Die Steuersenkung kompensiert allenfalls die erhöhten Preise

130 Milliarden Euro für die Konjunktur, das klingt viel. Die Mehrwertsteuern sollen für sechs Monate sinken. Das soll Kunden motivieren und den Konsum ankurbeln. Doch es ist mal wieder eine Milchmädchen-Rechnung von Angela Merkels Bundesregierung.

imago/photothek

Ein vermeintlich tolles Programm der Steuersenkung präsentiert Kanzlerin Merkels Koalition: Drei Prozent niedriger soll die Mehrwertsteuer sein für nur sechs Monate, ebenso im ermäßigten Satz um zwei Prozent niedriger für Grundnahrungsmittel, Presseerzeugnisse und Übernachtungen.

„Mit Wumms aus der Krise“, nennt das Bundeskassenwart Olaf Scholz von der SPD. Er hatte bereits im März mit der Bazooka um sich geballert: Finanzhilfen, Kredite, Kurzarbeitergeld und noch vieles mehr für weit über 100 Milliarden – so genau weiß es keiner.

Dieses halbe Jahr mit befristeten Nachlässen wird jetzt vom staatlichen Rundfunk als „größte Steuersenkung der letzten Jahrzehnte“ gefeiert. Lebenserfahrung und Nachdenken ist eben keine Stärke der öffentlich-rechtlichen Massenmedien. Viel spricht dafür, dass das Programm die Bürger eher hinter die Fichte führen will.

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Erstens Lebenserfahrung: Wer rennt ab Juli in die Geschäfte, um bei 100 oder 1.000 Euro drei oder 30 Euro zu sparen? Wo Einkaufen mit Maske derzeit ohnehin kein Spaß macht. Deswegen wird vorerst nur das Notwendigste angeschafft, daran ändern die befristet gesenkten Prozentpünktchen nur wenig. Ohnehin sind die Preise in vielen Bereichen bereits deutlich gestiegen, vor allem bei Nahrungsmitteln – siehe Grafik unten.

Corona treibt die Preise: Ein Kilo Paprika für fünf, sechs Euro (plus 50 %) gilt inzwischen als normal. So stieg der Preisindex für die bunten Schoten von Januar bis April von 92,6 auf 130,8. Selbst die Spritpreise steigen nach einer Flaute fast wieder auf alte Höhen. Super kostet im Schnitt wieder über 1,25 Euro pro Liter und nicht mehr verträumte 1,10 Euro wie vor Wochen. Dienstleister erheben Corona-Zuschläge für vorgeschriebene, teure Hygienemaßnahmen. Friseure, Kosmetikstudios, Gaststätten, Hotels u.a. reichen diese Kosten in der Regel an die Kunden weiter. Die Preise steigen und sinken nicht. Sie werden wohl auch auf dieser Höhe bleiben. Mehr noch: Wirtschaftsexperten rechnen mittelfristig mit einer Inflation.

Nur ein Beispiel: Kostete eine klassische Fußpflege in einem Berliner Kosmetikstudio vor Corona 29 Euro, sind jetzt 32 Euro fällig. Merkels drei Prozent Nachlass macht ab Juli jedoch nur 96 Cent aus. Die Dienstleister werden diese Prozente wohl kaum an ihre Gäste weitergeben. Der Kunde zahlt also weiter drauf. Was sollte ihn jetzt dazu bringen, den Konsum anzukurbeln?

Das Leben wird deutlich teurer

Zweitens Nachdenken: Ab Januar 2021 werden nach einem kurzen Senkungs-Intermezzo dann die Steuern wieder automatisch erhöht, und nicht nur das: Hinzu kommt noch die bereits beschlossene Verteuerung des gesamten Lebens durch deutlich höhere Energiepreise für Sprit, Heizöl, Gas und Strom.

Laut einer Studie steigen die Strompreise auch mit gebremster Ökostrom-Umlage, wie jetzt vereinbart, ab 2021 weiter: Ein Durchschnittshaushalt mit einem Verbrauch von 3.000 Kilowattstunden würde dann 50 Euro mehr im Jahr zahlen müssen. Die höheren Energiepreise müssen dann alle Verbraucher bei ihren Einkäufen mitbezahlen. Das könnte die kleine Konjunktur, wenn sie kommt, schnell wieder abwürgen.

Zudem nimmt durch die Corona-Krise der Online-Handel zu und bringt den Einzelhandel mit seinen vielen Arbeitsplätzen immer mehr in Existenznot. Das neue Kaufverhalten wird sich kaum wieder ändern. Es trifft vor allem die Stadtzentren. An geschlossene Geschäfte und Kaufhäuser müssen sich die Einwohner dann gewöhnen.

Aufmerksame Kunden und Betriebe stellen beim Einkauf längst fest, vieles hat sich dieser Tage nicht nur im Lebensmittelbereich verteuert. Ob Ersatzteile für technische Produkte oder medizinische Schutzmasken, Desinfektionsmittel, Schutzkleidung. Allein Ärzte und Krankenhäuser können von regelrechten Preisexplosionen berichten. So musste eine Berliner Zahnärztin für 10 medizinische FFP-Schutzmasken im Mai 500 Euro hinblättern, weil der Markt diese Preise jetzt verlangt. Eigentlich hätten sie keine 100 Euro kosten dürfen.

Konjunkturprogramm als Lückenbüßer
Konjunkturpaket: Große Zahlen, wenig Wirkung
Selbst wenn die Angebote wieder besser werden und die Nachfrage etwas sinkt, die niedrigeren Preise wie vor der Corona-Krise wird es in vielen Bereichen nicht mehr geben. Vor allem der Gesundheitsbereich wird teuer bleiben, und die Regierenden bitten die Beitragszahler dafür zur Kasse.

Das Ergebnis für die Bürger und Konsumenten heißt mit hoher Wahrscheinlichkeit entgegen aller Beschwichtigungen: Die Inflation nimmt Fahrt auf, die Preise steigen. Bundesregierung und Länder werden dann das ausgereichte Geld wieder einsammeln über Steuererhöhungen, das Anheben von Kurven bei der Einkommenssteuer, diverse Abgabenerhöhungen oder gar neue, und natürlich steigende Sozialbeiträge. Nicht die Armen und auch nicht so stark die Reichen, vor allem die arbeitende Mittelschicht muss dann wieder in allen Lebensbereichen draufzahlen. Das alles wird natürlich erst nach der Bundestagwahl im Herbst 2021 für die folgenden Jahre beschlossen. 2022 ff. kommt uns dann alles, was heute spendiert wurde, teuer zustehen.

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Kommentare ( 23 )

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Korner
4 Jahre her

Wie Merkel selbst, eine einzige Mogelpackung. Mal sehen, was die bald kopflose CDU/CSU ohne Leithammel(in) und ohne ihre Kontakte zu Mohn und Spinger, die ja nun alles getan haben, Natürlich nicht für lau, um ihre Lobbyistin an der Macht zu halten. Den Angstschweiß der Hinterbliebenen kann man im ganzen Land riechen. Ich freue mich auf die kommende Bundestagswahl, die wohl einiges an Veränderungen mit sich bringen wird. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät, um Merkels Fehler zu korrigieren.

Chloepfts
4 Jahre her

Ich greife mal zu einer schlechten Analogie.
Online kaufen oder nicht online kaufen.
Wählen oder nicht wählen.
Amazon und Ebay bzw. Groko incl. Green oder auf alles verzichten.
Das ist unter andern Möglichkeiten eine Frage des Schlichterlebenwollens.
Ich für meine Person lebe gerne schlicht und das ziemlich konsequent.

Alf
4 Jahre her

Dieser „Wumms“ ist ein Rohrkrepierer, wie alles, was diese Regierung so veranstaltet (Energiewende, Maut, EZB,….). Oder kennt jemand erfolgreiche Projekte der Merkel-Regierung? Kein Unternehmer wird für 6 Monate die Preise, die Buchhaltung, Software und anderes umstellen. Nullsummenspiele gibt es nur in der Politik. Und die Bürger, werden nicht in einen Kaufrausch verfallen, nur weil der Staat für 6 Monate auf einen Teil der Mehrwertsteuer verzichten will. Das wird noch in diesem Jahr wieder reingeholt – what ever it takes. Und alle – auch die Klatschhasen – werden sich die Augen reiben, wenn sichtbar wird, wie „gut“ diese Regierung („wir“) in… Mehr

zaungast
4 Jahre her

Man erinnere sich: bei der Bildung der ersten Großen Koalition wollte die CDU eine Erhöhung der MWS auf 16 % und die SPD gar keine. Dann einigte man sich auf 19 %. Angsichts derartiger historischer Erfahrungen dürfte man Ende des Jahres damit rechnen, dass man nicht zu 19 % zurückkehrt, sondern die 20 % Marke reißen wird. Die Merkeljubelpresse wird das Ganze dann als moderate Erhöhung von 19 % auf 20 plus x % feiern. Nun hat man für die schönsten Tage des Jahres den Deutschen Ausgang gewährt. Nach der Urlaubszeit wird das Virus wieder mutiert sein und die MWS… Mehr

Jack Black
4 Jahre her

Was kann man schon erwarten, wenn ausgerechnet eine Angela Merkel und ein Olaf Scholz, die beide offenkundig nicht rechnen können, ein „Konjunkturprogramm“ offenlegen für eine Konjunktur, die sie beide vorher mit Absicht zerstört haben? Richtig, eine Schein-Lösung – wie das immer und mit allem ist was Merkel so „anpackt“.

Korner
4 Jahre her
Antworten an  Jack Black

Beide sind nach der kommenden Bundestagswahl weg von der Bühne, wie auch Seehofer und andere Klatschhasen. Das dürfte zu einigen Umstellungen führen. Wenn die erst mal weg ist/sind, kann man zumindest aufatmen. Der Rest liegt dann am Wähler.

DELO
4 Jahre her

Der „Wumms“ aus der Krise zeigt wieder einmal, daß unsere intelligenzbefreiten Politiker außerhalb jeder Realität ihre Runden drehen und die Aufregung in den Kommentarspalten zeigt ebenso deutlich, daß es immer noch genügend einfältige Gemüter gibt, die nach 14 Jahren Fehlpolitik an ein politisches Wunder glauben. Nein, nicht wirtschaftliche Notwendigkeiten bestimmen das politische Handeln, sondern die panische Angst, daß aus den über 7 Millionen Kurzarbeitern plötzlich Arbeitslose werden und damit das Sozialsicherungssystem mit dem aufgeblähtem Migrantenquatsch krachend zusammenbricht. Dann haben wir nicht eine aufgebrachte Bürgergruppe, wie gegenwärtig in den USA, dann brennt Deutschland an allen Ecken und Enden. Von den ziemlich… Mehr

Korner
4 Jahre her
Antworten an  DELO

Mit Wumms wird es bald in die Altpolitikertonne gehen. Bin gespannt, wohin sich Merkel verkriecht. In Deutschland wird sie wohl kaum bleiben können.

Gerhart
4 Jahre her

Der Scholz ist doch SPD. Der müsste doch ein <3 für kleine Leute haben ?

Gerhart
4 Jahre her

Könnte auch sein, daß die Kostensteigerungen durch starke Preisnachlässe abgefedert werden. Ein englischer Freizeitausrüster bietet jetzt freie Verschiffung und 60 Tage Umtausch an – bei deutschen Anbietern wird man sicher auch noch ein wenig warten wollen bis die Preise fallen

Anna Log
4 Jahre her
Antworten an  Gerhart

Kommt auf die Branche an. Auf Freizeitausrüstung kann man recht schnell verzichten. Bei Nahrung wirds schwieriger.

Maja Schneider
4 Jahre her

Volltreffer ! Aber die Regierung handelt doch so klug, kompetent und fürsorglich, so ist es in den MSM zu lesen und zu hören, der Autor dieses Beitrags hat das nur nicht verstanden, sie versucht wirklich alles, um gerade dem Mittelstand zu helfen. Dass sich diese Lobhudelei für die Regierung eigentlich schon bei den ersten Einkäufen oder dem Friseurbesuch nach den „Lockerungen“ nach einem Blick auf den Zahlungsbeleg bemerkbar gemacht hat, wollen die meisten Menschen nicht wahrhaben, weil sie so gern an die medial verbreitete Legende des sich ständig in guter Absicht um den Bürger kümmernden Staates glauben wollen. Aber auch… Mehr

kiki667
4 Jahre her

Ja, genau so ist es. Schon vor Corona stiegen die Preise für Lebensmittel fast wöchentlich, das war nie ein Thema. Und seit der angeblichen Pandemie sind sie explodiert. Ich zahle für Blumenkohl oder ein Netz Zwiebeln oder Kartoffeln inzwischen 4 Euro. Produkte, die vor nicht allzu langer Zeit im Centbereich lagen. Der Handel wird diese lächerliche Reduzierung nicht an den Kunden weitergeben, sondern ungerührt weitermachen mit der Spirale nach oben, dafür wird gerne die eigene Marge erhöht. Und im Januar wird die Rückkehr zu den 19 % zum Anlass genommen für die nächsten krassen Preiserhöhungen. Und nicht nur um 3… Mehr

lioclio
4 Jahre her
Antworten an  kiki667

Diese Regierung ist nicht gottgegeben und auch keine Erfolgemonarchie, sondern wurde von 87% denkunf— „Uns gehts doch gut“ Grinsekatzen gewählt.
40% aktuell für die *K(C)DU/K(C)SU, noch Fragen?
Der Rest wählt grün und dunkelrot.

*Das C wurde nach meinem Augenschein durch K für Kommunistische ersetzt.

Marlies K.
4 Jahre her
Antworten an  kiki667

Top geschrieben?

Wolf Koebele
4 Jahre her
Antworten an  kiki667

H-Milch seit zwei Wochen bei Aldi-Süd +5,5%