Messerattacken: ARD-Nachhilfe für den ARD-Faktenfinder

Sie häufen sich also doch, die Messerattacken. Das berichtet sogar die ARD, deren Faktenfinder sich da nicht so sicher sind.

Screenprint: ARD/Kontraste

Das ARD-Magazin Kontraste hat etwas gewagt, das man für den zeitgenössischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk schon äußerst lobend hervorheben muss: Es hat nicht nur eine unbequeme Recherche betrieben, sondern sich danach auch noch getraut, die noch unbequemeren Ergebnisse zu veröffentlichen.

Die unbequeme Recherche hatte die Zahl der Messerdelikte in Deutschland und besonders die zeitliche Entwicklung dieser Zahl über die letzten Jahre zum Gegenstand. Unbequem war die Recherche wohl nicht deswegen, weil es schwer war, an diese Zahlen zu gelangen, denn auf Anfrage von Kontraste stellten zehn der sechzehn Bundesländer entsprechende Daten für den Zeitraum 2014-2017 zur Verfügung, welche das ARD-Magazin in einer übersichtlichen Grafik zusammengestellt hat:

In allen zehn Bundesländern ist die Zahl der Messerdelikte gestiegen, in neun von zehn um einen äußert unbequemen zweistelligen Prozentsatz, in acht von zehn um mehr als 20 Prozent.

Zur Erinnerung (Tichys Einblick berichtete): Vor zwei Wochen hatte der ARD-Faktenfinder die Statistiken zu Messerdelikten noch als „defizitär“ bezeichnet (was in Bezug auf Statistiken bereits eine unsinnige Bezeichnung ist). Oder wie es der NDR-Journalist Gabor Halasz formulierte: Es ist eben alles schrecklich kompliziert, weshalb man im Verein mit Faktenfinder-Kollege Patrick Gensing auf Twitter auch unbedingt gegen den BILD-Chefredakteur Julian Reichelt zu Felde ziehen musste, unter anderem auch mit so intelligenten Wortklaubereien darüber, ob man ein Problem nun Epidemie nennen dürfe. Da muss man vor dem Kontraste-Team schon den Hut ziehen, wie schnell es die unterstellten Defizite und Komplikationen anscheinend beheben konnte.

— Patrick Gensing (@PatrickGensing) March 25, 2018

Eine statistische Dokumentation des Anstiegs von Messerdelikten lässt wohlgemerkt noch keine Rückschlüsse auf die Ursachen dieses Anstiegs zu. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Auch wenn einem Anstieg von Messerdelikten in einem Ort oder Bundesland ein Anstieg der Zuwanderung vorausgegangen ist, so ist dies trotzdem noch kein Beleg dafür, dass der Anstieg der Zuwanderung den Anstieg der Messerdelikte verursacht hat. Nur weil Ereignis B zeitlich nach Ereignis A eintritt und man beide in einen gedanklichen Zusammenhang bringen kann, heißt das nicht, dass B von A verursacht worden ist – denn es könnten sich dazwischen auch noch die Ereignisse C, D und E abgespielt haben. Zudem weiß man nicht, ob B nicht auch ohne A eingetreten wäre.

In der zu den recherchierten Daten gehörigen Kontraste-Sendung wird mit Blick auf diese „politisch brisante Frage“ daher auch nicht ohne Grund recht leise getreten. Allerdings zitiert das Magazin den Gewaltforscher Professor Dirk Baier vom Institut für Delinquenz und Gewaltprävention in Zürich, der einen gemessenen Anstieg der allgemeinen Gewaltkriminalität wissenschaftlich „zum Großteil“ auf den Flüchtlingszuzug zurückführt (Anmerkung: Die entsprechende Studie ist noch nicht abrufbar und kann daher noch nicht beurteilt werden). Natürlich reicht Prof. Baier auch die bekannten Gründe für diesen Zusammenhang nach: Überrepräsentation junger Männer, Unterbringungssituation, Traumatisierung. Es spricht erst einmal nichts dagegen, dass diese Umstände tatsächlich für einen Teil der Gewaltkriminalität verantwortlich sein können – es liegt sogar eher auf der Hand.

Wenn dann allerdings auch ein „männlich dominiertes Umfeld“ für die überdurchschnittliche Gewalttätigkeit der Flüchtlinge verantwortlich gemacht werden muss, weckt das schon die Frage, ob es sich bei den angeführten Gründen um empirisch belegbare Faktoren oder eher um gutgemeinte Spekulationen handelt.
Zusammengefasst ist ein Anstieg der Messerdelikte in der Mehrheit der deutschen Bundesländer messbar. Über die Frage, ob man deswegen von einer Messer-Epidemie sprechen kann oder sollte, kann der ARD-Faktenfinder mit #TeamGensing gerne weiterhin philosophieren und moralisieren. Die Kollegen von ARD-Kontraste machen ja die Faktenarbeit.

PS.: Der Mann und sein Messer – eine lange Geschichte: Es lohnt, sie zu lesen.

 

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