„Repressive Schnüffelei im Internet ist kein Kollateralschaden, sondern angestrebter Selbstzweck“

Berlin versteckt sich hinter Brüssel: An den Meldestellen ist die EU schuld. Eine Zensur will die Bundesregierung auf Anfrage nicht erkennen. Dafür wird die fragwürdige Rolle von Volker Wissing umso deutlicher. Weitere 21 Organisationen und Einzelpersonen haben sich als „vertrauenswürdige Hinweisgeber“ beworben.

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Auf welchem Fundament stehen die neuen Meldestellen, die in die Verantwortung der Bundesnetzagentur fallen? Das wollte die AfD-Bundestagsfraktion und ihr medienpolitischer Sprecher Martin E. Renner wissen. Dabei wird schon früh klar: so ganz will man sich nicht zur Verantwortung für das neue Projekt bekennen.

Auf die Nachfrage, nach welchen Kriterien die Bundesnetzagenturen die „vertrauenswürdigen Hinweisgeber“ auswähle, unterläuft der Bundesregierung fast ein Freud‘scher Versprecher, wenn sie antwortet: „Die Koordinierungsstelle für digitale Dienste in der Bundesnetzagentur wählt keine vertrauenswürdigen Hinweisgeber aus.“ Vielmehr müssten Einrichtungen eine solche Einstufung beantragen.

Berlin verschanzt sich demnach hinter Brüssel. Denn ob ein Hinweisgeber „vertrauenswürdig“ ist, das fällt nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung, sondern sei in den Vorschriften des DSA geregelt. Sklavische Gebundenheit an ein Papier, das immerhin von den ständigen Vertretern der Mitgliedsstaaten abgenickt wurde.

Die Augen sind beim DSA und Meldestellen stets auf die Bundesnetzagentur gerichtet. Von grünen Meldestellen war stets die Rede. Die Anfrage rückt aber in den Vordergrund, was gerne vernachlässigt wird: nämlich, dass die Koordinierungsstelle für digitale Dienste der Bundesnetzagentur dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr zugeordnet ist. Das untersteht bekanntlich Volker Wissing (früher FDP, jetzt parteilos).

Es war auch dazumal Wissing, der stellvertretend für die Bundesregierung das Gesetz im Deutschen Bundestag verteidigte, als er noch der FDP angehörte. Wissing hatte damals gesagt, dass es „allerhöchste Zeit“ sei, etwas gegen die zunehmende Desinformation und Hassrede zu tun – auch mit Blick auf die Wahlen in diesem und im kommenden Jahr. Das Netz dürfe nicht „Demokratie- und Menschenfeinden überlassen“ werden.

Gegen den Vorwurf der AfD, dass die Bundesregierung hier verdeckte Zensur betreibe, wehrt sich diese: „Darüber hinaus nehmen vertrauenswürdige Hinweisgeber keine Zensur vor, vielmehr melden sie vermutete rechtswidrige Inhalte an die Plattformen, die dann über deren Entfernung entscheiden.“ Die Meinungsfreiheit gelte schließlich nicht unbeschränkt.

Wie problematisch allerdings die Auffassung ist, es würden nur „vermutete rechtswidrige Inhalte“ gemeldet werden, zeigt sich – wie nahezu immer – an der Gretchenfrage danach, was denn nun Hasskriminalität oder Hassrede sei. Dabei fragt die AfD nach, was nach der Definition der Bundesregierung illegale Inhalte, illegaler Hass und illegale Fake News sein – und weist auf die Webseite der Bundesnetzagentur hin, die diese Vergehen auflistet. Antwort:

„Hassrede und Desinformation können rechtswidrig sein, sind dies aber nicht zwangsläufig. Rechtswidrig sind alle strafbaren Inhalte, darunter z.B. strafbare Hassrede wie Beleidigung nach § 185 StGB, üble Nachrede nach § 186 StGB, Verleumdung nach § 187 StGB, Volksverhetzung nach § 130 StGB oder strafbare Falschinformationen wie z.B. Leugnung des Holocausts nach § 130 Abs. 3 StGB.“

Wie bei der Delegetimierung des Staates handelt es sich um eine Gummidefinition. Die Bundesregierung vermischt hier sehr gekonnt ganz klar definierte Straftaten mit Paragrafenzitation, und ordnet „strafbare Hassrede“ in diesen Kontext ein. Allerdings gibt es immer noch keinen Hassparagrafen, und würde es die Bundesregierung tatsächlich ernst meinen, dann stünde auf der Seite der Bundesnetzagentur nicht etwas von „illegalem Hass“, sondern konkrete Bestände.

Oder, um es mit den Worten der Bundesregierung zu sein: Hassrede und Desinformation können rechtswidrig sein oder auch nicht. Schrödingers Rechtsauslegung. In der Zeit von Wohnungsdurchsuchungen wegen eines Habeck-Memes wird man sich noch daran gewöhnen, den Herrscher nicht zu karikieren, man will ja nicht mit einem Bein im Knast stehen. Schöne, neue Demokratie?

Da die Bundesregierung nicht selbst an der Ernennung von „Trusted Flaggern“ beteiligt sein möchte, sondern lediglich Anweisungen aus der EU annimmt, und demnach auch keinerlei Anteil daran hat, ob ein Hinweisgeber vertrauenswürdig ist oder nicht, verwundert umso mehr die Lobeshymne, die das Antwortschreiben auf „REspect!“ singt: „Die Meldestelle „REspect!“ hat als zivilgesellschaftliche Organisation ihre Expertise und Erfahrung mit der Meldung von vermuteten rechtswidrigen Inhalten in der Vergangenheit nachgewiesen.“

Die wertvolle Zusammenarbeit hat das Bundesfamilienministerium mit insgesamt rund 800.000 Euro honoriert. So viele monetäre Mittel flossen vom Ministerium zum heutigen Premiumwahrheitschecker in den Jahren zwischen 2020 und 2024.

REspect! Dürfte sich allerdings bereits auf baldige Verstärkung freuen. Bis zur AfD-Anfrage lagen den Behörden insgesamt 21 weitere Anträge zur Zuerkennung des Status als vertrauenswürdiger Hinweisgeber vor. Diese würden nun geprüft. Die Neutralität der Einrichtung werde durch Nachweise der „sorgfältigen, genauen und objektiven Übermittlung von Meldungen“ überprüft. Wie solche Verfahren ausgehen, hat man in der Vergangenheit leider zu Genüge gesehen.

Renner wirft der Bundesregierung „vorgetäuschte Einfalt“ vor. Sie wolle sich hinter dem DSA verstecken. Sie lenke mit Wortklaubereien davon ab, dass auch DSA eine Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes sei. „Trotz aller geheuchelten Unschuld zeigt diese Antwort der Bundesregierung eins sehr deutlich: Die immer repressivere Schnüffelei im Internet ist kein Kollateralschaden, sondern angestrebter Selbstzweck“, so der AfD-Politiker.

Die Qualität der „selbsternannten Privatzensoren“ spiele dabei eine untergeordnete Rolle. Im Gegenteil. „Je mehr, je besser – wenn nur die ‚richtige‘ Haltung nachgewiesen werden kann“, so Renner. Die AfD werde sich „mit Nachdruck und voller Energie gegen jede staatliche und private Zensur im Internet stemmen“.

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Kommentare ( 32 )

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bfwied
29 Tage her

„Vertrauenswürdige“ Aufpasser, dass ja nur Genehmes, Unterstützendes über die Linken gesagt/geschrieben wird. Ich kenne das, als Kind, aus dem Westen der 50er- u. 60er-Jahre, die Aufpasser, die sofort zurechtwiesen und sogar mit der Polizei drohten, wenn man auf einem Feldweg mit dem Fahrrad fuhr, der angeblich nicht befahren werden durfte. Es ist ein offensichtlich in D. nicht ausrottbares Leiden. Es gibt immer eine Menge Leute, die jedem nackten Kaiser zujubeln und dessen Kleider loben und sich andienen aufzupassen, dass ja niemand nicht lobt! In der DDR kam ein Stasi-Aufpasser und Denunziant auf etwas über 40 Bürger, in der UdSSR einer… Mehr

AndreasH
29 Tage her

Die EU hat aktuell keinen anderen Daseinszweck mehr, als uns Dinge zu diktieren, die im nationalen politischen Betrieb nie durchzusetzen wären. Vergleiche Glühbirnenverbot, Verbrenneraus, Massenmigration und jetzt „Trusted Flagger“. Deshalb müssen wir raus aus der EU, denn sie hebelt die deutsche Demokratie aus.

Albert Pflueger
1 Monat her

Wenn der bei weitem größte Nettofinanzier der EU so tut, als habe er eigentlich mit deren Verfügungen nichts zu tun, dann ist das zutiefst unglaubwürdig!

Peter Pascht
1 Monat her

Wenn der Vorsitzende des Richterbundes und Juristen fordern das BverfG gegen die AfD im Grundgsetz abzusichern, (Quelle_ÖRR)
falls die AfD in demokratischen Wahlen in die Regierung kommt,
dann können wir von verfassungsrechtlicher Pflicht der politischer Neutralität der Justiz nicht mehr sprechen.
man nennt es dann eine politische Justiz. geschichtliche deutsche Tradition

Last edited 1 Monat her by Peter Pascht
Peter Pascht
1 Monat her

„Repressive Schnüffelei im Internet ist kein Kollateralschaden, sondern angestrebter Selbstzweck“ Natürlich, denn sie wurde ja in Gesetzen beschlossen und verankert. Das was man Jahrzehnte lang osteuropäischen kommunitischen Diktaturen vorgeworfen hat, macht man nun selber. Fleißige Schüler. Die „oganisierte Kriminalität“ der herrschenden Clique sichert sich rechtlich ab. (CumEx. u.a.) Denn schließlich geht es ja um pekuniäre Pfründe die es abzusichern galt „pecunia non olet“ denn: „Korruption ist die Seele des Systems„, Prof.H.H. von Anim im „Selbstbedienungsland Deutschland„, Pof H.W. Sinn da muss man alles unter Kontrolle haben, sonst landet man im Gefängnis, Insbesondere wenn die pöse AfD veilleicht an die Macht… Mehr

H.H.
1 Monat her

Keine einzige NGO, welche „irgendetwas bekämpft“ ist interessiert daran, dass das „Bekämpfte“ verschwindet. Auch das Klima-Institut zu Potsdam ist nicht daran interessiert, dass es selber überflüssig wird. Da muß man nicht lange erläutern, warum das so ist. N’est-ce pas!

GWR
1 Monat her

Dieser Majestätsbeleidigungsparagraph ist meiner Meinung nach an Schwachsinnigkeit nicht zu überbieten. Vielleicht sollten die Richter, die nach diesem Paragraphen urteilen, mal erklären wie eine Schwachkopfbeleidigung das Wirken eines Politikers erschweren soll. Und wenn jemand der Meinung ist, dass Baerbock die dümmste Außenministerin ist, wie erschwert das deren Wirken? Vor allem, wenn man die Äußerungen der Ministerin Revue passieren lässt.
Das einzige was die Politiker damit bezwecken wollen ist, dass man jegliche Kritik im Keim ersticken will.

Last edited 1 Monat her by GWR
Gotthelm Fugge
1 Monat her

Macht korrumpiert!   Schon harmlose Meinungsäußerungen überstrapazieren das Nervenkostüm der sofort zumeist beratungsresistenten, oftmals erwiesenermaßen mehr als unfähigen beleidigten Eliten der Nation beim „Durchregieren“ dieses Landes.   Eine Kritik ihrer mehr als oft produzierten miserablen Fehlergebnisse für das Land wird als abwegig bestimmt & wer diese ideologisch hinterlegten Monstranz-Moralhaltungen mit logischen oder MINT-Argumenten vs. Regierungsfehler dagegenhält, ist ein Rechter, Querdenker, Verschwörungstheoretiker, Aluhutträger, Nazi – Er ist dem „diffusen Milieu zuzuordnen, das es nur auf die Delegitimierung des Staates abgesehen hat“, den müssen „WIR“  als (zumeist in gefühlter Erbpacht) gewählten VOLKSVERTRETER UNBEDINGT ausmerzen.   Bedenken Sie immer anhand der fast 810… Mehr

nachgefragt
1 Monat her

Die Justiz macht einen großen Fehler, sich gegen die Bürger auf die Seite einer abgewählten Regierungen und gegen das Volk zu stellen. Sie verspielt unwiderbringlich ihre Reputation und das Vertrauen bis nur noch die Fassade eines Rechtsstaates übrig ist, mit den Folgen, die wir für ihr Ansehen aus der DDR und Nachkriegsdeutschland kennen. Die Rechtspflege wird dem Weg der Journalisten folgen, den Ruf verspielen, von niemand mehr ernstgenommen aber verachtet werden. Im Nachgang werden all die, die eine Hausdurchsuchung bei sich durchmachen mussten, diese als Ausweis ihrer Unbestechlichkeit vorweisen können. Vielleicht wird es aufgrund der inflationären Androhung sogar chic, wenn… Mehr

Peter Pascht
1 Monat her
Antworten an  nachgefragt

Die Justiz stellt sich nicht auf Seite der Regierung,
sie hat sich und wurde zum Teil der Regierung gemacht.
Das ist die Seite wo sie schon seit vielen jahren steht.
Wenn der Vorsitzende des Richterbundes fordert das bverfG gegen die AfD im Grundgsetz abzusichern, (Quelle_ÖRR)
dann können wir von verfassungsrechtlicher Pflicht der politischer Neutralität der Justiz nicht mehr sprechen.
man nnent es dann eine politische Justiz. kennt die deutschegeschichte schon.

fatherted
1 Monat her

Will Brüssel nicht auch alle Telefone und PCs überwachen….natürlich nur wegen „organisierter Kriminalität“….? Da kam doch dieser Tage eine Meldung durch.

H.H.
1 Monat her
Antworten an  fatherted

Client-side scanning, so heißt das neuerliche Schnüffelwort.
Aber sie (die EU) werden den Kürzeren ziehen, selbst wenn sie es hinkriegen, die Service Provider zu unterjochen. That’s for sure.