NetzDG – Pressemitteilungen FDP, Nicola Beer und Die Piraten

Die Freien Demokraten und die Piratenpartei gaben Erklärungen gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ab, die wir hier ungekürzt dokumentieren. Der Deutsche Anwaltverein plädiert (nur) für eine Verschiebung in die nächste Legislaturperiode.

Screenshot: phoenix
Zur Debatte über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz erklärt heute die Generalsekretärin der FDP, Nicola Beer:

„Das Vorhaben der Bundesregierung, das von Minister Maas stümperhaft vorbereitete Netzwerkdurchsetzungsgesetz durch den Bundestag zu peitschen, ist demokratie- und bürgerfeindlich. Sie leistet damit den Populisten rechts und links Vorschub. Das Maas ist voll.

Meinungsfreiheit ist ein zu hohes Gut, als dass ihre Sicherstellung in einem demokratischen Rechtsstaat privaten Unternehmen anvertraut werden kann. Vielmehr muss die Justiz so ausgestattet werden, dass sie schnell und wirksam auf Strafrechtsverstöße reagieren kann.

Wer annimmt, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz werde die bestehenden Probleme lösen, ist naiv oder zynisch: Die beanstandeten Informationen werden auf anderen Plattformen, die weniger kontrolliert werden, wieder auftauchen. Minister Maas muss den Gesetzentwurf zurückziehen, eine transparente Anhörung mit Fachleuten und Vertretern der Zivilgesellschaft durchführen und dann einen neuen Aufschlag machen. Hate Speech bekämpfen ja, aber im Rahmen unseres Rechtsstaates.“

Quelle: FDP


Auch zum NetzDG erklärte heute Pascal Hesse, Bundespressesprecher der Piratenpartei: Trotz massiver Kritik wurde heute das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in erster Lesung beraten – vor halb leeren Sitzreihen.

Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Zensur ja, Interesse an Diskussion nein

Der Deutsche Bundestag hat am heutigen Freitag trotz massiver Kritik in der ersten Lesung das Netzdurchsetzungsgesetz (NetzDG) von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) beraten. [1] Die Piratenpartei lehnt den heute eingebrachten Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken in der jetzigen Form entschieden ab. Der Gesetzentwurf wurde bereits ausführlich kommentiert [3].

Mit dem Gesetz will die Bundesregierung Betreiber sozialer Netzwerke dazu verpflichten, potenziell strafbare Äußerungen auf ihren Plattformen innerhalb streng vorgegebener Zeitfristen zu löschen. Privaten Anbietern wird somit eine Prüfpflicht übertragen, also die Einordnung in zulässige und möglicherweise strafbare Äußerungen, die nicht leicht umzusetzen ist. Bisher wird dies sorgfältig von ordentlichen Gerichten durchgeführt. In der geplanten Formulierung des Entwurfs ist davon auszugehen, dass mehr gelöscht wird als rechtlich notwendig ist. Anbieter werden eine strittige Aussage lieber entfernen, als das Risiko eines Bußgeldes von bis zu 50 Millionen Euro zu riskieren. Automatisierte Zensur-Algorithmen bieten sich dann schnell als scheinbar elegante Lösung für ein wie vom Gesetz gefordertes „wirksames und transparentes Verfahren“ an. [2]

Es widerspricht dem Gedanken des Rechtsstaats, gerichtliche Überprüfungen durch private Zensur zu ersetzen

Anja Hirschel, Spitzenkandidatin der Piratenpartei Deutschland für die Bundestagswahl, formuliert punktgenau: „Wir stehen für die freie Meinungsäußerung, aber ebenso ist die Würde des Menschen für uns das schützenswerteste Gut. Dazu gehört, dass eine Verfolgung von Straftatbeständen auch im Internet möglich sein muss, aber unter Beachtung der Freiheitsrechte, die das Grundgesetz uns garantiert. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz jedoch bedeutet Zensur durch Privatunternehmen ohne richterliche Kontrolle. Dies können und dürfen wir als freiheitliche Gesellschaft nicht einfach hinnehmen – egal mit welcher blumigen Begründung.“

„Ein Gesetz, das Plattformen nahelegt, vermeintlich strafbare Meinungen voreilig zu löschen, ohne gleichzeitig auch das Löschen erlaubter Inhalte zu sanktionieren, führt zu einem asymmetrischen Anreiz der Plattformbetreiber. Dies wird eine Selbstzensur zur Konsequenz haben, die nur noch Mainstream-Meinungen zulässt. Diese Art von Unterdrückung strittiger Kommentare ist auf jeden Fall zu vermeiden“ ergänzt Sebastian Alscher, Spitzenkandidat der Piratenpartei Deutschland für die Bundestagswahl.

Das Gesetz mus erheblich nachgebessert werden

Den erheblichen Änderungsbedarf bestätigt – ebenso wie zahlreiche unabhängige Verbände – auch die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Nadine Schön, wenn Sie fordert, dass das Gesetz erheblich nachgebessert werden müsse. Schliesslich sei das Ziel nicht Zensur, sondern Opfern von Hass zu ihrem Recht zu verhelfen. [5]

„Dass Herr Maas diesen Gesetzentwurf dem Bundestag zur Anhörung vorlegt, obwohl der Antrag zur Notifizierung bereits bei der EU-Kommission vorgelegt wurde zeigt außerdem , dass die Entscheidung des Bundestages für ihn nur eine Formsache zu sein scheint. Eine tatsächliche Möglichkeit der kritischen Auseinandersetzung wird von Anfang an als entscheidungsirrelevant angesehen“ [6] so Patrick Schiffer, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland. „Der nun in Eile eingebrachte Vorstoß stellt aber einen erheblichen Eingriff in unsere Grundrechte dar. Anstatt ihn in aller Schnelle zu beschliessen, muss der Entwurf sorgfältig überarbeitet und die möglichen Folgen intensiv diskutiert werden. Und das nicht vor halb leeren Sitzreihen!“, so Schiffer weiter.

Quellen:

[1] Bundestag: Geplanter Ablauf der Plenarsitzungen am 18.05.: http://www.bundestag.de/blob/189966/f89198473d091065604f71eab8693570/ablaufplan-data.pdf
[2] Bundestag: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG): http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/123/1812356.pdf
[3] Piratenpartei: Nein, Herr Minister Maas: So verhindern Sie Meinungsfreiheit, aber keinen Hass im Netz!
[4] Netzpolitik.org: Vorsicht Beruhigungspille: Netzwerkdurchsetzungsgesetz geht unverändert in den Bundestag
[5] https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/das-netzdg-muss-erheblich-nachgebessert-werden
[6] Notifizierungsangabe NetzDG bei EU Kommission http://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/de/index.cfm/search/?trisaction=search.detail&year=2017&num=127&mLang=DE

Quelle: Die Piraten

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Der Deutsche Anwaltverein (DAV) appelliert dafür, „das Vorhaben mit der gebotenen Gründlichkeit und einem hierfür ausreichenden Zeitansatz anzugehen. Dies kann wegen der nur noch sehr knappen Zeit vor Ende der laufenden Legislaturperiode im derzeitigen Gesetzgebungsverfahren nicht mehr erfolgen. Das Vorhaben sollte zurückgestellt werden.“

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Kommentare ( 20 )

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Franz Bettinger
7 Jahre her

Sorry für die Verspätung. FranzBettinger@web.de. Ich würde gerne mit Ihnen in Kontakt treten, Herr Thiel.

Falk Kuebler
7 Jahre her

„Ich sehe nicht, was gegen Herrn Lindner spricht. Das ist momentan einer der wenigen vernünftigen Politiker in Deutschland“ Mit einem Schuss (nicht böse gemeintem!) Sarkasmus möchte ich antworten: Sie selbst haben vermutlich das noch vor sich, was ich schon hinter mir habe, nämlich das enttäuschte Vertrauen: Von 1982 bis 2013 war ich passives FDP-Mitglied (danach AfD, danach ALFA, jetzt parteilos). Lindner ist hochbegabt. Aber das ist Merkel auch, und mit starkem Sarkasmus galt das auch für Mao, Josef Wissarionowitsch und Adolf. Er beherrscht Zielgruppen-Marketing (hat ähnlich wie Petry auch schon das Training durch eine entsprechende Pleite), und ist fast perfekt… Mehr

GutenMorgen-zusammen
7 Jahre her
Antworten an  Falk Kuebler

Übrigens tragen Sie mit Ihrem dümmlichen Anti-AfD-Spruch am Ende jedes Ihrer Beiträge genau dazu bei, dass dieses Szenario vor Augen geführt wird. Warum stärken Sie nicht die vielen moderaten Kräfte auch innerhalb dieser Partei??

Falk Kuebler
7 Jahre her
Antworten an  GutenMorgen-zusammen

Guten Abend, lieber GutenMorgen-zusammen… 😉 „Übrigens tragen Sie mit Ihrem dümmlichen Anti-AfD-Spruch am Ende jedes Ihrer Beiträge…“ Gut, dass Sie mich daran erinnern, dass ich zum Ausschluss jeglichen Risikos vielleicht doch lieber eine voll Prekariats-kompatible Version meines Footers verwenden sollte. Diese könnte z.B. wie folgt lauten: ———– Alternative für Alle 😉 ———- In Erinnerung an den Senator Cato, der jede seiner Reden im römischen Senat mit der Bemerkung schloss: Ceterum censeo Carthaginem esse delendam (deutsch: Übrigens bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss) und nicht zu allerletzt dadurch nach einigen Jahrzehnten die endgültige Zerstörung von Karthago noch selbst… Mehr

Andreas Schmidt
7 Jahre her
Antworten an  Falk Kuebler

Zufällig habe ich Frau Merkels Dissertation gelesen und bin (gleich doppelt) vom Fach und sehe das leider anders. Zu einem für eine Dissertation erstaunlich grossen Teil des Umfangs referiert diese Arbeit lediglich Lehrbuchstoff in statistischer Mechanik. Mehr möchte ich dazu lieber nicht schreiben. Die Pleite der GmbH fand erst >1 Jahr nach der Beendigung von Herrn Lindners Geschäftsführer-Tätigkeit statt. Und vom famosen Wolfgang Bosbach, der selbst Universitätsprofessoren 2009 noch in unverschämter Polemik den Besitz der wichtigsten Fachbücher per Strafparagraph-Verschärfung im StGB verbieten wollte (und das auch noch völlig ohne Grund auf das Gerede eines Lobbyisten, der sich vor dem Start… Mehr

Falk Kuebler
7 Jahre her
Antworten an  Andreas Schmidt

„Insofern bleibt für viele wie mich nur die FDP als Alternative“

Fair genug… Dann: let’s agree that we disagree 😉

Ceterum censeo AfD esse eligendam…

Falk Kuebler
7 Jahre her

Ich teile alle Ihre Überlegungen. „Man bräuchte als Ausgangspunkt aber auch einen ‚Fall‘; d.h. zunächst müsste das NetzDG in Kraft getreten sein und auf der Grundlage des NetzDG eine Löschung erfolgt sein“ Auf die Gefahr, langweilig zu werden: Zunächst bräuchte man einen Organisator, der in der Folge möglicherweise sogar einen regelrechten kleinen Verein bilden müsste. Nicht wegen der Formalorganisation, sondern weil man das Thema nicht „einfach mal so von links“ betreiben könnte. „Man“ könnte ja mal auch Herrn Steinhöfel kontaktieren, ob er sich so etwas vorstellen könnte. Oder jemanden kennt, der sich so etwas vorstellen könnte… Einen konkreten Fall müsste… Mehr

Falk Kuebler
7 Jahre her

„Herr Tichy wollte sich doch sowieso seiner Seite intensiver widmen. Warum nicht ein solches Treffen organisieren“

Von Tichy/TE können wir sicher nichts erwarten, und das ist auch fair genug: er muss schliesslich sein Medium schützen.

Ansonsten bleibt unverändert die Frage offen, ob sich ein Organisator für Massnahmen gegen das NetzDG finden liesse, und wer ihn sucht. Ich selbst könnte derjenige – leider – nicht sein, wie ich schon geäussert hatte.

Ceterum censeo AfD esse eligendam…

Nachdenkerin
7 Jahre her

> Wie wäre es, wenn zunächst einmal die Möglichkeit bestünde, dass sich die fleißigen Kommentatoren auf einem Treffen kennen lernen könnten? So eine Art Tichy-Treff, z.B. in Frankfurt am Main?

Unter freundlicher Beobachtung der Antifa? Nein danke. Solange die SPD (noch) in der Bundesregierung sitze, solange bin ich froh um die Anonymität hier bei Tichy.

Franz Branntwein
7 Jahre her
Antworten an  Nachdenkerin

Ich kann Ihren Einwand gut verstehen; mir geht es ja ähnlich. Allerdings wird der Tag kommen, an dem wir gezwungen sein werden, Flagge zu zeigen.

Und zwar unabhängig davon, wer dann im Bundestag sitzen wird.

Poco100
7 Jahre her

????? Wen meinen Sie Oskar, der 1. ?

Marcel Börger
7 Jahre her

Der Ansatz, diese Arbeit den Privaten aufzuhalsen, ist typisch. Wie der sonstige Gratis-Aktionismus, der regelmäßig nichts bringt und auch nichts kostet. Des Politikers Liebling an Gratisschund-Placebo-Gesetzgebung ist die Erhöhung irgendeiner Mindeststrafe oder sinnlose Doppelparagraphen. Oft im Sexualstrafrecht, bei Drogen oder jetzt jüngst bei Taten gegen Beamte. Als ob es bislang erlaubt gewesen wäre, Polizisten zu beleidigen oder zu schlagen oder sich deren Anordnungen zu widersetzen. Alles Placebomüll, der nichts kostet-und nichts bringt. Mehr Personal und Stellen, die wirklich was bringen würden, sei es bei der Polizei oder bei Staatsanwaltschaften oder Gerichten, kosten allerdings ne Menge, sind meistens Landesbeamte und die… Mehr

Christian Gerst
7 Jahre her

Meld. Ich kapiere die Aufregung nicht. Zensur gibt es schon ewig im Internet. Nennt sich beschönigend „Netiquette“. Darunter verschwindet dann alles von der Beleidigung bis zu unliebsamen Meinungen. Löst ebenfalls die Scherre im Kopf aus, der Schreiber merkt recht schnell was wo freigeschaltet wird. Warum fordern eigentlich immer Seiten, wo Kommentare erst freigeschaltet werden müssen, bei Facebook & Co. müsse absolute Meinungsfreiheit herrschen und wer gegen Gesetze verstößt muss mit Schreiben des Staatsanwalts rechnen? Die nehmen die Zensur doch auch selber in die Hand. Man möchte verständlich nicht mit menschenverachtenden abscheulichen Kommentaren in Verruf kommen. Immer besser, wenn sie bei… Mehr

Randall Flagg
7 Jahre her

Ich musste auch etwas suchen. Zuerst dachte ich, es wäre mit einer Deaktivierung getan, denn das war alles, was ich in den Menüs gefunden hatte. Im Nachhinein habe ich den Eindruck, dass dies alles mit Absicht so gemacht ist, damit es nicht zu leicht wird.
Jedenfalls habe ich etwas gegoogelt und bin dann, über Umwege, auf diese Seite gestoßen, nämlich den FB Hilfe Bereich.

https://de-de.facebook.com/help/359046244166395

Unter dem Punkt „Wie lösche ich mein Konto dauerhaft“ finden Sie die weiteren Schritte.
Dauert, wie gesagt, ca. 14 Tage.

Henryke
7 Jahre her

Hier ein interessanter ergänzender Artikel auf der Achse, der auf die Rolle der Grünen in diesem Trauerspiel hinweist:
http://www.achgut.com/artikel/zensoren_wettstreit_in_der_debatte_um_maas_gesetz