren das rund 810.000 Euro).

Das Ziel bleibt die „Verkehrswende“

Worin es darum geht? Überspitzt: die Erreichbarkeit von Klimazielen ohne Auto. Dazu brauche es eine „fundamentale Transformation“, das Ende der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, die Verlagerung auf „nachhaltige Verkehrsträger“ und vieles mehr, das an einen planwirtschaftlichen Staatsplan zum großen mobilen Sprung nach vorn klingt.

Selbstbedienungsladen?
Die Ampel lädt zum Büffet
Das könnte man nun als Fantasie eines übergeschnappten Vereins abtun. Allerdings sollte man sich vor Augen führen, dass auch die Ansprache von Flasbarth vor der Agora Verkehrswende von 2016 ein Ende des Verbrennungsmotors für das Jahr 2030 in Aussicht stellte – damals utopisch, heute dystopisch nahe. Und scrollt man auf der Webseite des Bundesmobilitätsgesetzes etwas nach unten, strahlt uns ein bekannter Name an: Axel Friedrich, der alte Amigo von Baake, Resch und ihren grünen Compañeros. Als wissenschaftlicher Beirat hatte er entscheidenden Einfluss auf die Ausarbeitung des „Gesetzes“. Und Sie dürfen sicher sein: In den anderen Schaltstellen weiß man bereits von Friedrichs neuestem Coup, nachdem er bereits bei der Diesel-Affäre maßgeblich an den NGO-Strippen zog.

Nicht auszuschließen, dass man bereits länger an der Sache arbeitet, als man denkt. Denn wenn man in der Dokumentenbibliothek des Deutschen Bundestages nachforscht, wann die Idee zu einem „Bundesmobilitätsgesetz“ zum ersten Mal aufkam, dann reibt man sich die Augen. Es war bereits am 20. November 2018 in einer Bundestagssitzung. Redner? Stefan Gelbhaar. Zitat:

„Legen Sie ein Bundesmobilitätsgesetz vor, mit einem Fahrradteil, mit einem Fußgängerteil, mit neuen Regelungen für Bus, Bahn und, ja, auch für Autos, mit Vorrang für die Verletzlichsten im Verkehr, mit Angeboten für alle! Halten Sie nicht nur Sonntagsreden für null Verkehrstote, sondern nehmen Sie das Ziel ‚Vision Zero‘ ins Gesetz auf und handeln Sie sofort danach!“

NGOs steuern das politische Geschehen außerhalb und innerhalb der Ministerien

Womöglich Zufall. Genauso wie der Zufall, dass nur drei Tage vor dieser Plenarsitzung, am 17. November 2018, eine „Denkwerkstatt“ der Grünen in Berlin stattfand. Teilnehmer? Zufälligerweise Gelbhaar und VCD-Meenken. Zufall auch, dass der Begriff einer „Vision Zero“ bei Verkehrstoten zwölfmal im achzigseitigen VCD-Regelpapier auftaucht. Ein Schelm, der denken könnte, dass die grünen, nachdem sie es nicht geschafft haben, das Verkehrsministerium zu erobern, mit NGOs über Bande spielen. In der „Diesel-Affäre“, die vor allem eine „DUH-Affäre“ war, hat man dies schon vorgemacht. Im Frühjahr 2021 versuchte sich auch die Linksfraktion am Thema.

Bisher haben sich die Lobbys nur von den Ministerien füttern lassen. Sie hatten Kontaktleute an Schnittstellen, die schon vorher eine zweifelhafte Neutralität aufwiesen. Sie „berieten“ die Ministerien in grundlegenden Fragen über den Wohlstand in diesem Land, nahmen Einfluss auf den Kohleausstieg oder die Energiewende im Ganzen. Ebenso, wie in Deutschland die Grenzen zwischen den Gewalten von Exekutive, Legislative und Judikative verschwommen sind, gibt es keine Grenzen mehr mit NGOs und dem Staat. Selbst die Parteien sind mittlerweile von überparteilichen Organisationen durchsetzt. Der „Fall Morgan“ zeigt dabei: Die Grenzenlosigkeit gilt nun auch für den gesamten Globus, indem man sich politisches Personal aus dem Ausland holt, wenn es ideologisch und lobbyistisch passt. Aus den angeblichen „Nichtregierungsorganisationen“ ist das komplette Gegenteil geworden. Sie sind Regierungs-Regierungsorganisationen.

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Kommentare ( 68 )

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Lotus
2 Jahre her

„NGOs sind demokratisch nicht legitimierte Interessensgruppen …“

Demokratie, Recht, Gesetz, Verfassung – was ist das? Die NGOs sind durch den politisch-medialen Komplex legitimiert, das reicht vollkommen. Linksgrüne bestimmen, was „legitim“ bzw. „legitimiert“ ist. Da können Sie und ich noch so zetern, das interessiert die Eliten nicht. Ist das Vetternwirtschaft? Natürlich. Na und? Die „Qualitätsmedien“ schweigen dazu oder stempeln Kritik daran als „rechte Kampagnen“ ab. Und gut is.

K. Sander
2 Jahre her

Der Staat nimmt jetzt schon über 75% an Steuern und Gebühren allen weg. Da nimmt er jemanden 10000 Euro und sagt: „Oh, du hast nicht genug Geld. Da werde ich dich mal sozial unterstützen und gebe dir 10 Euro.“
Aber ist Selbstbedienungsladen ein korrekter Begriff? Thomas von Aquin (1225 – 1274) sagte damals: „Steuern sind ein erlaubter Fall von Raub!“
Zu DDR-Zeiten stand natürlich es in keiner Zeitung. Aber viele wussten es: „Im Sozialismus steht der Mensch in der Mitte. Warum? Damit er aus allen Richtungen ausgebeutet werden kann.“ … und so läuft es heute immer stärker.

November Man
2 Jahre her

Ich gehe eher davon aus, dass die Amerikaner die Morgan der Baerbock vor die Nase gesetzt haben damit das Billionen-Geschäft mit dem Erdgas nicht über Russland Nordstream II läuft, sondern das umweltschädliche, schmutzige und völlig überteuerte Frakinggas aus Amerika gekauft wird.

Jan
2 Jahre her

In meinen Augen sind das schon korrupte und feudale Verhältnisse.

schwarzseher
2 Jahre her

Die Mafia muß immerhin noch die Justiz fürchten, die Politiker müssen das nicht mehr.

mlw_reloaded
2 Jahre her

Was mich richtig wütend macht: alle Genannten verdienen königlich während der blöde Michel jeden Tag für einen Hungerlohn malocht, und drumherum, beim Wohnen, Einkaufen und Tanken das bisschen Geld auch noch aus der Tasche gezogen bekommt. Und wehmütig daran denkt, dass die vorherige Generation mit einem Facharbeiterlohnt Hausbau, Neuwagen und Jahresurlaub stemmen konnte. Da bekommt der Begriff Agoraphobie gleich eine neue Bedeutung.

Dr. Rehmstack
2 Jahre her

Sehr geehrter Herr Galina, vielen Dank für diesen Überblick. Darf ich hinzufügen, dass ich den Namen Trittin vermisse, der nach meiner Einschätzung einer der großen Netzwerker im Hintergrund ist. Immer wenn ich sein überlegenes Lächeln in den Talkshows sehe, muss ich an Ede Wolf denken, wie er die drei kleinen Schweinchen anschaut.

Hoffnungslos
2 Jahre her

So kann man Politik steuern, völlig ohne Wahlen. Einer recht unbedarften jungen Frau eine NGO-Frau zur Seite stellen und schon läuft alles nach Plan.

Fieselsteinchen
2 Jahre her

Machen wir uns doch auch auf den Weg ins System! Ich für meinen Teil werde aktiv mit meinem neuen Verein “KlimaFight – no Asphalt” beitragen.
Ziel: Umbau der umweltschädlichen Flächenzerschneidung, zurück zum
ökologisch nachhaltigen Straßennetz mit temporären Feuchthabitaten und Magerrasenbiotopen. Aber kein eV, sonst kann mir ja der nette Herr G oder der umtriebige Herr Schw keine Zuwendungen geben, zu viel Gemeinnützigkeit ist nicht gut.

Also für einen Job als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Verkehrmini würde auch
ok gehen, sollte es reichen. Meinen CV passe ich kreativ an, will ja keinen Ärger mit dem Chef kriegen – höher qualifiziert usw.

Heinrich Wolter
2 Jahre her

Man sollte über eine Quote nachdenken, damit bei den Koalitionsklüngeleien nicht nur Politiker berücksichtigt werden, sondern auch die NGOs einen gehörigen Teil vom Kuchen abbekommen, damit sie nicht von der Gnade der Politiker und deren Geldzuteilungen abhängig sind.