Mindestlöhne: Neue Ärzte braucht das Land

Nicht-Unternehmer aus Patriotismus

Die Politik wartet still und geduldig, bis eine Katastrophe eintritt und handelt dann – die Wirtschaft und Unternehmen versuche, drohende Risiken vorwegzunehmen und vorausschauend zu handeln. Ist es wirklich so einfach?

So einfach hätte ich es mir nicht gemacht, bislang jedenfalls.  Aber man lernt ja dazu. Bundeskanzlerin Angela Merkel versteht nicht „wie ein Beschluss, der noch nicht in Kraft ist, jetzt schon eine konjunkturelle Dämpfung hervorrufen kann.“

Merkel versteht also nicht, dass die Unternehmen nicht einfach abwarten, bis die Mindestlohnregelung wirksam wird, und jetzt schon handeln – und das heißt: Geschäfte, die sich ab 1.1.2015 nicht mehr lohnen, werden jetzt schon eingestellt.

Oder andersherum: Unternehmen sind besonders patriotisch. Man hat ihnen gesagt, dass Betriebe, die weniger als den Mindestlohn bezahlen, keine guten, würdigen, leistungsfähigen Unternehmen sind. Auch gut. Jetzt halten sie sich daran und hören einfach auf, wie die Politik es von ihnen fordert. Nicht-Unternehmer aus Verantwortung für Gerechtigkeit und Politik – ist das ein Problem? Offensichtlich doch.

Jedenfalls zeigen sich jetzt schon die Folgen einer Wirtschaftspolitik, die vielen gibt. Frühverrentung wieder mit 61 oder spätestens 63, Mindestlöhne – es war ja zu erwarten, dass derart massive Eingriffe Wirkung zeigen; sollen sie ja auch. Es soll weniger gearbeitet werden, und das passiert jetzt. Die Konjunktur flaut ab.

Wer widerspricht, ist dumm und muss weg

Allerdings gibt es auch ein paar Uneinsichtige. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung empfiehlt der Bundesregierung; „innezuhalten und die Wirtschaftspolitik neu auszurichten“. Die Wirtschaftsweisen fordern, wieder mehr Vertrauen in Marktprozesse zu zeigen und nicht alles und jedes per Gesetz anzupacken – das dann Wirkung zeigt, noch ehe es wirkt.

Das ist natürlich peinlich, wenn der Reformstolz der Regierung so abgelatscht wird. Merkel reagiert auf ihre Weise, SPD und Linke auch. Die Linke ruft nach „anderen Wirtschaftsweisen“, klar, das war ja in der DDR auch besser: Da hätte keiner gewagt, der Weisheit des Zentralkomitees der DDR zu widersprechen. Wissenschaft als Hure der Politik, das wünscht sich die Linke in Person von Sarah Wagenknecht. Allerdings wurde der Sachverständigenrat seinerzeit ganz bewußt als Korrektiv zur Politik eingerichtet; unabhängig soll er sein und lästig. Wie das eben so ist in der Demokratie: Der Widerspruch ist eingebaut; am Ende möge sich das bessere Argument durchsetzen, nicht der Genickschuss.

Auch SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi, eine weltbekannte Ökonomin, weiß, dass das Gutachten nicht mehr „auf der Höhe der Zeit“ ist, es sei hanebüchen, platt, zu wenig ökonomische Fakten. Aha. Wer es wagt, den Träumen der Großen Koalition zu widersprechen  – der ist eben dumm, platt – keine Ahnung hat der oder die. Es ist bezeichnend, wie symmetrisch Wagenknecht und Fahimi argumentieren: Wer der Bundesregierung widerspricht, muß weg, Punkt.

Leider sind die Fakten andere. Die Konjunktur schwächt sich ab, und das nicht nur wegen der Ukraine oder Syrien. Sondern weil wir die lustigste Koalition aller Zeiten haben.

Die seltsame Logik der Politik

CDU, CSU und SPD handeln wie drei fröhliche Zecher – jeder darf abwechselnd einen Schluck aus der Pulle nehmen, auch, wenn das Gleichgewicht schon in Schieflage ist. Erst die Mütterrente für die CDU, von der jeder nüchterne Sozi sagt: nicht finanzierbar. Dann der Mindestlohn und die Frühverrentung für die SPD, wozu jeder CDUler, betrunken oder nicht betrunken seine Meinung äußert: Schwachsinn. Und jetzt die CSU mit ihrer PKW-Maut, die ein paar tausend Verwaltungsbeamte erfordert, lausige 300 Millionen bringt und nur Ärger mit den Nachbarn im Westen und Norden: Auch der absolute Blödsinn, aber, Brüderchen, trink! Trink! Es hat ja noch immer gutgegangen.

Die politische Logik, dass eine Koalition eben Zugeständnisse und Kompromisse erzwingt, ersetzt die ökonomische Logik. Gekungel der Koalitionäre statt Vernunft? Das kann nicht gutgehen, und die Konsequenzen werden schneller sichtbar als erwartet. Denn am Ende schlagen die Fakten der Ökonomie immer die Träume. Gerne würde man rufen:

Nehmt doch Rücksicht auf die Leber und den Gleichgewichtssinn, die da signalisieren: Gelegentlich ist es einfach zu viel, Eure Trinkerei.

Aber, die Damen Merkel, Wagenknecht und Fahimi, haben ja schon die Lösung: Was nicht sein darf, darf nicht sein. Und im übrigen: Wir brauchen neue Ärzte! Wer nicht sagt, was uns passt, muss weg. Darin sind sie sich einig, und das ist das eigentlich Bedenkliche.

Nüchternheit ist jedenfalls keine Option.

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