Lauterbach und RKI: Schon wieder Verzerrung und Falschinterpretation

In nur wenigen Tagen kommen zwei neue Fälle ans Licht: Erst retuschiert das RKI die Impfeffektivität - dann twittert Lauterbach eine Studie mit einem Kommentar, der durch den Inhalt der Studie nicht wirklich gedeckt ist.

IMAGO / Chris Emil Janßen

Karl Lauterbach twittert zu einer Studie, nach eigener Aussage liest er diese stets sehr genau. Er bezieht sich dieses Mal auf das Preprint einer amerikanischen Studie, die die Veränderung der Lebenserwartung zwischen 2019 und 2021 (also im Zeitraum der Corona-Pandemie) in 20 Industriestaaten untersucht.
Lauterbach kommentiert die Studie wie folgt: „Diese amerikanische Studie zur Entwicklung der Lebenserwartung während der Covid-Pandemie zeigt, dass Deutschland im Vergleich zu vielen Industrieländern bisher eine geringere Senkung der Lebenserwartung hatte. Die Solidarität der Bürger hat dies erreicht.“

Lauterbachs Interpretation ist allerdings eine sehr eigenwillige. Deutschland ist eines der Länder in der Studie, bei dem die Lebenserwartung sowohl von 2019 auf 2020 als auch von 2020 auf 2021 gesunken ist – in vielen anderen Staaten ist sie zumindest auf 2021 wieder angestiegen. Bei der Veränderung beider Jahre zusammengerechnet liegt Deutschland alles andere als weit vorne.

U.a. Frankreich, Belgien, Portugal und Spanien haben eine geringere Absenkung der Lebenserwartung als Deutschland. In der Schweiz, in Schweden, in Dänemark, Norwegen und Finnland stieg die Lebenserwartung in diesen zwei Jahren insgesamt sogar an. Ein direkter Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen ist dabei nicht zu erkennen. Schweden etwa hat mit seiner extrem liberalen Corona-Politik den zweitbesten Wert überhaupt.

Die Schlussfolgerung, Deutschland habe verglichen „zu vielen“ Insustriestaaten eine geringe Absenkung der Lebenserwartung verzeichnet, stimmt zwar formal. Dies als wesentliche Aussage aus diese Studie zu ziehen und in Relation zur Corona-Verhaltensweise zu setzen, ist allerdings wohl mindestens irreführend.

Der Politiker Martin Hagen vom Koalitionspartner FDP twittert dazu: „Haben Sie die Studie gelesen? Zumindest überflogen? Sie zeigt das Gegenteil: Anders als in den meisten Ländern ist die Lebenserwartung in Deutschland gesunken. In Ländern wie Schweden oder der Schweiz ist sie gestiegen.“

Zahlreiche andere Nutzer werfen Lauterbach gar Fake News vor.

— Dr. Gerhard Scheuch (@DrScheuch) April 14, 2022

Daten, die nicht sein dürfen

Doch es ist nicht der einzige Fall dieser Art aus dem Gesundheitsministerium in jüngster Zeit. Erst vor wenigen Tagen hat das Robert-Koch-Institut einen sehr eigenwilligen Umgang mit Corona-Daten gewählt.

Im letzten Wochenbericht des RKIs fällt auf, dass die Impfeffektivität bei den 5- bis 11-Jährigen bei exakt 0 Prozent angegeben wird. Ein Twitter-Nutzer entdeckte dazu den Hinweis des RKIs: „Bei niedriger Effektivität kann es insbesondere bei niedrigen Fallzahlen zur Berechnung von negativen Werten kommen, diese werden mit 0 ausgewiesen.“

Die tatsächlich gemessene, negative Impfeffektivität wird also einfach auf 0 retuschiert.

Eine negative Impfeffektivität sei nämlich gar nicht möglich, heißt es. Die gemessene Wirkung der Impfung würde aufgrund der geringen Impfzahlen in der Altersgruppe verzerrt werden. Es heißt: „Ein negativer Schätzwert bedeutet nicht, dass die Impfung an sich das Risiko, zu erkranken, erhöht.“

Obwohl die Statistik also offensichtliche Mängel haben soll, weist das RKI diese Daten dennoch aus – und macht die Werte passend. Dabei ist eine negative Impfeffektivität in manchen Altersgruppen gar nicht ausgeschlossen – auch aus dem europäischen Ausland gab es immer wieder Daten, die einen solchen Effekt in bestimmten Altersgruppen zumindest möglich erscheinen lassen.
Damit müsste man sich auseinandersetzen. Doch das RKI dreht sich seine Daten einfach zu recht. Es bleibt die Frage, warum das RKI solche Statistiken überhaupt ausweist, wenn sie nicht aussagekräftig sein sollen.

Und natürlich ist das auch nicht der erste Vorfall dieser Art.

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