Lockdown ohne Wirkung, Antworten auf die echten Probleme in der Warteschleife

Die Zahlen steigen, der Lockdown kann die Wende nicht bringen. Warum? Weil die echten Probleme und deren Lösungen in der großen Panik weitestgehend untergehen.

imago images / ZUMA Wire

Die Zahl der von ihm als Infektionen gewerteten positiv-Getesteten steigen laut Robert-Koch-Institut weiter. Nachdem diese Zahl in den letzten Wochen stagnierte, steigt sie seit zwei Wochen wieder an, allerdings zusammenhängend mit einem massiven Anstieg der durchgeführten Tests.

Inwieweit man diesen Zahlen auch glauben mag: Es scheint nicht so, als könnte man mit dem sogenannten Lockdown light, der spätestens seit Mittwoch kein solcher mehr ist, sondern ein Lockdown heavy, das Infektionsgeschehen unter Kontrolle bringen.
Es gibt keine Evidenz dafür, dass ein Lockdown bei all seinen verheerenden Nebenwirkungen die erhoffte Wirkung bringt.

Im internationalen Vergleich kann man keinen Trend erkennen, der – in der härtesten und vergleichbarsten Zahl, der kumulativen Todeszahlen pro 100.000 Einwohner – zeigen würde, dass Länder die Lockdowns verhängt haben, bessser dastehen als andere. Frankreich etwa, das schon im 2. Lockdown ist, inklusive temporärer Ausgangssperren, stehen mit 89,6 Toten pro 100.000 Einwohner gar nicht gut da, genauso wenig wie Belgien (Platz 1 mit 160 Toten). Schweden, das Land in dem der liberale Kurs angeblich krachend gescheitert sein soll, liegt hingegen im Mittelfeld mit 79,1 Toten. Österreich ist schon im dritten harten Lockdown, inklusive Ausgangssperren, hat diese sogar früher ergriffen und steht trotzdem deutlich schlechter da als Deutschland.

Keine der vorliegenden Vergleichskurven zeigt bisher eine entscheidende Wirkung der neuen Maßnahmen. Weder bei den Toten:

Noch bei den Corona-Intensivpatienten:

Die Zahlen steigen also von den Maßnahmen weitestgehend unabhängig. Das ist auch logisch: Etwa den Einzelhandel oder die mit neuen Vorkehrungen gerüsteten Restaurants zu schließen, ist reine Symbolpolitik. Maximale Einschnitte, maximales Aufsehen bei minimalem Nutzen.

Doch auch wenn die Zahlen steigen, entwickelt sich bis heute keine Situation, die für uns insofern ein Extremszenario darstellte, als dass die Zahlen der letzten Jahre deutlich übertroffen würden. (Mehr dazu hier).
Die aktuell in Deutschland belegten 21.653 Intensivbetten liegen absolut im Durchschnitt der letzten Jahre, die Zahl der freien Intensivbetten ist im Vergleich zur letzten Woche sogar leicht gestiegen. Dazu kommt eine Notfallreserve von über 11.000 Betten.

Auch wenn man in die Landkreise schaut, ist keine Überlastung zu erkennen. Dass Krankenhausbetreiber aus wirtschaftlichen Gründen ohnehin immer das Ziel einer fast vollständigen Bettenauslastung haben, ist ein anderes Thema. Im Großteil Deutschlands spielt Corona auf den Intensivstationen noch keine entscheidende Rolle:

Während sich im Gesamten also keine Extremfälle realisieren und die Extremmaßnahmen die Epidemie nicht brechen können, gibt es zwei echte Probleme, die in der Warteschleife hängen und von denen der mediale Fokus immer wieder durch neue Panikattacken und Mega-Maßnahmen abgelenkt wird, und die daher schon einfach deshalb nicht angepackt werden: Während die Neuansteckungen bei den unter 80-Jährigen bereits seit Wochen weitestgehend stagnieren, gehen die Zahlen der über 85 und besonders der über 90-Jährigen durch die Decke. Etwa jedes 4. Pflegeheim in Deutschland ist von Covid-Ausbrüchen betroffen. In Berlin ist mehr als jeder zweite Corona-Tote Bewohner eines Pflegeheims. In Schleswig-Holstein sind es sogar fast 89 Prozent. Genau aus diesen Ansteckungen in den Hochrisikogruppen folgen die Toten und die Intensivpatienten.

Doch anstatt die Maßnahmen auf das eindeutig zentrale Problem zu fokussieren – die Pflegeinrichtungen zu schützen – und etwa Besucher per Schnelltest zu überprüfen, werden Maßnahmen eingeführt, die vor allem mitteljunge und junge Generationen betreffen – die selbst aber keiner wesentlichen Gefahr ausgesetzt sind. Unter 34 sind bisher in Deutschland insgesamt 59 Menschen an Corona gestorben.
Die Altersverteilung der Corona-Toten stellt sich so dar:

Das zweite Kernproblem liegt in den Krankenhäusern. Ja: Die Krankenhauskapazitäten schwinden. Aber warum? Weil die verfügbare Zahl der Intensivbetten immer schneller abnimmt, ohne dass die Intensivpatienten in dem Maße zunehmen.
Durch die zunehmend drastischen Quarantäne-Vorschriften, mutmaßlich auch durch psychische Faktoren, Arbeitsbelastung etc., fehlen immer mehr Pfleger, physisch vorhandene Intensivbetten sind deshalb nicht mehr einsetzbar. Und die Arbeitsbelastungen des restlichen Pflepersonals ist mit 24h-Stunden-Schichten etc. ohnehin schon an der Grenze.

Und so wird die Überlastung in den Krankenhäusern auch durch die Corona-Maßnahmen selbst nur noch verschärft. Dazu kommt die Drangsalierung des Personals mit neuen Hygiene- und Maskenvorschriften.

Es bleibt: Wir haben weitestgehend kein spezifisches Corona-Problem auf den Intensivstationen, sondern ein erhebliches und grundsätzliches Problem im Gesundheitswesen. Wer diesen langfristigen Problemen aber mit der kurzfristigen Brechstange zu Leibe rücken will, schadet mehr, als er nützt. Man sollte sich lieber die Frage stellen, ob dem Pflegepersonal nicht vielleicht eher durch bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne gedient wäre als durch die große PR-, nicht Solidaritäts-Aktion, bei der wir alle auf dem Sofa Netflix schauen und allenfalls mal auf dem Balkon klatschen.

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Kommentare ( 120 )

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Korner
3 Jahre her

Das Positive ist allerdings, dass primär die klassischen CDU Wähler sterben. Die Altersgruppe ist am stärksten vertreten.

Konrad Georg
3 Jahre her

Was soll das ganze Gerede?
Wir hatten nie eine Pandemie, für eine Epidemie hat es nie gereicht, weil wir es nie auf 5 % Erkrankte gebracht haben. Wir haben im schlimmsten Fall eine Endemie, mit der wir leben müssen. Wie mit der Grippe.
Die generelle Verlogenheit ist an den Begriffen Herdenimmunität (wo ist die denn hingekommen?), NEUinfektionen (waren die schon einmal getestet?), Inzidenzzahlen (wo sind die Erkrankten?) …
Leute,schaltet das Hirn ein. Das reicht.

cleverfrank
3 Jahre her

Der Knackpunkt schienen mir die Alten- und Pflegeheime zu sein. Warum dort nicht intensiv getestet wird, bleibt mir ein Rätsel. Statt dessen wird wie wild die restliche Bevölkerung getestet. Dieses mit einem PCR-Test, der nach eigenen Angaben und Schätzungen des Herstellers 50% Positiv-Ergebnisse liefert, die aber nicht infektiös sind (Quelle: Fuldaer-Zeitung vom 22.12.20). Warum daher der ct-Wert als Gradmesser der Infektiösität nicht standardisiert angegeben werden muß, bleibt weiterhin offen. Etwas , was Herr Streeck z.B., forderte, vor Kaltstellung. Gerade lese ich in der Welt, daß es einen Corona-Test einer deutschen Firma gibt, der durch selbst durchgeführten Nasenabstrich (Nicht Rachen !)… Mehr

Rachel
3 Jahre her

In meinem Bekanntenkreis gibt es 3 Leute um die 80, die Covid-19 hatten. Die Risikopatientin hatte mässige Symptome, ein gesunder Herr eine heftige Grippe, die zuhause auskuriert wurde, die Dritte nichts.
Auch in dem Alter ist die Erkrankung keineswegs ein Todesurteil, wie immer suggeriert wird.

MG42
3 Jahre her

Sehr geehrter Herr Türkis,
sehr glaubhaft Ihre Recherche,
hier ein Negativbeispiel von Der Welt:

https://www.welt.de/politik/ausland/article223060202/Grenzschliessung-nach-Grossbritannien-Europas-Mutanten-Chaos.html

Frohes Fest und Guten Rutsch

Bummi
3 Jahre her

In Anbetracht der Tatsache, dass ältere Menschen stark betroffen sind von Corona finde ich es richtig Kindergärten, Schulen, Unis zu reglementieren und zu schließen. Wir müssen antizyklische Maßnahmen ergreifen falls es einmal in 20 Jahren einen anderen Virus gibt der auch jüngere Menschen angreift. Gerade die jüngeren Menschen müssen mit der Weisheit unserer unvergleichbaren Führer Merkel, Söder, Kretschmar usw. vertraut gemacht werden. Und die paar Kollateralschäden in den Altersheimen durch die mangelhaften Maßnahmen sind doch tolerabel.

Augustusburg
3 Jahre her

Alles gar nicht so einfach in einem Transitland wie Deutschland. Nur eine Frage wäre wichtiger – wo sind die Schnelltests kostenlos für jedermann? Diese Kosten wären eine sichere Investition zur Rettung von Leben UND Wirtschaft. Seit September gibt es ja die Zulassung und 96% Genauigkeit für Erkennung und 99% Genauigkeit gegen Falsche Ergebnisse sind mir persönlich genug.

Jo Walter
3 Jahre her

Wir waren schon mal in den Top 7. Zwischenzeitlich auf 22.

Wolfgang M
3 Jahre her

Wir haben Meinungsfreiheit. Aber die Meinungen sollten basiert sein.
Deutschland hat mit seinem leichten Lockdown geschafft, die exponentielle Steigerung der Infektionen zu stoppen. Inzwischen sieht es so aus, als ob auch das nur vorübergehend war.
Frankreich hat mit seinem harten Lockdown geschafft, die Infektionszahlen um 30% zu senken. Diese sind immer noch sehr hoch, aber deswegen die Wirkung des harten Lockdowns zu bestreiten, geht zu weit.
Schweden ist mit seiner Bevölkerungsdichte eine Ausnahme. Dort gibt es automatisch weniger Kontakte. Deshalb konnte sich Schweden diese Großzügigkeit bisher leisten. Aber selbst Schweden fängt jetzt mit Einschränkungen an.

Linkskatholik
3 Jahre her
Antworten an  Wolfgang M

Da ist mein +1 ganz schnell wieder unter gegangen. Meine Zustimmung bleibt bestehen.

Augustusburg
3 Jahre her
Antworten an  Wolfgang M

Zustimmung! Wie wäre ein Interview mit einer Krankenschwester aus Aue oder Zittau? Ferndiagnosen werden ja schon zu häufig gestellt.

Jo Walter
3 Jahre her
Antworten an  Wolfgang M

Exponentiell war die Verbreitung von Corona nie. Allenfalls gab es so etwas wie eine Sinuskurve, die aber mehr mit der Anzahl der Testungen zusammenhing. Exponentiell wären wir schonnach wenigen Wochen mit 9 Milliarden durch gewesen. 2 – 4 – 16 – 256 – 65536…..
Die schwedischen Zahlen werden allerdings kontinuierlich besser, während unsere schlechter werden (Anzahl Tote im Verhältnis zu Positiven Schweden von 5,9 auf 2,2, Deutschland von 4,7 auf 1,5 und jetzt Richtung 1,8).

Linkskatholik
3 Jahre her
Antworten an  Jo Walter

Sinus, was gäbe es denn sonst noch so an Funktionen? Ihre Folge ist übrigens 2^(2^n), das ist mehr als rein exponentiell.
Vielleicht hilft ein kleines Erklärvideo.
https://www.youtube.com/watch?v=IlA4bpu88dY

E. Thielsch
3 Jahre her
Antworten an  Wolfgang M

Wenn Sie behaupten, eine Maßnahme hätte Erfolg, dann müssen Sie einen statistisch valider Vergleich beibringen.
Im Frühjahr zunm Beispiel endeten die Epidemie in allen Staaten Europas gleichzeitig und zwar als das Wetter wärmer wurde. Das kennen wir von der Influenza.

Und nun, im Herbst, stiegen die Zahlen in allen Ländern wieder, ganz unahängig davon wann und wie ein Lockdown verhängt wurde.

Sie erinnern an einen Homöopthen:
Wird es von allein besser, haben die Globuli geholfen
Bleibt die Krankheit bestehen, haben die Globuli schlimmeres verhütet
Und wird der Zustand schlechter, dann kam der Homöopath zu spät und die Schulmedizin ist schuld.

Linkskatholik
3 Jahre her
Antworten an  E. Thielsch

Hier beispielsweise eine Arbeit zum ersten Lockdown:
https://www.mpg.de/14648789/corona-epidemie-prognose
Es ist eine ermutigende Entwicklung, aber keine Entwarnung. Die Zahl der Corona-Infektionen wächst in Deutschland seit dem vergangenen Wochenende deutlich langsamer. „Wir sehen eine klare Wirkung der Kontaktsperre vom 22. März, und natürlich den Beitrag von jeder einzelnen Person“, sagt Viola Priesemann, die am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation eine Forschungsgruppe leitet. „Unsere Gesellschaft kann wirklich stolz darauf sein, dass sie diese Wende geschafft hat.“

Linkskatholik
3 Jahre her
Antworten an  Linkskatholik

Vergessen als Zitat zu kennzeichnen.

E. Thielsch
3 Jahre her
Antworten an  Wolfgang M

Die höchsten Infektionszahlen haben wir in Deutschland in ländlichen, dünnbesiedelten Räumen. Also müsste es Schweden Ihrer Meinung nach besonders schlecht gehen.
Es tut mir leid, aber Ihre Ausführungen sind unsinnig. Sie dürfen natürlich Ihre Meinung haben, aber, ich zitiere Sie „die Meinung sollte basiert sein“.
Daran müssen Sie noch arbeiten.

Wolfgang M
3 Jahre her
Antworten an  E. Thielsch

Das ist falsch. Die höchsten Zahlen gibt es in den Großstädten, angefangen in Berlin. Die geringsten Zahlen gibt es in Meck-Pomm.
Eigentlich ist es unbestritten, dass Kontakte die Infektionen unterstützen.

Last edited 3 Jahre her by Wolfgang M
Wolfgang M
3 Jahre her
Antworten an  E. Thielsch

Inzidenzzahlen:
Bayern 216, München 273
Bad-Würt 208, Stuttgart 307
Niedersachsen 114, Hannover 172
Es tut mir leid. Ihre Aussagen sind unsinnig.
Wie wäre es mit Fakten, Fakten, Fakten

E. Thielsch
3 Jahre her
Antworten an  Wolfgang M

Fakten, Fakten, Fakten…
Die höchsten Fallzahlen haben derzeit die Kreise
Bautzen, Sachsen602
Oberspreewald-Lausitz, Brandenburg 599
Altenburger Land, Thüringen 586
Zwickau, Sachsen 582
Regen, Bayern 576
Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Sachsen 567
Erzgebirgskreis, Sachsen516
Das ist tiefste Provinz!

Linkskatholik
3 Jahre her
Antworten an  Wolfgang M
  1. In der Biologie gibt es keine exponentiellen Krankheitsverläufe!“ ist mal wieder eine starke Behauptung, die so von Epidemiologen nicht geteilt wird.
  2. Im Sommer wurde von diesen sogenannten „Kritikern“ heftigst bestritten, es könne zu einer zweiten Welle kommen.
  3. Ein aktives Infektionsgeschehen ist nun einmal mit sich ändernden Zahlen verbunden- leider aber auch!
Tee Al
3 Jahre her