Wenn Medien sich streiten, staunt die Öffentlichkeit. Denn die Branche der Veröffentlicher hängt jede ihrer Nichtigkeiten hoch, höher, am höchsten.
Die größte Show mit kleinstem Inhalt bietet in diesen Tagen das Magazin DER SPIEGEL, unbestritten eine der besten Zeitschriften. Verlagsgeschäftsführer Ove Saffe und Chefredakteur Wolfgang Büchner auf der einen, die Redaktion auf der anderen Seite, streiten sich bis auf’s Messer um die Frage: Dürfen Ressortleiter der Zeitschrift auch die inhaltsgleichen Ressorts auf Online leiten und umgekehrt? Der Chefredakteur will diese Verzahnung, Print kämpft dagegen. Ist das wirklich wichtig?
Die Frage ist ungefähr so weltbewegend wie die Frage: Darf ein Mercedes-Ingenieur die Handbremse für S-Klasse und A-Klasse konstruieren oder braucht jede Autoklasse einen eigenen Handbremsenkonstrukteur? Darf, wer für Hugo Boss graue Anzüge gestaltet, auch schwarze designen?
Oder schlimmer noch: Muss man über die Abschaffung der Kugelkopf-Schreibmaschine wirklich noch streiten, Leute? Über die oft seltsame Verfassung der verdienstvollsten Köpfe unserer Branche hat Thomas Knüwer nachdenkenswertes geschrieben.
Übrigens: Bei der WirtschaftsWoche sind die Ressortleiter bereits seit fünf Jahren für beide Produkte verantwortlich – WiWo-Online ist seither sensationell gewachsen, Print hat seinen Inhalts-Ruf gesteigert. Es hat also keinem geschadet, über den Tellerrand zu blicken.
Im Gegenteil. Alteingesessene Printredakteure werden durch das schnelle Online-Geschäft auf Trab gebracht. Der Wochenrhythmus verführt dazu, dass man eine Geschichte weiterverfolgt, nur weil sie im Redaktionsplan steht und das im übrigen der eigenen Bequemlichkeit dient, auch wenn diese Geschichte längst überholt ist. Umgekehrt ist es gut für die meist noch jüngere Online-Redaktion, wenn sie von der Erfahrung der Druckredakteure direkt profitieren.
Die Gefahr liegt nicht darin, dass Print zu Online verkommt – eher dass Online durch Print gelähmt wird. Online ist ein technisch neues Medium, das sein Formen erst erleben und erarbeiten muss. Print verfügt über einen Fundus erprobter Stilformen, über Erfahrungswissen, wie es geht und was man besser lässt. Online experimentiert, spielt, übt, lernt noch. Das droht abgewürgt zu werden, wenn Redakteure das Sagen haben, die schon wissen, wie es geht – leider ist halt Online nicht Print. Deshalb kann zu viel Print-Know-How eher lähmen, statt befeuern. Das kann man aber ausbalancieren – durch Onliner in der Printproduktion, durch bewusste Steuerung.
Aber eines geht nicht mehr: Die Zwei-Klassengesellschaft, wie sie beim SPIEGEL herrscht: Printredakteure kommen mit dem Porsche, Online per Fahrrad, aber nicht aus freier Entscheidung, sondern wegen der völlig unterschiedlichen Bezahlung.
Und darin steckt vermutlich der Kern des Konflikts: Print will die Profite mit dem Investitionsbereich Online nicht teilen. Das ist kurzfristig verständlich, langfristig falsch. Wenn es so bleibt, muss Online nicht nur bei den Gehältern weiter darben, sondern bald auch noch die Bestattungskosten für Print übernehmen.
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