Wie Lauterbach nun eine „drakonische Maßnahme“ verurteilt, die er früher unterstützte

Die Corona-Aufarbeitung braucht den Blick in Archive. Ansonsten fällt es leicht, die Geschichte umzudeuten. Der Bundesgesundheitsminister demonstriert beim ZDF, wie leicht das geht.

IMAGO / Chris Emil Janßen

In der Corona-Aufarbeitung gibt es neuerdings eine sehr spezielle Methode der Vergangenheitsbetrachtung: Im Rückblick geißelt ein Verantwortlicher eine bestimmte Maßnahme als überzogen und unbegründet – erwähnt dabei aber nicht, dass es sich um eine Maßnahme handelt, die er früher vehement unterstützte.
So praktiziert von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am 1. Februar 2023 im ZDF-heute-Journal: Da erklärt der SPD-Politiker, es habe auch Maßnahmen gegeben, „die überzogen waren“. Als Beispiel nennt er die Ausgangssperren, „drakonische Maßnahmen, die waren aber auch sehr umstritten und nie durch Studien gut gedeckt“.

In Lauterbachs ZDF-Auftritt am 5. Mai 2021 zum gleichen Thema hörte sich das allerdings fundamental anders an. Damals erklärte er, als das Bundesverfassungsgericht diese und andere Corona-Maßnahmen gerade als unbedenklich durchgewinkt hatte: „Die Ausgangssperre funktioniert, und sie wird auch dringend benötigt. Wir haben uns das sehr gut überlegt und gut begründet.“ Und weiter: Hätte das Bundesverfassungsgericht die Ausganssperre damals verworfen, „dann wäre das eine mittlere Katastrophe für unsere Politik gewesen“.
In seinem Auftritt am 1. Februar beim ZDF tat Lauterbach außerdem so, als sei die Ausgangssperre („drakonische Maßnahme“) eine bayerische Spezialität gewesen. Tatsächlich gab es sie auch in anderen Bundesländern, etwa in Hamburg.
Der Blogger Argo Nerd stellte auf Twitter beide Lauterbach-Auftritte nebeneinander.

Die ZDF-Frontfrau hätte einfach ins hauseigene Archiv schauen können – Fragen würden sich dann von selbst ergeben.

Das unterließ sie allerdings. Glück für Lauterbach.


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Kommentare ( 32 )

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Regenpfeifer
1 Jahr her

Lauterbach hätte auch damals in den Wendezeiten anno ’49 und ’89 eine steile Karriere hingelegt: Erst den Populismus bedienen, dann sich selbst maßlos überschätzen -und dann nach dem Zusammenbruch ganz schnell den Wendehals geben und Vergangenes leugnen, um schön aalglatt weiter mitmischen zu können.
Das wirklich Traurige an der Sache sind nicht so Typen wie Lauterbach: Solche Art Menschen hat es immer schon gegeben. Nein, traurig ist, dass die Bürger Leute wie ihn damit immer wieder durchkommen lassen.

alter weisser Mann
1 Jahr her

Dass Lauterbach als Person und Politiker nichts taugt, ist schon längst klar. Warum zeigt er es doch immer wieder so deutlich?
Weil er eben nicht anders kann.

U.M.
1 Jahr her

Warum sehen so wenige die Widersprüchlichkeiten in den Aussagen vieler Politiker? Oder wollen sie diese gar nicht sehen! Wer die Coronamaßnahmen von Anfang an verfolgt hat, der hätte es sofort merken müssen. Seien es die Masken gewesen, die lt. Drosten zuerst überhaupt nicht wirksam waren, dann selbstgestrickte ausreichten bis schlussendlich die FFP2 Masken das Nonplusultra waren. Und viele andere Beispiele mehr.

elly
1 Jahr her

„drakonischen Maßnahmen“ waren einigen, beratenden WissenschaflterInnen noch immer zu wenig.
Ich frage mich, wie fühlen sich heute z.B. JugendamtsmitarbeiterInnen, die Eltern mit Kindesentzug drohten, sollen diese ihre Kinder nicht isolieren? Es gab sogar mal die Idee in einer psychiatrischen Klinik Kinder unterzubringen, die ihren Eltern entrissen wurden.
Selbst wenn jetzt alle noch so absurden Fordderungen, Vorstellunge, Maßnahmen veröffentlicht würden, befürchte ich, dass die meisten nie darüber nachdenken, was sie einmal verbrochen hatten. Das typisch Deutsche „hab ich nicht gewusst, hab ich nicht gewollt … greift auch hier.

EddyNova3122
1 Jahr her

Vor Beginn des Virus Staatsterror im März 2020 war ich der Überzeugung Freiheitsbeschränkungen dürften „staatlich“ verordnet nie mehr als Ultima Ratio sein – die letzte Möglichkeit nachdem sich herausgestellt hat dass niederschwellige Freiheitsbeschränkungen nicht möglich sind. Ein Irrtum: zwischen 20.März 2020 und 1.Februar 2023 wurde die Frage Ultima Ratio oder nicht nahezu komplett ignoriert und staatsterroristische Schandsysteme wurden zur Durchsetzung des Unrecht installiert. Wahrscheinlich werde ich mein Restleben nie wieder jemanden hassfrei gegenübertreten können der ein Hoheitszeichen der BRDDR 1998 2.0 trägt. Manch einer mag das anders sehen – bei mir ist es aber so ,geschuldet dem „Open end“ Faktor… Mehr

Fabian Hoffmann
1 Jahr her

Ich stimme Ihnen zu. Aber ich glaube, wir können uns darauf verlassen, dass viele kritische Bürger die wichtigsten Beweismittel in Form von Screenshots auf ihren Smartphones und Rechnern haben. Und es gibt ja mindestens eine Webseite („Wir haben mitgemacht“), die diese veröffentlicht. Das ist nicht nur nützlich für die Überführung der Verantwortlichen, es kann auch für spätere Klagen wichtig werden. Ist eine reine Organisationsaufgabe.

Maja Schneider
1 Jahr her

Es ist einfach nur erbärmlich, wie sich die Verantwortlichen, ganz nebenbei bemerkt nicht nur die Politiker und sie umgebenden Wissenschaftler sondern auch der ausgrenzende ehemalige Freund oder Nachbar, der Geschäftsmann oder Unternehmer etc. etc,, alle versuchen, ihr eigenes Versagen schnell vergessen zu machen oder zu relativieren. Sie setzen dabei auf das Vergessen der Opfer und Betroffenen, sie werden nicht vergessen und werden alles daran setzen, für eine Aufarbeitung zu kämpfen, im Kleinen wie im Großen.

elly
1 Jahr her
Antworten an  Maja Schneider

 Sie setzen dabei auf das Vergessen der Opfer und Betroffenen, “ mit Recht. Was war das für ein Bohei, weil der hiesige Wirt Einlasskontrolle akribisch durchführte. Ich bin nicht zu dem Wirt und gehe bis heute nicht mehr dahin. Allerdings habe ich in meinem Bekantenkreis Ungeimpfte, die laut tönten „der sieht mich nie wieder“ und die sitzen jetzt beim Wirt. Darauf angesprochen, gibts ein Achselzucken „was willst machen“.

verblichene Rose
1 Jahr her

Gerade gesehen: Krebsvorsorge. Forscher „forschen“ an einer Therapie mit -raten Sie- RICHTIG: mit mRNA-Wirkstoffen und das ohne Erwähnung, dass uns bis vor kurzem noch mit dieser Plörre gedroht wurde…! Aber es ist natürlich ein Schelm, wer sich dabei denkt, dass die vergangene Gentherapie gegen eine Grippe nicht der Feldversuch für den eigentlichen Zweck dieses Gifts war. An mRNA-Stoffen wurde allerdings schon weit VOR Corona geforscht, was im ZDF-Heutejournal natürlich wohl nur vergessen wurde zu erwähnen! Nun, lügen bedeutet nicht nur, nicht die Wahrheit zu sagen, sondern auch das Weglassen von wichtigen Informationen kommt der Lüge gleich! Wie nennt man so… Mehr

Riffelblech
1 Jahr her

Einen einzigen Beitrag zu bester Sendezeit von ARD und ZDF in einer Diskussionsrunde mit ausgewogener Besetzung der Kritiker ,Querdenker und kritischen Medizinern und dann Lauterbach und Drosten und die Geschichte wäre gelaufen .
KL und Gesinnungsgenossen bekommen doch kein Bein auf den Boden ,haben nichts zu bieten als unendlichen Blödsinn ,die Gegenseite hatte von Anfang an Recht .
Man wird doch mal träumen dürfen .

Robert Tiel
1 Jahr her

Michael Ballweg, der aufgrund der Coronamaßnahmen die Querdenker gründete, sitzt mW seit Sommer 22 in U-Haft. Ihm wird Betrug oder so vorgeworfen.
Gleichzeitig laufen Messerstecher wie der von Brokstedt frei rum.
Finde den Fehler.