Mit Angela Merkel geht nicht nur eine Kanzlerin. Es geht das mit ihr entstandene System. Es folgt, dass die Auswirkungen ihres Sturzes noch weiter gehen und den politischen und medialen Unterbau des sie stützenden und von ihr abhängigen Herrschaftssystems einer entkernten Demokratie mit sich reißen.
Das Land steht vor einem Umbruch. Noch nie zuvor hat es in den gut siebzig Jahren Bundesrepublik eine Umwälzung dieses Ausmasses gegeben. Die langjährige Regierungschefin hat bereits die Klinke in der Hand. Ihre Autorität zerrinnt mit jedem Tag. Ob sie heute oder morgen geht, oder ob sie es bis nach den Neuwahlen schafft, ist nicht mehr entscheidend. Ihre Politik ist in den eigenen Reihen mehr und mehr umstritten. Ihre Nachfolge ist offen.
Die größte Regierungsfraktion tritt in die eigenen Scherben. Stellenweise zeigen sich die Flecken der Korruption. Für den Herbst ist erstmals ein Regierungswechsel mit dem Ergebnis einer links-grünen Koalition eine ernstzunehmende Möglichkeit. Ein politischer Wettersturz zeichnet sich ab.
Mit Angela Merkel geht nicht nur eine Kanzlerin. Es geht das mit ihr entstandene System. Es folgt, dass die Auswirkungen ihres Sturzes noch weiter gehen und den politischen und medialen Unterbau des sie stützenden und von ihr abhängigen Herrschaftssystems einer entkernten Demokratie mit sich reißen.
Zweitens: Ziel des Agierens der Regierenden waren oft genug nicht Problemlösung und Entscheidung von Konflikten, sondern deren Weichspülung und politische Entsorgung – darunter auch das Ziel, das Thema dem politischen Konkurrenten aus der Hand zu winden. Die Folgen sind Fehlentscheidungen, oft genug auch ein Ausweichen und Liegenlassen der Probleme.
Drittens: Politik wurde unter Merkel häufig betrieben als Veranstaltung zur Herstellung eines politisch-ökologischen Wohlgefühls, das sachlich richtige Ergebnis war natürlich auch erwünscht, aber im Grunde doch sekundärer Beifang. Bekanntestes Beispiel, doch keinesfalls das einzige, ist der Atomausstieg. Die unmittelbaren Folgen sind Effizienzverluste, Rückstand und Kostenlawinen. Es wird auf lange Zeit mittelbare Folgen geben.
Die vielleicht wahrscheinlichste Einbruchstelle zur Aushebelung der Demokratie ist die Einsetzung von ökologischen Beiräten an der Seite von politischen Beschlußgremien aller Ebenen, denen ein ökologisches Vetorecht gegen alles eingeräumt wird, was tatsächlich oder angeblich gegen ökologische Belange verstößt.
Das „grüne Veto“ ist nicht neu und von manchen Theoretikern schon angedacht; von manchen Aktivisten wird es schon verlangt. Es lässt sich auch weiterdenken: Steht das grüne Veto nicht im Gesetz, so kommt es eben von der Straße.
Diese Beiräte sind eine modernisierte und den neuen Gegebenheiten angepasste Version der Wohlfahrtsausschüsse der französischen Revolution, die sich aus ihrem Vetorecht heraus zum maßgeblichen Instrument für die Themen der Revolution und ihres Überlebens entwickelten. Bis der fortschreitende moralische und politische Machtmissbrauch ihrem Wirken ein Ende setzte und viele ihrer Akteure später unter die Fahnen Napoleons traten, natürlich ausgenommen die Unglücklichen, die wie Robespierre vorher auf dem Schafott endeten.
Noch eines: Es gab unter Merkel eine im Laufe der Zeit ihr immer ergebener werdende breite Schicht von staats- und regierungsfrommen Journalisten, sowohl in Printpresse als auch TV, die nun bald ohne Patronin dastehen werden. Sie werden diesem Zustand abhelfen wollen.
Bemerkenswert im Vergleich dazu ist die nicht geringe Anzahl von Merkel-Gegnern im Kulturleben, vor allem in der anspruchsvolleren Literatur, die mit der habituellen Aufmüpfigkeit dieses Zweiges der intellektuellen Szene kaum genügend erklärt werden kann.
Vielleicht lässt sich für eine Antwort an den italienischen Kulturphilosophen Gramsci denken, der Kommunist war wie zu seiner Zeit viele andere kluge Köpfe seines Vaterlandes, und der darauf hinwies, dass die Kultur der Politik ja vorauseilt und den Weg bereitet, noch besser gesagt: ihn erhellt. Doch was bedeutet das für die Zeit nach Merkel? Es bedeutet für jeden möglichen Nachfolger, dass die Frage nach der kulturellen Hegemonie vor der Frage nach der politischen Macht zu beantworten ist.
Eine Überraschung ist allerdings, dass die Merkel-Pyramide von der Spitze her zusammenbricht. Von vielen erwartet wurde ein Wegbrechen von unten. Wir stehen vor turbulenten Wochen und Monaten, wobei die große Unbekannte natürlich die Pandemie ist. Es kann zu einer handfesten, vielleicht sogar existentiellen Krise kommen. Dann wird vieles, wenn nicht das meiste, zur Makulatur.
Das wäre dann die andere, die schlimmere Möglichkeit.
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Wie oft haben für die CDU schon die Totenglocken geläutet? Auch hier! Es wird immer noch mehr als genug geben, die diese Partei und die Personen wählen, die für die ganze Misere verantwortlich sind. Gestern, heute, morgen. Die können verzapfen was sie wollen. Gut, dann sind es vielleicht 20-25 Prozentpunkte. Aber die werden es immer sein. Immer!
Danke für den Link. War mir völlig unbekannt.
Trotz allerlei Wissen über Great Reset und Ziele des Weltwirtschaftsforums.
Wenn man sich die demoskopischen Umfragen anschaut, kann man nur sagen: vom Regen in die Traufe. Nachdem Merkel seit 10 Jahren grüne Politik im Unionsgewand betrieb, kommt im September das Original an die Macht, um das selbstzerstörerische Werk zu vollenden. Viele können es scheinbar kaum erwarten, bis Frau Baerbock mit wirtschaftlicher und energiepolitischer Inkompetenz den Bock abschießt.
Solange man nur zum Autofahren in diesem Land einen Führerschein braucht, wird es auch keine wirkliche Alternative zur jetzt Politik geben. Nur dummes Volk kann sich solche Führung leisten. Wie der Herr, so das Gescherr.
Ich verstehe ja , warum alle auf Merkel rumhacken ! Nur sie ist der falsche Klotz! Vielmehr sind die sie stützenden Parteien (Mitglieder) und vorallem die Wähler der eigentliche Klotz. Die Wähler sind die wahren Schuldigen / Gefährlichen.
Was wir erwarten dürfen, kann sich wohl mit 1989 messen. Wahrscheinlich zieht es sich etwas länger hin, aber die Macht wird irgendwann auf der Straße liegen, wer sie sich nimmt, wird sie haben. Parlamentarische Mehrheiten werden von untergeordneter Bedeutung sein. “ Ihre Politik ist in den eigenen Reihen mehr und mehr umstritten.“ Dass man davon so wenig mitbekommt, erinnert ebenfalls an die letzten Tage der SED-Herrschaft. Selbst Laschet erinnert mich ständig an Egon Krenz. Ein Unterschied zu 1989: Ich sehe wenig Chancen, dass es kurzfristig besser besser wird.
„Es geht das mit ihr entstandene System.“
Ach, ist das so? Da wär ich mir mal nicht so sicher.
„Und was danach?“
Trinke ich erst mal ne halbe Kiste Bier. Und werde dann vorerst weiter AfD wählen, bis es eine bessere Alternative gibt. Mehr kann man im Rahmen der repräsentativen Demokratie derzeit für Deutschland nicht tun.
Nach Merkel? Auf jeden Fall wirkt das System Merkel noch nach, für eine geraume Zeit. Man könnte geneigt sein zu sagen, die Probleme fangen dann erst richtig an. Ich fürchte, dass das Land ganz weit unten ankommen muss, um eine Chance auf einen Neubeginn, eine Chance auf den Hauch einer Zukunft zu haben, einer demokratischen und nicht grünen diktatorischen.
Es ist zu spät: https://www.budapester.hu/feuilleton-interview/bastion-der-alten-abendlaendischen-identitaet/
„Es folgt, dass die Auswirkungen ihres Sturzes noch weiter gehen und den politischen und medialen Unterbau des sie stützenden und von ihr abhängigen Herrschaftssystems einer entkernten Demokratie mit sich reißen.“ Was für ein Satz. Wer der Mitleser versteht ihn?
Es geht um den politisch-medialen Komplex, den man auch als Kumpanei bezeichnen kann, da er dem Gedanken der Demokratie und dem Prinzip der Gewaltenteilung entgegensteht. Mehr dazu in den folgenden hervorragenden Artikeln: http://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/deutschlands-politische-zukunft/ und http://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/die-schalltote-kammer/
Spannende Zeiten, da haben Sie in diesen klugen Gedanken tatsächlich recht.
Erschreckend ist, dass kaum jemand mit der Größe ersichtlich ist, das Schiff in das Fahrwasser Richtung Zukunft zu führen. Nirgendwo.
Wir werden uns an eine Expertokratie gewöhnen müssen.