„Was das Europäische Parlament noch nicht begriffen hat: Google ist für die Menschen wichtiger als Europa„. Die Causa Google dreht immer höher; jetzt stellt der britische Telegraph schon die Grundsatzfrage, nachdem an diesem Donnerstag das Europäische Parlament in einer Resolution die Zerschlagung von Google gefordert hat. Diese Resolution ist am Donnerstag tatsächlich verabschiedet worden, so einer der Initiatoren, der spanische EU-Parlamentarier Ramon Tremosa. Per Twitter. Ausgerechnet. (aktualisiert am 27.11.)
Google zerschlagen, enteignen, am besten abschalten? Darauf hoffen, dass am Montag das Internet weg ist und wieder das gute alte Printzeitalter zurückkehrt?
Klingt gut.
Klingt stark.
Ist Käse.
Denn das Europäische Parlament hat keine Gesetzgebungsinitiative. Es kann allenfalls eine entsprechende Petition oder eben Resolution verfassen.
Diese gibt es – getragen von einem CDU-Parlamentarierer im Europaparlament namens Andreas Schwab, im Zivilberuf Counsel in der Großanwaltskanzlei CMS Hasche Sigle. Das ist die Kanzlei, die auch den Entwurf für das deutsche Leistungsschutzgesetz vorformuliert hat, das die deutschen Verleger gefordert hatten. Ein Schelm, wer daraus Schlüsse zieht.
Und seinem Vorschlag zur Zerschlagung Googles hat EU-Internet-Kommissar Günther Oettinger schon vor der Verabschiedung die Luft herausgelassen.
Mit ihm werde es keine „Zerschlagung und keine Enteignung“ geben, sagte Oettinger am Rande einer Veranstaltung der CDU-Mittelstandsvereinigung, bei der er deren Mittelstandspreis erhielt. Oettinger weiter: Solche Maßnahmen wäre „Instrumente der Planwirtschaft, nicht der Marktwirtschaft“. Nur im Wettbewerb könne Europa verlorenen Boden in der digitalen Wirtschaft zurück holen.
Oettinger kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Die Kommission muß darüber entscheiden, ob die europäische Fusionskontrolle für Telekom-Gesellschaften gelockert wird. Dahinter steht, dass die praktisch noch in ihren jeweiligen Nationalgrenzen tätigen Telekoms zu klein sein sollen für den globalen Wettbewerb. Er muss darüber entscheiden, ob das Internet zweigeteilt wird – oder etwa Sicherheitsdienste und Feuerwehr Vorfahrt erhalten. Daraus könnte ein Zwei-Klassen-Internet entstehen. Und auf der Agenda steht, ob man künftig noch den Provider wechseln darf, wenn dieser in teure Glasfaserkabel investiert.
Oettinger warnt aber auch davor, dass in der digitalen Welt Monopole drohten. Seit vier Jahren verhandelt die Kommission tatsächlich darüber, wie Google sicherstellt, dass es bei seiner Suchmaschine nicht andere Anbieter diskriminiert: Etwa dadurch, dass bei Suchanfragen ein Google-Reisebüro ganz oben steht und nicht ein Wettbewerber. Darüber wird also weiterverhandelt. Ansonsten?
Aufregung um Nichts. Oder doch mehr?
Eurotechnopanik
Die Resolution markiert eine Entscheidung: Geht Europa einen progressiven Weg weiter mit oder klinkt es sich aus? Denn die Folgen dieser Debatte könnten schwerwiegend sein. In den USA wird die Debatte mit Argusaugen verfolgt. Wird Europa protektionistisch? Ist Europa nicht mehr in der Lage oder auch nicht mehr bereit, sich am globalen Freihandel zu beteiligen? Die Debatte beginnt, sich von der Causa Google zu lösen und sich zu einer Grundsatzfrage auszuweiten.
Von „Eurotechnopanik“ spricht der Internet-Wissenschaftler Jeff Jarvis; er sieht darin eine Rückwärtsgewandtheit im Denken und warnt vor Protektionismus sowie der Gefahr, dass man es sich ein zweites Mal überlegen könnte, ehe man in Deutschland noch investiert. Es ist ein lesenswerter Beitrag, der zeigt, wie hier eine Art Phobie um sich greift, die Europa in die Vergangenheit treibt.
Jarvis geht mit den deutschen Verlegern ziemlich ins Gericht; sie würden die Zukunft verweigern statt die Chancen zu umarmen. Gerade wurde in Spanien eine „Link-Steuer“ verabschiedet; so macht man das Internet kaputt, schreibt Jarvis. Letztlich geht es um Protektionismus, die Hoffnung, damit lästigen Wettbewerb auszuschalten. Darüber gerät aber der Investitionsstandort Europa und Deutschland in Gefahr, wenn wegen solcher Einzelinteressen Konkurrenten faktisch enteignet werden sollen.
Eine gute Darstellung zu den Hintergründen und warum das Leistungsschutzrecht gescheitert ist findet sich auch bei Thomas Knüwer. Er illustriert am Beispiel des Handelsblattes, wie Falschinformation in diesem Zusammen entstehen.
Mittlerweile droht darüber sogar ein transatlantischer Konflikt, so die aktuelle Berichterstattung: „USA stellen sich „besorgt“ vor Google“ und „Washington warnt vor Zerschlagung von Google“
Leider passt das in das Denkschema einer Gesellschaft, die technologisch zurückgefallen ist. Statt die Weichen so zu stellen, dass Europa eben auch mitspielt – wird mit Hilfe der Lobby und des Gesetzgebers versucht, das Leben einiger Verlage künstlich zu verlängern. Leider passt dazu auch die Debatte um das Transatlantische Freihandelsabkommen. Natürlich sollte es im Detail kritisch beobachtet und sicherlich nachverhandelt werden. Aber die Kritiker verbreiten den faden Geruch des Ewig-Gestrigen: Einmauern, abgrenzen, bloß keine Veränderung zulassen, alles dem Staat übereignen, den Bürger enteignen. Mit dieser Grundhaltung wird Europa langsam aber sicher zu einem begehbaren Museumskontinent.
Vielleicht sind die Chinesen ja großzügig mit dem Trinkgeld. Das jedenfalls sollten wir uns für unsere Kinder wünschen. Hoffen wir, dass sich die Vernunft durchsetzt. In dem Fall richten sich die Hoffnungen tatsächlich auf Günther Oettinger. Übrigens: Schon bemerkenswert, dass jetzt in deutschen Printmedien seine Sachkompetenz bezweifelt wird. Warum wohl?
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