Nach EuGH-Urteil: Von der Leyen droht die Offenlegung der Impf-Verträge

Einen Tag vor der großen, geheimen Wahl im EU-Parlament spricht der EuGH ein kleines Urteil über diese Kommission, die morgen quasi zur Wiederwahl ansteht. Die klagenden Abgeordneten und Bürger haben damit einen Sieg errungen: Die „Impfstoff-Verträge“ der Kommission müssen offengelegt werden, ebenso die Namen der Verhandler.

picture alliance / Anadolu | Dursun Aydemir

Noch ein Tag bis zum großen Wahl- oder Akklamationsakt im EU-Parlament. Die erneute Kandidatin für den Vorsitz der Kommission, Ursula von der Leyen (CDU), fiebert dem angeblich ganz gehörig entgegen. Politische Beobachter vermuten, dass ihre Redenschreiber gerade hart an einem gehörigen Spagat arbeiten, zwischen Plätzchen für die Befürworter sicherer Grenzen zu UvdLs Rechter und den Liebhabern des „Green Deals“ zu ihrer Linken (und in ihrem Herzen). Von der Leyen wird selbst am besten wissen, warum sie dieses Stück aufführt. Die Mehrheit ihres Blocks aus EU-Volkspartei, Sozialdemokraten und Renew-Liberalen ist zwar noch da, aber doch etwas geschrumpft. Und sie bot ihr schon vor fünf Jahren keine 100-prozentige Unterstützung. Und so will von der Leyen auf die Fraktionen der Grünen und vielleicht der Konservativen und Reformisten (EKR) zurückgreifen. Unsicher ist nur, wie gut das gelingen kann, nachdem sie dem EU-Ratspräsidenten Viktor Orbán jüngst so unhöflich vors Schienbein trat.

Und auch über dem Tag vor dem großen Donnerstag lag ein mindestens kleiner Fluch. Ausgerechnet an diesem Mittwoch wurde ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu „Impfstoff-Verträgen“ der Kommission erwartet. Dazu zählt auch der berüchtigte Deal mit Pfizer-Vorstand Albert Bourla, den von der Leyen ja persönlich via SMS ausgehandelt hat.

Der EuGH entschied am Mittwoch, dass die Kommission der Öffentlichkeit „keinen hinreichend umfassenden Zugang zu den Verträgen über den Kauf von Impfstoffen gegen Covid-19 gewährt“ habe. Das gelte vor allem für Bestimmungen zu Entschädigung und Haftung und die „Erklärungen über das Nichtvorliegen von Interessenkonflikten, die die Mitglieder des Verhandlungsteams für den Kauf der Impfstoffe abgegeben haben“.

Es geht dabei um Verträge mit allen Herstellern, also AstraZeneca, Moderna, BioNTech-Pfizer, Johnson & Johnson, CureVac und Sanofi-GSK. Insgesamt unterzeichnete die EU-Kommission laut EU-Rechnungshof Verträge im Wert von 71 Milliarden Euro mit den Pharma-Konzernen, für bis zu 4,6 Milliarden Vektor- oder mRNA-Dosen. Das waren etwa zehn Dosen pro EU-Bürger. Fast die Hälfte der Kosten entfiel auf den Pfizer-Deal von der Leyens in Höhe von 35 Milliarden Euro, für geplante 1,8 Milliarden Dosen mRNA-Präparat. Diese Verträge gehören eigentlich ins sichere Land der Veruntreuung öffentlicher Gelder, zumal die eingekauften „Impfstoffe“ nun seit Jahren kaum noch nachgefragt werden und folglich vernichtet werden. Kritische Parlamentarier fordern seit Jahren den sofortigen Rücktritt dieser Kommission.

Auch das Parlament wollte es bisher mehrheitlich nicht wissen

Die Verträge mit allen „Impfstoff“-Herstellern liegen den Parlamentariern bis heute nur in stark geschwärzter Form vor. Nicht einsehbar sind so vor allem die Angaben zu Preisen und zur Haftung der Konzerne. Hier gibt es – trotz gegenteiliger Behauptungen der Kommission – Zweifel an der vollumfänglichen Haftung durch die Pharma-Konzerne. Die Veröffentlichung eines Vertragsentwurfs zwischen Pfizer und Albanien hatte für Unruhe gesorgt, weil darin jede Haftung durch den Konzern ausgeschlossen war. Ähnliche Klauseln wurden fortan auch der EU in ihren Verträgen zugetraut, zumal ausgerechnet der Haftungsteil der Dokumente regelmäßig geschwärzt war.

Übrigens war es oft genug das Parlament selbst, die Mehrheit von EVP, S&D und Renew, die der Offenlegung der Verträge und anderer Dokumente (wie von der Leyens SMS) widersprachen. Was für ein pseudo-demokratischer Zirkus! Nun urteilt der EuGH stellvertretend für das unkritische Parlament, die Kommission habe „nicht nachgewiesen, dass ein breiterer Zugang zu diesen Klauseln die geschäftlichen Interessen dieser Unternehmen tatsächlich beeinträchtigen würde“.

Für den EU-Abgeordneten Fabio De Masi (BSW) ist das Urteil ein hinreichender Grund für einen morgigen Kandidaturverzicht Ursula von der Leyens. „Einen Tag vor der Wahl“ bekomme die Bewerberin um den Vorsitz der Kommission „vom Gerichtshof der EU bescheinigt in der Pfizer-Affäre gegen EU-Recht verstoßen zu haben“. Das reicht für De Masi. Außerdem solle von der Leyen endlich ihre SMS veröffentlichen. Dass die Kandidatin sich solche oder ähnliche Forderungen zu Herzen nehmen wird, ist kaum zu erwarten.

Klage von 2.800 Unterzeichnern hatte Erfolg

Eine der beiden Klagen, über die der EuGH nun zu entscheiden hatte, kam von zwei Rechtsanwälten aus Frankreich, die im Namen von 86.000 Unterzeichnern einer Petition Zugang zu den Verträgen verlangten und außerdem wissen wollten, durch wen genau sie auf EU-Seite ausgehandelt worden waren, ob eventuell Interessenkonflikte bestanden hätten. Die Kommission hatte damals nicht reagiert, so kam es zur Klage von 2.800 Unterzeichnern der Petition.

Jene Nicht-Reaktion der Kommission rügen die EuGH-Richter nun und fordern damit implizit die Offenlegung der Dokumente für das allgemeine Publikum, etwa die Bestimmungen zur Entschädigung aus den Corona-Verträgen, aber auch Dokumente zu Interessenkonflikten von Mitgliedern des Verhandlungsteams, vulgo von Ursula von der Leyen persönlich. Denn sie war es ja, die einen der Deals sogar im Alleingang ausgehandelt hatte. Die Kommission kann die gesprochenen Urteile nun innerhalb von zwei Monaten anfechten. Andernfalls müsste sie dem Urteil Folge leisten und die gefragten Informationen offenlegen, auch die Erklärungen zum Nichtvorliegen von Interessenkonflikten, die die Kommission mit Verweis auf den Schutz der Privatsphäre verweigert hatte. Wie sollte aber eine öffentliche Kontrolle von Amtsträgern möglich sein, wenn dieselben auf den Schutz ihrer Privatsphäre bestehen? Das ist schlicht nicht möglich.

Daneben laufen noch mehrere Verfahren gegen von der Leyen. In Sachen der Klage des belgischen Bürgerrechtsaktivisten Frédéric Baldan konkurrieren sogar zwei Institutionen, ein belgisches Gericht und die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO), um die Ermittlungen. Dieselben werden sich allerdings wohl noch bis in den Herbst hinziehen, bevor mit greifbaren Ergebnissen zu rechnen ist.

UvdL: Mehr Probleme bei der Suche nach einer Mehrheit

Bekommt von der Leyen durch das EuGH-Urteil nun mehr Probleme bei der morgigen Suche nach einer Mehrheit? In ihrem engeren schwarz-rot-gelben Lager kaum, denn dort sitzen die Abgeordneten, die – trotz inexistentem Fraktionszwang – wiederholt gegen eben jene Offenlegung der bekannten Dokumente (vdL-SMS und mRNA-Verträge) gestimmt haben. Vielleicht nagt der Zweifel des Urteils auch etwas an dem einen oder anderen Abgeordneten.

Gravierender könnten die Auswirkungen in der aktuellen „Opposition“ sein. Zu den Klägern, die nun Recht bekamen, gehörten auch fünf grüne EU-Abgeordnete. Aus deren Fraktion könnte von der Leyen nun mit weniger Stimmen rechnen, müsste sich also noch mehr auf konservative Stützstimmen rechts der EVP verlassen. Die EKR könnten dafür zur Verfügung stehen, aber schon in dieser Fraktion ist die Skepsis gegenüber den mRNA-Verträgen der Kommission weitverbreitet – spätestens seit die polnische PiS versucht, sich aus dem Zwangsvertrag der Kommission zu lösen und Zahlungen für die Weiterlieferung von Comirnaty in „Corona-Friedenszeiten“ ausgesetzt hat.

Zumindest eines signalisiert dieser Urteilsspruch: Die Zeiten des sorglosen Weiter-so der Kommission nach der Methode „Machen und sehen, ob jemand protestiert“ stößt auf immer mehr Widerstand. Die Klagen von Privatleuten und Petenten könnten ein erstarkendes Instrument im Kampf gegen Korruption in politischen Spitzenämtern der EU werden. Denn andere Instrumente gegen die Herrschenden in der EU stehen kaum zur Verfügung. Es bleiben nur die Gerichte, um gegen die ungewählten Technokraten, die in den nächsten Wochen wieder als Kommissare installiert werden, zur Verantwortung für ihr Handeln zu ziehen.

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Kommentare ( 28 )

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Benedictuszweifel
1 Monat her

Wie viele Deutsche haben bei der Europawahl CDU gewählt… unfassbar…

Dellson
1 Monat her

Gute Blaupause für die bereits völlig erkennbare, autarke und nicht mehr von außen kontrollierbare Führungselite dieser so demokratischen Verwaltungsstruktur. Stets nur am Wohl ihrer EU -Mitglieder ausgerichtet, werden Fragen ihrer Vereinsmitglieder nach Aufklärung als Zumutung empfunden. Wo bleiben denn hier die Krümel im Käse suchenden Medien, die sonst sogar nur bei unbewiesenen Vermutungen gegenüber Dritten, den Ersten bereits schuldig sprechen! Heute in den ÖR Medien wird allgemein von der EU gesprochen. Aber jeder Verein, wie z.B Compact hat doch einen Chef, der medienwirksam bereits um 6 Uhr morgens im Morgenmantel abgelichtet wird von Herolden dieser willfährigen Begleitkommandos. Wieso nennt man… Mehr

Biskaborn
1 Monat her

Ich wette UvdLeyen wird morgen wiedergewählt. Diese EU ist mittlerweile moralisch so tief gesunken, das demokratische und rechtsstaatliche Werte komplett außer Kraft gesetzt werden, wenn es dem eigenem Machterhalt dient. Widerspenstige, kritische Geister werden gnadenlos kaltgestellt. Nur die Bürger der EU, speziell in Deutschland wollen von alledem nichts wissen, es interessiert sie nicht. Sie glauben in ihrer Einfalt an das Gute dieser EU. In Sachsen-Anhalt werden in Schulen von CDU Mitgliedern Werbeschriften für die EU verteilt, damit die Schüler auf EU Kurs bleiben!

Schmidtrotluff
1 Monat her

Diese Korruption kann nur im Knast enden. Der Dame geht es nicht ums Geld. Wer sich mit dem Teufel eingelassen hat, hat Todesangst. Und die wird auch im Knast nicht verschwinden, siehe Epstein.
Diese Dame ist doch nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie weiß, dass sie fertig hat. Ein letztes Keilen gegen Ungarn entgegen jeglicher Regeln des fairen und demokratischen Umgangs.
Diese EUDSSR muss schnellestens in der Versenkung verschwinden, damit die Menschen wieder ihr Leben leben können.

Memphrite
1 Monat her

So leid es mir tut liebe Mitkommentatoren, die deutsche Geschichte hat gezeigt das bis auf wenige Ausnahmen (Bismark?) die Deutschen keinen wirklichen Staatsmann hervorgebracht haben. Strategisches langfristiges Denken ist irgendwie nicht im deutschen Genom vorhanden. Das neuste Beispiel ist v.d. Lügen. Ein typisches Produkt der deutschen Bildung. Unfähig zur wirklichen Führung und staatsmännischen Denken.
Wenn man etwas vernichten will, dann setz einen Deutschen als Chef ein. Game over !!

Andy Malinski
1 Monat her

So, wie bei der StaSi ab einem bestimmten Zeitpunkt die Aktenshredder angeworfen wurden, dürfte jetzt eine Löschorgie auf diversen mailaccounts starten …

Freigeistiger
1 Monat her

Nicht gerade vorteilhaft für vdL. Jetzt liegt es an den EU-Abgeordneten, ob sie weiterhin mehrheitlich eine us-hörige und korrupte Politik wollen oder nicht.

Dieter Rose
1 Monat her

Wenn die Dame Anstand hätte, würde sie zurücktreten. Geld geschöpft hatt sie doch geügend…

derostenistrot
1 Monat her

Ministerpräsident Orban versucht im „Alleingang“ Frieden zu stiften und vdL schließt im Alleingang – uneigennützig – Milliardenverträge mit der Pharmaindustrie.

Peter Gramm
1 Monat her

Frau v.d.L. droht schon nichts. Sie ist die Tochter vom Albrecht (Celler Loch) und wurde von Merkel protegiert. Da kann man dann schon völlig gefahrlos durchs Leben segeln. Egal was man so anstellt. Man ist immer auf der sicheren Seite. Der Bürger muß es halt finanzieren. Auch wenn er sich selbst aus der Mülltüte oder dem Glascontainer versorgen muß Shit happens.

Schmidtrotluff
1 Monat her
Antworten an  Peter Gramm

Diesmal nicht. Das muss enden. Welcher Erzengel es auch sein wird, die Tage des Drachen sind gezählt.