Sobald es um Steuern geht, lassen sich Union und SPD alles offen

Was bedeutet der Koalitionsvertrag für Normalbürger und Unternehmer? Eins ist klar: Auf konkrete Entlastung dürfen sie nicht hoffen. Dafür nimmt die Regelwut des Staates an bestimmten Stellen weiter zu.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ebrahim Noroozi

Nach zähen und in der Schlussphase weitgehend selbst gegenüber der jeweiligen Parteibasis abgeschotteten Verhandlungen einigten sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD am Dienstagmittag auf einen Koalitionsvertrag. Titel: „Veranwortung für Deutschland“. Die Bürger interessiert vor allem: Was bedeutet die kleinteilige Regelung der künftigen Regierungsarbeit für ihre Steuern, für ihr Erspartes und die Wirtschaft?

Um es vorwegzunehmen: Das Konvolut enthält nichts von dem, was Deutschland in seiner Wirtschaftsschwäche jetzt dringender denn je bräuchte, gerade im heraufziehenden Zoll-Krieg mit den USA – also eine durchgreifende Einkommensteuersenkung, eine Reduzierung der Unternehmenssteuer, günstigere Energie und ein Befreiungsschlag gegen die Bürokratie. Also genau das, was zahlreiche Wirtschaftsverbände in einem offenen Brief an die kommenden Koalitionäre am 2. April gefordert hatten.

Das schwarz-rote Papier wirkt zwar außerordentlich detailversessen. Nur: Überall dort, wo es wirklich auf Einzelheiten ankäme, nämlich bei der Besteuerung, bleiben die Formulierungen so vage, dass sich weder Steuerbürger noch Unternehmer konkrete Entlastungen ausrechnen können. So heißt es in Zeile 1430: „Wir werden die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur senken.“ Weder verrät das Schriftstück, wie die Regierung Merz „kleinere und mittlere Einkommen“ genau definiert – noch die Höhe der Entlastung. Fest steht dagegen: „Der Solidaritätszuschlag bleibt unverändert bestehen“ – also jene Steuer auf die Steuerschuld, die laut ihrem Erfinder Helmut Kohl bis 1998 wieder vollständig verschwunden sein sollte. Derzeit wird der Zuschlag ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 73.470 Euro fällig, auf Kapitalerträge (Zinsen, Dividenden) allerdings unabhängig vom Einkommen.

Auch Entlastungen für Selbständige und Unternehmer bleiben in der Formulierung so vage, dass sie sich in der Regierungsarbeit fast beliebig auslegen lassen. So heißt es: „Wir werden einen Investitions-Booster in Form einer degressiven Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen von 30 Prozent in den Jahren 2025, 2026 und 2027 einführen.“ Bis zu welcher Höhe diese „Turbo-Abschreibung“ gelten soll, bleibt offen. Halbwegs konkret gibt sich der Vertrag nur bei der Senkung der Unternehmenssteuer von derzeit insgesamt 30 Prozent (Körperschaftssteuer plus Gewerbesteuer) Auskunft: „Wir werden die Körperschaftssteuer in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt senken, beginnend mit dem 01.01.2028.“ Die eher bescheidene Erleichterung kommt also erst zum Schluss der Legislaturperiode; die kleinen Schritte machen es auch leicht, sie mit Verweis auf die Finanzlage zu verschieben oder, wie es in der Politsprache heißt, „auszusetzen“.

Zu den Maßnahmen auf der Belastungsseite gehört die Erhöhung des Gewerbesteuer-Mindesthebesatzes von 200 auf 280 Prozent. Begründung: Damit bekämpfe man innerdeutsche Steueroasen – also Gemeinden, die Unternehmen wenig abnehmen, wenn sie sich dort niederlassen.

Eine auf den ersten Blick gute Nachricht gibt es für ältere Arbeitnehmer: „Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, bekommt sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei.“ Aber auch hier bleibt offen: Ab wann gilt die Regelung? Nur in einem Punkt gibt es Zahlen und Datum, nämlich bei der Entfernungspauschale: „Wir werden die Pendlerpauschale zum 01.01.2026 auf 38 Cent ab dem ersten Kilometer dauerhaft erhöhen.“ Bisher gilt dieser Satz erst ab 20 Kilometern, darunter beträgt er derzeit noch 30 Cent pro Kilometer, die steuerlich geltend gemacht werden können.

Auf dem besonders wichtigen Gebiet der Wirtschaftsregulierung forsten die Koalitionäre in spe nicht aus, sondern sogar auf. Nach ihrem Willen soll das Bundestariftreuegesetz für Vergaben ab 50.000 Euro, für Start-ups schon vier Jahre nach ihrer Gründung ab einer Ausschreibungssumme von 100.000 Euro gelten, wobei Union und SPD für die Zukunft einen Mindestlohn von 15 Euro ab 2026 in Aussicht stellen. Den Wohnungsmangel hoffen sie nicht durch eine Entschlackung der Bauvorschriften anzukurbeln, sondern vor allem durch Preisdeckelung: „Die Mietpreisbremse“, so hält es der Vertrag fest, wird „in angespannten Wohnungsmärkten … für vier Jahre verlängert. Bis zum 31.12.2026 wird eine Expertengruppe mit Mieter- und Vermieterorganisationen die Harmonisierung von mietrechtlichen Vorschriften, eine Reform zur Präzisierung der Mietwucher-Vorschrift im Wirtschaftsstrafgesetz und eine Bußgeldbewehrung bei Nichteinhaltung der Mietpreisbremse vorlegen.“

Auch zur Reduzierung der Energiekosten unternimmt die kommende Regierung nur einen Mini-Schritt, der insgesamt gesehen noch nicht einmal eine Nettoentlastung der Bürger vorsieht. „Wir wollen Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens fünf Cent pro kWh mit einem Maßnahmenpaket entlasten. Dafür werden wir als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und Umlagen und Netzentgelte reduzieren“.

Reduzierung der Netzentgelte – das bedeutet in der Praxis, dass sie wie schon die EEG-Umlage von der Stromrechnung in den Bundeshaushalt wandert. Und was den Haushalt und die Schulden betrifft: Die drei Parteien einigten sich auf eine grundsätzliche „Reform der Schuldenbremse“. Mit anderen Worten: Die „Sondervermögen“ sollen keine Ausnahme bleiben. An den unter der Ampel eingeführten beziehungsweise erhöhten Steuern und Abgaben möchte die neue Koalition offenkundig nichts ändern. Die Luftverkehrsabgabe bleibt, die CO2-Abgabe soll weiter steigen. Jedenfalls sagt der Koalitionsvertrag dazu nichts Gegenteiliges aus. Lediglich die Steuerbegünstigung für Agrardiesel setzt Schwarz-Rot wieder auf den alten Stand.

Alles in allem können weder Arbeitnehmer noch Selbständige und Unternehmer in den kommenden Jahren auf konkrete Entlastungen hoffen. Die Union dürfte damit argumentieren, sie hätte wenigstens Steuererhöhungspläne der SPD verhindert. Wobei: Ein klares Bekenntnis, Steuern und Abgaben nicht weiter zu erhöhen, findet sich im Koalitionsvertrag nicht. Außerdem: Mit der Formel, man habe noch Schlimmeres verhindert, versuchte schon die FDP ihre Wähler bei Laune zu halten. Ausgang bekannt.

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Kommentare ( 21 )

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Fulbert
22 Tage her

„Mit der Formel, man habe noch Schlimmeres verhindert, versuchte schon die FDP ihre Wähler bei Laune zu halten.“
Mit dem Unterschied, dass die FDP kleinste Partei der Ampel war. Man muss bei aller berechtigten Kritik an dieser Partei im Nachhinein festhalten, dass sie sich größenbezogen doch durch eine gewisse Bremswirkung gegen rot-grünen Wahnsinn auszeichnete, während die CDU/CSU sich einem weitaus kleineren Koalitionspartner ohne Not beugt.
Gibt es eigentlich Informationen zur Besteuerung beim Verkauf von Bestandsimmobilien?

Last edited 22 Tage her by Fulbert
haqus b.
22 Tage her

Hat der liebe Lars wirklich eine schwarze Krawatte gewählt?

Armin Reichert
22 Tage her
Antworten an  haqus b.

https://de.wikipedia.org/wiki/Antifa

Die heute geläufige Variante enthält eine größere rote Fahne für Sozialismus, eine kleinere schwarze für Anarchismus.

Logiker
22 Tage her
Antworten an  haqus b.

Das war mir auch aufgefallen.

Haba Orwell
23 Tage her

> Die Luftverkehrsabgabe bleibt, die CO2-Abgabe soll weiter steigen.

Da die übrige Welt vom Klimagedöns wegkommt respektive nie den Murks hatte, sollte man den Klima-Suizid sofort streichen. Ich hoffe, Trump hält das Versprechen aus seiner ersten Zeit – damals haben sich US-Airlines wegen der Luftverkehrsabgabe beschwert und Trump versprach, es bei umfassenden Handelsrahmen-Verhandlungen anzugehen. Solche EUdSSR-Spinnerei wie „Klimazölle“ kann er auf keinen Fall dulden.

Uwe78
23 Tage her

„Dafür nimmt die Regelwut des Staates an bestimmten Stellen weiter zu.“

Das darf man schon etwas konkretisieren. Der SOZIALISMUS nimmt zu.

Peter W.
23 Tage her

Bild: Der Händedruck ist „ falsch“, weich schwabbelig und unecht!

Joerg Gerhard
23 Tage her

Wer Einkommensteuer zahlen muss ist kein freier Mensch. Von Wehrpflichtigen oder ‚Freiwilligen Freiheitsdienst‘ Leistenden ganz zu schweigen. Selbst im Feudalsystem mussten die Menschen weniger abgeben als heute und waren ergo auch freier als wir heute.
Die Einfuehrung der Einkommensteuer in den USA lief ja genauso ab und hatte dann natuerlich den gleichen Verlauf wie unser temporaerer Soli:
https://www.paulcraigroberts.org/2025/04/09/april-15-provides-a-wonderful-lesson-on-how-government-conditioned-americans-to-tyranny/
Hoechste Zeit also fuer eine Revolution, jedenfalls fuer jeden, der wieder ein freier Mensch sein will.
Trump hat da zumindest schonmal den richtigen Ansatz.

Jens Frisch
22 Tage her
Antworten an  Joerg Gerhard

Mit dem versteuerten Einkommen werden beim Kauf nochmals Verbrauchssteuern fällig und bei Energie wird sogar die Steuer besteuert:
Wir werden ausgenommen wie die Weihnachtsgänse!

wackerd
22 Tage her
Antworten an  Jens Frisch

Und da alles nicht reicht, gibt es regelmäßige Erhöhungen der Sozialbeiträge bei reduzierten Leistungen und die nette CO²-Bepreisung, nach oben willkürlich (und einklagbar!) unwiderruflich festzulegen.

Armin Reichert
22 Tage her
Antworten an  Jens Frisch

Und wenn man das bereits mit der Einkommensteuer versteuerte Einkommen anlegt, kassiert der Staat ohne irgend etwas dafür zu leisten fast 30% der Kapitalerträge. Das Risiko trägt der Anleger natürlich ganz allein.
Und wenn der sparsame Anleger dann stirbt, kassiert der Staat über die Erbschaftssteuer wieder ohne jegliche Gegenleistung einen großen Batzen des Ersparten.
Aber auch das reicht den WEF-Marionetten noch nicht: die Sozen wollen ja die Vermögenssteuer und FF will mit Uschi die Spareinlagen zu WEF-Stakeholdern wie Pfizer, Rheinmetall etc. umleiten.
„You will own nothing, but you will be happy“.

Last edited 22 Tage her by Armin Reichert
Logiker
23 Tage her

Immerhin – die Steuererklärung soll dramatisch vereinfacht werden – nur noch zwei Zeilen auf dem Formular:

Zeile 1:
Wieviel haben Sie im letzten Jahr verdient?

Zeile 2:
Bitte überweisen Sie diesen Betrag bis zum ……… auf untenstehendes Konto.

Zuwiderhandlungen werden strafrechtliche verfolgt.

Last edited 23 Tage her by Logiker
thinkSelf
23 Tage her

„… auf konkrete Entlastung dürfen sie nicht hoffen.“
Darauf hoffen sie ja auch nicht. Das gilt zumindest für die 75% Durchschnittsheloten die weiterhin fest hinter der woke-grünen Einheitsfront stehen. Die hoffen das sie möglichst schnell und möglichst hoch zusätzlich belastet werden.
Bei Unternehmern schätze ich diese Quote dagegen so auf 90%. Denn niemand steht fester hinter der „großen Transformation“ als diese.

Werner Holt
22 Tage her
Antworten an  thinkSelf

„Das gilt zumindest für die 75% Durchschnittsheloten die weiterhin fest hinter der woke-grünen Einheitsfront stehen. Die hoffen das sie möglichst schnell und möglichst hoch zusätzlich belastet werden.“ Der Trend der Umfragewerte für die AfD bringt da etwas Hoffnung, sollten sich besagte Heloten nicht von Merz & Co. durch die watteweichen Formulierungen im Koalitionsvertrag einseifen lassen. Aber hier wie generell wird sich „die normative Kraft des Faktischen“ durchsetzen sprich, da sich erkenn- und spürbar nichts ändern wird, geht der Niedergang von Union und SPD weiter. Die Grünen und die Linken behalten anscheinend ihren derzeitigen Wählersockel, den sie im grünen Narrensaum der… Mehr

H. Hoffmeister
23 Tage her

Ein grünes Programm mit vielen roten Additiven und ein oder zwei schwarzen Pünktchen. Die Abrissbirne wird weiter ihre Arbeit verrichten.

P. Liesner
23 Tage her

Die CDU trägt sich mit diesem Koalitionsvertrag damit selber zu Grabe. Die Afd kann sich ab sofort weiter nach hinten zurücklehnen und sich auf den weiteren Niedergang der CDU warten. Jedem kann ich nur anraten, Deutschland zu verlassen, sofern er dazu in der Lage ist.