Von der CDU fordern SPD und Grüne in schrillen Tönen die „Brandmauer nach rechts“. Sie selbst halten sich auf kommunaler Ebene längst nicht mehr daran – und nehmen AfD-Stimmen gern, wenn es nützt.
Nachdem der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz im ZDF-Sommerinterview erst das Zusammenarbeits-Verbot mit der AfD auf die Landes- und Bundesebene begrenzen wollte, und wenige Tage dann mit der Beteuerung zurückruderte, selbstverständlich gelte das auch für die Kommunalpolitik, meinen die SPD und Grüne ein Kampagnenthema entdeckt zu haben. „Wir gehen keinen Millimeter nach rechts“, beteuert der SPD-Parteivorstand. Zwischen Sozialdemokraten und AfD werde es also nirgends eine Kooperation geben – selbst nicht im kleinsten Gemeinderat.
Die SPD ist das älteste Bündnis gegen Rechts. Kämpfe mit uns gegen den Rechtsruck und trete in die SPD ein pic.twitter.com/utbQW6t8s4
— SPD Parteivorstand ?? (@spdde) July 24, 2023
Bei der Behauptung handelt es sich um eine glatte Falschaussage. Denn die SPD kooperiert auf kommunaler Ebene längst mit den angeblich unberührbaren Rechteni. So wie übrigens auch die Grünen und sogar die Linkspartei. Sie sprechen nur öffentlich lieber nicht darüber. Im Stadtrat von Sassnitz auf Rügen etwa brachte die SPD gemeinsam mit der AfD schon 2019 mehrere Anträge auf den Weg, und sprach die Wahl von Ausschussvorsitzenden ab. Erst auf Druck der SPD-Landesführung beendete sie die Kooperation. Im thüringischen Hildburghausen betrieben SPD und AfD 2022 gemeinsam die Abwahl des Linkspartei-Bürgermeisters Thilo Kummer. Konsequenzen gegen die SPD-Stadträte – etwa Parteiausschlussverfahren – gab es nicht. Und im Stadtrat von Lübeck, beschwerte sich die CDU, habe die SPD im Januar 2023 mit AfD-Hilfe die Wahl des CDU–Kandidaten für das Amt des Bausenators verhindert.
Ebenfalls im Januar 2023 blieb die erste Beigeordnete von Blieskastel – eine Grünen-Politikerin – im Saarland nur mit AfD-Stimmen im Amt. Und schon 2021 gelangte der Linkspartei-Politiker Sören Benn nur mit Hilfe von AfD-Abgeordneten der Bezirksverordnetenversammlung ins Amt des Bezirksbürgermeisters. Weder trat die Grünen-Politikerin im Saarland zurück, noch nahm der Linkspartei-Mann in Pankow die Wahl nicht an. Auf kommunaler Ebene gilt längst: wenn es gerade passt, wird die Brandmauer zur AfD kurz einmal beiseite gerückt.
Dafür, dass die Zusammenarbeit mit der AfD in Dorf- und Stadtparlamenten längst funktioniert, gibt es mehre Gründe. Erstens besitzt die AfD gerade im Osten in etlichen Gemeindeparlamenten eine Stärke, die eine Isolation kaum möglich macht. Zweitens kennen in kleinen Orten die Gemeinderäte einander oft seit Jahren – das erleichtert Absprachen. Und bei den Abstimmungen geht es in der Regel um Dinge wie die Finanzierung von Feuerwehrhäusern, des Heimatvereins oder um den Busverkehr. Bei den Bürgern gäbe es kaum Verständnis dafür, wenn darüber entweder gar nicht abgestimmt würde, nur weil die AfD mitstimmt, oder wenn ein AfD-Antrag zu einer kommunalen Angelegenheit schon aus Prinzip abgelehnt würde.
Und drittens besitzen die Parteizentralen in der Landeshauptstadt und im fernen Berlin kaum Durchgriffsmöglichkeiten auf die unterste politische Ebene. Gemeinderäte kommen nicht über Listen ins Amt, die auf Parteitagen abgesegnet werden müssen. Kommunalpolitiker arbeiten meist ehrenamtlich gegen eine bescheidene Aufwandsentschädigung. Hier finden sich also so gut wie keine Politiker, die wirtschaftlich völlig von der Politik abhängen. Aus diesem Grund sind Parteien froh, in kleinen Gemeinden überhaupt Kandidaten für den Orts- oder Stadtrat zu finden. Anders als auf Landes- und Bundesebene verfügt der Parteiapparat also nicht über die sonst üblichen Druckmittel.
Deshalb rätseln politische Beobachter auch, warum Merz jetzt ohne Not versicherte, die CDU halte an der „Brandmauer“ zur AfD auch auf kommunaler Ebene fest, obwohl sie dort selbst auf der linken Seite längst nicht mehr existiert. Er besitzt als Parteivorsitzender gar nicht die Mittel, um Kooperationen von CDU-Kommunalpolitikern mit ihren AfD-Kollegen zu unterbinden. Jeder einzelne Fall selbst im kleinsten Dorf kratzt nach dem Hin und Her von Merz nun an seiner Autorität.
Das wittern auch die Merkel-Anhänger in der CDU. Im „Stern“ attackiert der gescheiterte saarländische Ex-Ministerpräsident Tobias Hans den Parteichef frontal, indem er Merz trotz dessen Versicherung unterstellt, er wolle eine Zusammenarbeit mit der AfD:
„Mir drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass es sich dabei um eine Strategie handelt, um den Versuch, einen neuen Sound in der CDU zu etablieren. Das ist der Abschied vom Kurs der Mitte, mit dem die CDU fast 20 jahrelang erfolgreich regiert hat.“
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CDU, SPD und Linke sind auch in kommunalen Vertretungen nicht immer einer Meinung, manchmal sind sie regelrecht verstritten. Da gibt es reichlich Entscheidungen, bei denen es ohne AfD Stimmen anders verlaufen wäre.
Gäste sind selten, aber die zahlreichen Gemeindevertreter, Kreistagsabgeordneten,Verwaltungsmitarbeiter und manchmal auch die lokale Presse reden mit noch mehr anderen darüber. Das ist die Realität. Kommt bei solchen Leuten wie herrn Hans aber nicht an. Da gucken die Herrschaften nicht so hin.
Die Aussage: „Die CDU hat 20 Jahre mit dem Kurs der Mitte regiert“, ist falsch! Die CDU wurde konsequent immer weiter aus der Mitte heraus, nach links geführt, auch wenn sie für den dummen Wähler immer behauptet hat, sie wären die Mitte. Der Wähler wurde bewußt von der Merkel CDU belogen!!!
Die Hetze gegen die erfolgreiche AfD nimmt bedrohliche Ausmaße an. Manipulierte Umfragewerte, aus der Luft gegriffene Vorwürfe und Falschbehauptungen, böse Unterstellungen, was die künftige Politik betrifft, sollen den Bürger verunsichern. Wie weit das Affentheater der links-grünen Putschisten geht, ist an Merz gerade gut zu beobachten. Schon der kleine Satz im Zusammenhang mit der AfD führt zur kollektiven Steinigung; auch wenn er nicht Jehova gesagt hat. Was wohl noch so alles veranstaltet wird, wenn die AfD bald die 25% Marke knackt, oder sich erdreistet, ganz offizielle an erster Stelle zu sein? Bei all dem Getöse wird gerne eins unterschlagen. Es ist… Mehr
Die Heuchelei der Altparteien in dieser Frage schadet Land und Leuten.
Diese Abgeordneten handeln nicht nach ihrem Treueeid.
Haben die alle kein Gedächtnis?
Genau diesselbe Nummer, bis in Wortgleichheiten hinein, lief in den 1990er Jahren mit der LINKEN/PDS/wieauchimmer.
„Brandmauer, keine Kooperation, keine Zusammenarbeit usw. usf.“ Die normative Kraft des Faktischen hat es erledigt, von unten nach oben innerhalb von etwa 20 Jahren. Hätte einer auch noch 2003 von einem MP der LINKEN erzählt, man hätte ihn ausgelacht.
Leider haben wir beim Zerstörungstempo der Grün-Roten keine 20 Jahre.
Sie arbeiten mit der AfD nicht wirklich zusammen, sie benutzen und nutzen die AfD aus. So wäre es richtiger. Denn Anträge der AfD, beisipielsweise vom vergangenen Jahr, darauf vertrauend, dass niemand mehr sich daran erinnert, werden von den linksgrün Verstrahlten aufgriffen und als ihre Ideen verkauft. Nicht, dass die meisten Menschen das auch so machen im Alltag, aber als Politdarsteller, als Partei sollte man etwas mehr auf dem Kasten haben als geistiges Eigentum anderer zu stehlen. Aber wenn Lebensläufe, Doktorarbeiten plagiiert werden, warum nicht auch Gesetzesvorlagen der bösen AfD, Anträge der AfD, vor allem, weil sie durchdacht sind, von Menschen… Mehr
Mauern sind keine Dauerlösungen. Gerade in Berlin suchten die SPD und die Grünen die Zusammenarbeit mit den roten Socken aus der DDR zur Mehrheitsbeschaffung schon sehr schnell nach dem DDR-Beitritt. Ich habe damals sogar in Ostberlin, in einem Ehrenamt, mit einem Bezirksstadtrat, der als Mitglied der Westberliner SED dazu nominiert worden ist, zu tun bekommen. Mit einem Mann also, der jahrelang in einer Partei Funktionen hatte, die ohne irgendeinen Zwang die DDR Diktatur unterstützte und auch von der DDR mit harten Devisen finanziert wurde. Der es auch egal war, ob dafür Kinder in der DDR auf Apfelsinen und Bananen verzichten… Mehr
Wie deutete Sachsens Kretschmer an, es geht um die Posten, um die man mit der AfD konkurrieren müsste. Tadaaa! Ja, wie sonst kann man als Nichtskönner, ohne Abschluss auf Bundes- und Landespfründen zu Geld kommen. Kommunalpolitik? Damit verdient man nicht’s weiter. Wenn dann tatsächlich die Wahl bestünde, eine AfDler mit mehrjähriger, erfolgreicher Berufserfahrung, abgeschlossener Ausbildung respective. bspw im Mittelstandsbereich, gegen einen 23jährigen Politologie-Studienabbrecher und TikTok-Dampfplauderer zu wählen, jaa, was machen die Leut’ ohne Framing und unter Einhaltung des Neutralitätsgebotes! Noch Fragen?
Die CDU unter Merz hat wohl nicht verstanden, dass sie die nächsten “Nahzies” per linker Definition sein werden. Es klingt bereits in einigen Aussagen an! Von daher sollten sie, falls das möglich ist, die Merkelianer von Bord schicken, den Tobias Hans zuallererst, und sich überlegen, was konservativ bedeutet und welche Parteidenker es schon mal gab. Merkel ist davon auszuschließen, im Gegenteil sollte man mal vorsichtig bei den Amerikanern nachfragen, ob die was Interessantes wüssten, Rosenholz-Dateien.
Tobias Hans ist doch derjenige der noch nie eine Wahl gewinnen konnte? Was will dieser Clown aus dem Saarland (das hat übrigens weniger Einwohner als die Stadt München und ist daher im Grunde vollkommen irrelevant) eigentlich erreichen? Vermutlich mal wieder in der Zeitung stehen.
Danke für den Lacher am Abend!
Also hier kann ich mich Ihnen nur anschließen -von wegen: „der Abschied vom Kurs der Mitte, mit dem die CDU fast 20 jahrelang erfolgreich regiert hat“.
Ich habe dieses Zitat tatsächlich mehrmals lesen müssen, weil ich bei jeden lesen erneut gedacht hatte das ich mich wiederum verlesen hätte.
Dass müßte mir also wirklich mal jemand erklären wo, wann und wie „die CDU fast 20 jahrelang erfolgreich regiert“ haben und was bei der vergrünten und immer woker werdende Merkel-CDU der „Kurz der Mitte“ gewesen sein soll ?
Oder waren diese Worte nur sarkastisch gemeint?