Montagsspaziergänge: In manchen Kleinstädten jeder Zehnte auf der Straße

Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen halten sich weiterhin: Hunderttausend waren im ganzen Land wieder auf den Straßen. Besonders in Ostsachsen und Thüringen spitzt sich die Lage zu. Die Politik kann die Anliegen kaum weiter ignorieren.

IMAGO / Bernd März

Zittau, Löbau, Kamenz, Bischofswerda und Radeberg sind die fünf Städte, in denen das Ausmaß und die Kraft der Corona-Proteste an diesem Montag deutlich werden. Sie alle liegen im östlichen Sachsen in den Kreisen Görlitz und Bautzen, sie alle haben weniger als 30.000, mehrheitlich deutlich weniger als 20.000 Einwohner. Und in all diesen Städten waren am Montag nach Polizeiangaben zwischen 620 und 1100 Menschen auf der Straße. Das muss man sich vor Augen halten: Das ist jeder zwanzigste, teils jeder zehnte Einwohner, der hier auf der Straße ist, Kinder eingerechnet. Und nicht in einer Stadt, in die dann aus dem restlichen Landkreis angereist wird, sondern in fünf Städten. Dazu kommen erst noch die zentralen Proteste in den Kreisstädten – in Bautzen sind es allein 5000 Demonstranten gewesen, auch hier wäre das fast jeder zehnte Einwohner.

— Dr. David Lütke (@DrLuetke) February 14, 2022

Ostsachsen ist der Hotspot der Proteste – kein Wunder, dass Landräte und Bürgermeister hier auf die Demos kommen, ihr Verständnis ausdrücken oder – wie Bautzen Vize-Landrat – ankündigen, die Vorgaben der Bundespolitik nicht umzusetzen. Die Impfpflicht im medizinischen Bereich dürfte hier bei konsequenter Umsetzung in einer Katastrophe enden. Ärzte aus dem Kreis schätzen die Quote der ungeimpften Pfleger auf bis zu 40 Prozent. In einer Klinik sind, wie TE erfuhr, fast zwei Drittel aller Ärzte nicht geimpft. Hier spitzt sich ein gesellschaftlicher Konflikt zu, der sich nicht mehr herunter reden lässt, auch wenn große Teile der Presse das wollen oder diese Ereignisse einfach verschweigen.

Doch es bleibt kein sächsisches Phänomen. In Thüringen sind nach Polizeiangaben landesweit 23.000 Teilnehmer auf der Straße, de facto dürften es deutlich mehr gewesen sein. Auch in Sachsen-Anhalt geht es rund: In der 15.000-Einwohner-Stadt Bitterfeld sind rund 1000 Menschen auf der Straße, in Halle 1900, in Wittenberg 1900, in Bitterfeld, Naumburg und weiteren Städten an die 1000. Und das jeweils nur nach Polizeiangaben, Teilnehmer sprechen von deutlich höheren Teilnehmerzahlen.

Auch im Westen Deutschlands wurde demonstriert, hier liegen oft aber noch keine Zahlen vor. Größere Proteste gab es in Schwaben, Franken, am Bodensee, in Köln und praktisch im ganzen Bundesgebiet. In der vergangenen Woche meldete selbst die Polizei allein für Baden-Württemberg rund 55.000 Menschen. Auch an diesem Montag waren es bundesweit Hunderttausende.

Es blieb dabei insgesamt friedlich. Trotz der Ankündigung des Wegfalls zahlreicher Maßnahmen im März bleibt man auf der Straße. In den Fokus rückt nun immer stärker die in einem Monat angesetzte Impfpflicht für das medizinische Personal. In der Kommunalpolitik kann man den Druck der Straße längst nicht mehr ignorieren – wann erreicht der Druck auch die Landes- und Bundespolitik?

 

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