Justiz- und Frauenministerin Lambrecht will ohne G-Stern gendern

Nun also doch keine Gender-Sterne, -Doppelpunkte oder sonstige Gender-Sonderzeichen in deutschen Behörden? Man freue sich nicht zu früh! Denn auf Spracheingriffe einfach verzichten will Justizministerin Christine Lambrecht keineswegs.

IMAGO / Political-Moments

Doppel-, ja eigentlich Sechsfach-Ministerin Christine Lambrecht (56, SPD) hat sich ins Gespräch gebracht. Klar, sie ist Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz und seit Ende Mai 2021 – in Vertretung der zurückgetretenen Franziska Giffey (SPD) – auch Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (frei nach Gerhard Schröder: Gedöns-Ministerin). Bei so viel fachlicher Breite wird eine „Ampel“ kaum an ihr als Ministerin vorbeikommen, ist die Zahl der echten oder vermeintlichen „Köpfe“ in SPD, FDP und Grünen doch ziemlich überschaubar.

Nun hat sich Lambrecht in einer Empfehlung an Ministerien, Kanzleramt, alle obersten Bundesbehörden, Bundesgerichte und Stiftungen des Öffentlichen Rechts des Bundes (nicht an den Bundestag als Gesetzgeber und nicht an den Bundespräsidenten) gewandt und darin gegen alle Gender-Sonderzeichen ausgesprochen, also gegen die folgenden Schreibungen: Bürger*innen, Bürger:innen, Bürger_innen, BürgerInnen, Bürger/innen. Diese Varianten seien, so Lambrecht, rechtswidrig. Außerdem sei nicht sichergestellt, dass diese Schreibweisen „allgemein verständlich sind“.

Aber man freue sich nicht zu früh! So ganz ohne (pseudofeministische) Sprachmanipulation will Lambrecht dann doch nicht auskommen. Sie will, dass man auf das seit Jahrhunderten gebräuchliche generische Maskulinum („die Bürger“) verzichtet, wenn auch eine weibliche Form existiere – wie zum Beispiel bei „Kunde und Kundin“. Ausgenommen seien nur juristische oder abstrakte Personen wie „Arbeitgeber“.

Für zusammengesetzte Wörter regt Lambrechts Ministerium einen „pragmatischen Umgang“ an. „Ministerpräsidentenkonferenz“ sei in Ordnung, aber wenn – wie zuletzt sattsam bei „Corona“-Gipfeln praktiziert – noch mehr ganz wichtige Leute zusammensitzen, soll es heißen: „Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder“. 

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Ansonsten will Lambrecht möglichst neutrale Begriffe verwendet wissen. Also zum Beispiel „Teilnahmeliste“ statt „Teilnehmerliste“ oder einfach nur Pflegekraft, Belegschaft, Lehrkraft usw. Wenn das nicht „gehe“, empfiehlt Lambrechts Ministerium die „Beidnennung“. Aufhorchen freilich lässt eine weitere Empfehlung Lambrechts. Man höre und staune: Gehe es um Gruppen gemischter sexueller Identität, sei die ausschließliche Nennung von weiblicher und männlicher Form „grundsätzlich annehmbar“, da der Anteil anderer Personen „sehr gering ist“. Wenn das deren Lobby spitzkriegt! Bei Stellenausschreibungen wird freilich die Nutzung der Abkürzung (m/w/d) eingefordert.

Naja, ist man geneigt zu fragen, hat Frau Lambrecht etwa ihr Paulus-Erlebnis gehabt? 

Im Oktober 2020 hatte sie in einem Gesetzentwurf ihres Justizministeriums zum Insolvenzrecht (wörtlich: „Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz“) ausschließlich (!) die weibliche Form für natürliche und juristische Personen verwendet, zum Beispiel Arbeitnehmerinnen, Geschäftsführerinnen, Schuldnerinnen oder Verbraucherinnen. Erst als Seehofers Innenministerium Widerspruch einlegte, ruderte sie zurück, sodass das Gesetz „männlich“ ab dem 13.Oktober durchs Kabinett und den Bundestag ging. Es war immerhin ein Lambrecht’scher Testballon. Aber ist die Gesetzgebung eine Spielwiese oder ein Labor für sprachlichen Unsinn? Oder ein Gesetz nur für Frauen? Ein Sprecher des Justizministeriums jedenfalls meinte damals, es gehe im Gesetzentwurf überwiegend um Gesellschaften, also etwa GmbHs oder Aktiengesellschaften, deren grammatisches Geschlecht weiblich sei. Aha, das war mal wieder eine „Argumentation“ von hinten durch den Rücken ins Auge.

Wegweiser durch den Gendersprech-Dschungel
Verliert die Sprache ihre Bedeutung, verlieren die Menschen ihre Freiheit
„Schau‘ma mal, dann wea‘mas scho seng!“ (Mit Google-Translater für Bewohner:/_*Innen nördlich der Donau übersetzt: „Schauen wir einmal, dann werden wir es schon sehen!“) Man darf jedenfalls gespannt sein, was uns die „Ampel“ (oder womöglich auch „Jamaika“) da noch alles an Spielchen einbringt. Die Grün:/_*Innen sind jedenfalls schon ganz heiß auf‘s Gendern. Ihre Frontfrau Baerbock erklärte Anfang August 2021, sie werde sich in einer neuen Bundesregierung (mit ihr vermutlich als führende „Völkerrechtler:/_*In“) für gendergerechte Gesetzestexte einsetzen. Wobei „die Texte“ übrigens das generische Plural-Maskulinum von „der“ Text ist. Aber die Grün:/_*Innen haben ja auch schon fleißig geübt. In ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl „Deutschland. Alles ist drin“ finden wir auf 272 Seiten 591 Gender-Sternchen. Man könnte glatt meinen, das war hinterhältige Absicht, denn wer schmeißt ein solches „Programm“ bei der Lektüre nicht nach dem zehnten Genderstern weg? Und nachher kann die Partei sagen: Ihr hättet es ja wissen können.

So, nun harren wir eines Ampel-Koalitionsvertrages: Wie lang wird er sein, wie viel Genderei wird er uns, um uns von der Lektüre abzuhalten, zumuten?


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Kommentare ( 39 )

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AlexR
3 Jahre her

Ganz einfach: ich schreibe so, wie ich das gelernt habe. In den sechziger Jahren des letzten Jahrtausends. Ende und aus.

Dieser Gender-Schwachsinn ist Schwachsinn. Und zwar hochgradig. Weil wir in diesem Land seit Merkel keine anderen Probleme mehr haben.

Wolfsohn
3 Jahre her

„Sie will, dass man auf das seit Jahrhunderten gebräuchliche generische Maskulinum („die Bürger“) verzichtet, wenn auch eine weibliche Form existiere“

Aber Frau Lambrecht, das mache ich schon: Alle negativ konnotierten Begriffe werden in der weiblichen Form gebraucht: Lügnerin, Aufschneiderin, Betrügerin, Politikerin, Versagerin usw. – die positiven dagegen in der männlichen Form: Polizist, Richter, Handwerker, Hausmeister usw.
Ah – sie glauben, das würde ein schlechtes Licht auf die holde Weiblichkeit werfen? Tja – wie ausgerechnet SIE darauf auch kommen…..

Roland Mueller
3 Jahre her

Niemand hat mehr das Recht, sich über religiöse Spinner und andere Irre im Mittelalter lustig zu machen, weil wir auf dem Weg zum Mittelalter hoch zwei sind.

Roland Mueller
3 Jahre her

Ein Land, da solche Probleme hat und Politiker hat, die in so einem Nonsens ihren Lebensinhalt sehen, muss rund herum glücklich sein.

Tee Al
3 Jahre her

Also nochmal ein kompletter Regelkatalog mit Regeln, Ausnahmen, Teilausnahmen als Resultat.
Wie sagte meine Schwägerin mal so schön treffend?

Deutsch lernen? Dazu ist mein Leben zu kurz

Stimmt schon.

Karl Martell74
3 Jahre her

Prophet – danke. Genauso sehe und handhabe ich das auch …!

Wolodja P.
3 Jahre her

Ellenlange Sätze finden Sie auch in anderen Sprachen zuhauf. Cäsar z.B. fängt seinen Gallischen Krieg gleich mit einem solchen an.
Nebenbei: Ich erinnere mich, dass Sir John Keegan in seinem Buch über den amerikanischen Bürgerkrieg zwischen zwei Punkten immer mindestens zehn Druckzeilen Fließtext unterzubringen verstand. Dieser unsägliche Littel (Les Bienveillantes, verrissen von Iris Radisch) schaffte es sogar, einen einzigen Satz über zwei Druckseiten quälend in die Länge zu ziehen.
Was sie im nicht-deutschsprachigen Ausland aber alle nicht können: Den ‚Straßenbahnrillenschienenreinigungstruppführer‘ übersetzt in einem einzigen Wort wiederzugeben.

Last edited 3 Jahre her by Wolodja P.
peer stevens
3 Jahre her

…guter Vorschlag…
eine gute Methode den von offiziellen Stellen eingefuehrten <Unsinn> zu neutralisieren
…und das alles ohne in die Nahe der „teuflichen“ Diskriminierung zu kommen

Wolodja P.
3 Jahre her

https://addons.cdn.mozilla.net/user-media/addon_icons/6/6822-64.png?modified=1597779988

Binnen-I be gone
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Egon Rudel
3 Jahre her

Übrigens: Apple gendert jetzt auch. Seit ios15 gendert das iPhone. Auch der Mac wird demnächst gendern. Auch in anderen Ländern und Sprachen wird schon gegendert. Das ist also kein deutsches Phänomen.