#нетвойне: Russische Wissenschaftler, Künstler, Historiker protestieren gegen Putins Krieg

Unter der Parole „Nein zum Krieg“ protestieren russische Bürger auf der Straße in St. Petersburg ebenso gegen den Angriffskrieg in der Ukraine wie Historiker und andere Intellektuelle im Netz mit offenen Aufrufen. Der friedliche Widerstand gegen Putin mag noch schwach sein – aber er ist unübersehbar.

IMAGO / ITAR-TASS
Eine Demonstrantin mit Plakat "Nein zum Krieg" wird in St. Petersburg verhaftet, 2. März 2022.

In Russland scheint die Kritik an dem Angriffskrieg gegen die Ukraine trotz staatlicher Repression nicht zu verstummen. Auf Twitter und auch etwa am Mittwoch bei einer Demonstration in St. Petersburg sammeln sich die Proteste unter dem Ruf #нетвойне   (net voyne – Nein zum Krieg). In einem von der Nachrichtenagentur Reuters veröffentlichten Video war zu sehen, wie zahlreiche Demonstranten einer nach dem anderen von Polizisten abgeführt werden. 

Die russische Regierung verbietet es, ihren Angriff einen Krieg zu nennen. Laut Novaya Gazeta, der wichtigsten nichtstaatlichen Zeitung Russlands, wurden sogar Kinder festgenommen, die Schilder mit der Forderung #нетвойне zeigten.

Фото: фейсбук pic.twitter.com/Wq3trWsjPN

— Новая Газета (@novaya_gazeta) March 1, 2022

Auch russische Animationsfilmer haben mit Bildern und einem offenen Brief in der Novaya Gazeta diese Botschaft #нетвойне verbreitet: 

Ein von Studenten und Mitarbeitern der Moskauer Lomonossow-Universität im Internet veröffentlichter Aufruf gegen den Krieg wurde offenbar von fast 5000 Menschen unterzeichnet. 

Eine vom Bürgerrechtler Lev Ponomarev am 24. Februar initiierte Petition auf der Plattform change.org haben laut dem deutschen Historiker Robert Kindler bis zum 2. März mehr als 1,1 Millionen Menschen unterschrieben.

Kindler veröffentlichte auch die Übersetzung eines schon am 24. Februar, also unmittelbar nach Angriffsbeginn erstellten „offenen Briefs russischer Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten gegen den Krieg mit der Ukraine“. Diesem haben sich laut Kindler bis zum 2. März 2022 mehr als 6100 Unterzeichner angeschlossen. In dem Text heißt es laut Kindler: „Die Verantwortung für die Entfesselung eines neuen Krieges in Europa liegt vollständig auf (sic) Russland. … Wir fordern, dass die Souveränität und die territoriale Integrität des ukrainischen Staates respektiert werden.“

Seit Mittwoch ist auch ein „offener Brief von Historikern gegen den Krieg mit der Ukraine“ über Twitter verteilt worden, in dem diese ihren „starken Protest“ äußern. Er wird von Kindler und anderen deutschen Osteuropa-Historikern verbreitet und hat offenbar bereits rund 1200 Unterzeichner. 

Dieser Brief und die anderen genannten Proteste sind ein Beleg dafür, dass Putin, der laut Ansicht des Bundeskanzleramts „von einer realitätsfernen Interpretation der Geschichte besessen“ ist und in seiner Kriegserklärung vor Angriffsbeginn vor allem mit historischen Argumenten die Souveränität der Ukraine bestritt, auch im eigenen Land zumindest die gebildeten Kreise nicht geschlossen hinter sich wissen kann. 

In dem Brief der Historiker heißt es (Übersetzung nach Kindler) unter offensichtlicher Bezugnahme auf Putins historische Argumentation: „In der Vergangenheit wurden viele zerstörerische Kriege und Raubzüge mit Hinweisen auf die historische Unterlegenheit anderer Staaten und Völker gerechtfertigt. Im 21. Jahrhundert ist eine solche Manipulation der Geschichte inakzeptabel.“

Und: „In der Zukunft werden wir auf die Fragen unserer Kinder und Enkel nach den Gründen der Katastrophe antworten müssen, die sich vor unseren Augen abspielt. Uns allen, der russischen Gesellschaft, steht die große Aufgabe bevor, unserer Verantwortung für diese Ereignisse gerecht zu werden. Wir fordern die sofortige Beendigung des Krieges.“

Anzeige

Unterstützung
oder