Nach der ersten Sondierung: Eine „historische“ grün-gelbe Pressekonferenz – ohne Inhalte

Nach ihrem Sondierungstreffen treten Annalena Baerbock, Robert Habeck und Christian Lindner vor die aufgeregte Journalistenschar und verkünden so gut wie nichts außer Phrasen. Also beste Voraussetzungen für eine gemeinsame Regierung.

IMAGO / Jens Schicke
Robert Habeck, Annalena Baerbock, Christian Lindner, Berlin 1. Oktober 2021

Wenn die Grünen in diesem Jahr eines besonders gut gemeistert haben, dann ist es die Platzierung ihrer führenden Köpfe vor den entscheidenden Kameras. Zwei Parteivorsitzende zu haben und eine davon als „Kanzlerkandidatin“ auszugeben, hat sich schon im Triell ausgezahlt, wo Annalena Baerbock stets im Zentrum stand und sich die beiden anderen buchstäblich um sie drehen mussten.

Und mit derselben schlauen Masche machen die Grünen auch jetzt weiter: Nach dem heutigen Sondierungstreffen traten mit Robert Habeck und Annalena Baerbock zwei Grüne vor die aufgeregt wartende Journalisten- und Fotografenschar, aber mit Christian Lindner nur ein FDPler. So hatten die Grünen wieder rund zwei Drittel der Bildschirmzeit für sich, die FDP nur ein Drittel.

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Was alle drei zu sagen hatten, war ein schönes Aufgebot an Phrasen. Aber um sachliche Informationen geht es bei solch einer Gelegenheit auch gar nicht, sondern um die Bilder, beziehungsweise die Emotionen, die sie auslösen sollen. Also waren politische Sprechblasen fällig wie: „Neu“ in allen möglichen Spielarten und „Aufbruch“. Klar, nach 16 Jahren mit derselben Kanzlerin liegt das nahe. Auch wenn sich die Deutschen in jenen Jahren wahrlich nicht über einen Mangel an Neuem beschweren konnten.

Schnellsprecherin Baerbock, die den Anfang machte, behauptete einen „Auftrag“, den die Wahlen „uns allen“ gegeben hätten. Das sei „ein historischer Moment für unsere Gesellschaft, für unser Land, weil es eine Politik voraussetzt, die sich nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ausrichtet, sondern für einen wirklichen Aufbruch, für eine wirkliche Erneuerung in dieser Gesellschaft sorgt, bei den großen Zukunftsaufgaben in diesem Land, wo es über Jahre Stillstand gegeben hat, jetzt einen Aufbruch gemeinsam…“ Und so weiter. Habeck sprach auch von einem „geschichtlichen Bewusstsein“.

Ähnlich phrasenhaft dann Lindner, der behauptete, die Wahl sei eine Zäsur, die Menschen hätten sich „gegen den Status Quo entschieden“. Was nicht so ganz stimmt, die Große Koalition hätte schließlich weiter eine Mehrheit im Bundestag. Er sprach von einer „neuen Situation, in der vieles in unserem Land neu begründet und gegründet werden kann“. Und auch er behauptet – so hölzern formulierte er lange nicht – man fühle sich „gemeinsam beauftragt, einen neuen Aufbruch zu organisieren“. Und: „Die Art und Weise, wie wir sprechen, könnte auch schon eine Botschaft, ein Erneuerungsversprechen sein.“ Und Habeck lobte dann auch noch den Aufbau einer „Gesprächskultur“.

Die eigentliche Botschaft der Drei: Wir verstehen uns gut. Habeck sagte bildlich: „Wenn man die Schraube schräg ansetzt, wird sie nie wieder gerade. Diese Schraube ist jedenfalls in den ersten Tagen sehr gerade eingesetzt worden.“

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Und die ebenso deutliche zweite Botschaft war ein demonstratives Schweigen. Baerbock: „Wir haben ja gerade deutlich gemacht, dass sich 2017 nicht wiederholen soll, das heißt, dass per Liveticker aus vertraulichen Gesprächen berichtet wird.“ Natürlich fragten die Journalisten trotzdem weiter. Und wieder sagte ausgerechnet die Viel- und Schnellsprecherin Baerbock: „Wir sind heute schmalllippig.“

Die öffentliche Inszenierung der vertrauten Verschwiegenheit, die schon in dem gemeinsam veröffentlichten Selfie vom Dienstag zum Ausdruck kam, scheint bei Grünen und Gelben als Voraussetzung des Erfolgs und der Dominanz gegenüber dem Dritten im Bunde (der den Kanzler stellen soll) ausgemacht worden zu sein. Ob sie das durchhalten, wenn es um sach-, aber vor allem, wenn es um personalpolitische Fragen geht, über die auch Politiker mitreden, die weniger schmalllippig sind, ist nicht ausgemacht.

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Kommentare ( 52 )

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XD
3 Jahre her

Liebe Leute, jetzt sollte man sich bei allem Ärger über Merkel und die letzte(n) Legislaturperiode(n) einmal etwas beruhigen. Es steht eine Alternative am Start, andere Politiker haben wir letztlich nicht. Die Mischung aus Wut auf die alte Politik und Träumen nach einer AfD-orientieren Regierung führt doch keinen weiter. Ich bin schon froh, dass die FDP eine gewichtige Rolle spielt und sie mit den Grünen aktuell offenbar konstruktiv spricht, noch dazu vertraulich. Ich finde, man sollte dem Ganzen einfach einmal eine Chance geben. Das entspannt auch das eigene Gemüt 🙂

Fulbert
3 Jahre her

„Die eigentliche Botschaft der Drei: Wir verstehen uns gut.“
Da klingen die jüngsten Aussagen des FDP-Generalsekretärs aber anders. Selbst wenn es immer auch Taktiererei ist – „Verhakeln“ und „Furcht vor Groko“ wirken nicht so, als wäre alles unter Dach und Fach.

Frau U.
3 Jahre her

Was für eine Loser Generation, Kinderbuch-Schreiber, Hochstaplerin und Pleitier, die uns repräsentieren und regieren wollen.
Eine Generation der 40-jägrigen, die selber nix hin bekommen hat, ausser in der Politik Schablonen nachzuplappern. Nie eigenständig ihren Lebensunterhalt in einem Beruf verdient. Erschütternd für ein Industrieland.

Last edited 3 Jahre her by Frau U.
Peter Gramm
3 Jahre her

Genau. Im Leben nichts gewuppt außer Pleiten aber jetzt im Politikbetrieb die dicke Lippe. Bei den Grünen sieht es nicht besser aus. Die Pleiten Claudia darf jetzt auch sondieren. Im Leben wäre wohl Hartz IV angesagt gewesen. Jetzt aber auf öffentliche Kasse große Klappe. Typisch.

Peter Gramm
3 Jahre her

Kasperlestheater, sonst nichts. Berufspolitiker halt. Wahlprogramm kann man vergessen. Jetzt geht es um Posten und Pfründe.

caesar4441
3 Jahre her

Wer für drei Kreuzer Verstand hat ,kann mit den Grünen keine Koalition bilden.Sie sind der Untergang des Abendlandes.

Ecke
3 Jahre her

Das die FDP überhaupt diesen Grünen Müll mitmacht, spricht nicht für die FDP Charakterstärke. Dementsprechend hat die Hochstaplerin Baerbrock Linder seinen Platz zugewiesen – hinter ihr als grüner Fußabtreter in der zweiten Reihe.

Grebredna
3 Jahre her

Wie kann man mit 11 bzw. 14 Prozent ernsthaft (!) einen angeblichen „Wählerauftrag“ an sich selbst reklamieren, wenn man ihn zugleich einer Partei mit 24 Prozent verwehrt? Und alle linksgrünen Medien stimmen ein, dass die SPD die Wahl „gewonnen“ habe, weil sie ja mehr Sitze als die Union errungen habe – nach dieser (vermeintlichen) Logik müssten Grüne und FDP ebenso zu den „Verlierern“ zählen. Die „Zitrusbande“ = ein Zusammenschluss zweier Verlierer. Und dass Frau Baerbock als gescheiterte Kanzlerkandidatin ebenfalls zu den Verlierern zählt, wird immer gerne ausgeblendet bei der Frage, wer denn einen „Wählerauftrag“ habe.

GWR
3 Jahre her

Habe gerade die ACAB im Fernsehen gesehen.
Wie hat sie gesagt. Die Grünen wollen durch ihre Politik EUROPA ! zum ersten klimaneutralen Kontinent machen.
Wie größenwahnsinnig ist die geworden?
Größenwahnsinnig und überheblich – mehr ist da nicht zu sagen.

Schwabenwilli
3 Jahre her
Antworten an  GWR

Dann sollte mit der Klimaneutralität Frau Baerbock erstmal bei sich anfangen. Machen sie sich mal die Mühe und betrachten x-beliebige Fotos von dieser Frau, sie werden sie niemals mit der gleichen Garderobe sehen. Hat diese Frau jemals berechnet was der riesige Berg von Klamotten für einen gigantischen CO2 Fußabdruck bei ihr hinterlassen hat?

caesar4441
3 Jahre her
Antworten an  GWR

Die Engländer haben rechtzeitig das Weite gesucht.Germany must perrish.

SteffX
3 Jahre her

Es wird neue Steuern auf alles mögliche geben, denn es stehen große Aufgaben vor der Regierung. Der zweite Teil des Satzes ist ironisch gemeint, denn es wird einfach nur noch mehr Geld mit fadenscheinigen Begründungen verbrannt.