Katrin Göring-Eckardt: „Nichts sonst jetzt“

Der Kollege Dushan Wegner hat etwas geschafft, das nicht leicht ist. Er hat in der Stunde großer Wut einen Schritt zurück gemacht und von dort aus auf Berlin geschaut. Katrin Göring-Eckardt schreibt vor, was wir fühlen dürfen.

Der Kollege Dushan Wegner hat etwas geschafft, das nicht leicht ist. Er hat in der Stunde großer Wut einen Schritt zurück gemacht und von dort aus auf Berlin geschaut. Und er hat für sich entschieden: „Ich habe keine Angst mehr.“ Ich glaube Dushan Wegner hat dabei nicht nur für sich selbst gesprochen, sondern er wollte jenen Menschen Mut machen, die ihre Wut an diesen kalten Tagen mit der Faust in die wärmende Manteltasche pressen.

Aber täuschen Sie sich nicht. Wegners Angst ist nicht etwa die vor Terror. Er ruft dazu auf, mutig zu sein gegenüber den „Gesinnungspolizisten und Sprachkontrolleuren“, gegenüber „Sprachkontrollen und Denkverboten.“

Katrin Göring-Eckardt sagte vor einigen Monaten bei Anne Will:

„Dieses Land wird sich verändern. Und es wird sich ziemlich drastisch verändern. Und es wir ein schwerer Weg sein, aber dann glaube ich, können wir wirklich ein besseres Land sein. Und daran zu arbeiten, das mit Begeisterung zu machen, die Leute mitzunehmen, auch die, die Angst haben (..) das ist eigentlich die historische Chance in der wir sind. Das ist wahrscheinlich sogar noch mehr als die deutsche Einheit, was wir da erreichen können. Was die Kanzlerin gemacht hat, ist eine große Idee davon, was es heißt, dieses Land neu zu denken. (…) Die Arbeitgeber scharren längst mit den Füßen und sagen: Wir brauchen diese Leute. (..)“

Katrin Göring-Eckardt schreibt gegen 22 Uhr am 19. Dezember 2016 auf Facebook:

„Das ist eine furchtbare Nachricht. Trauer und Mitgefühl. Nichts sonst jetzt!“

Ein Martin Müller antwortet auf ihrer Facebook-Seite: „Das nennt sich Zurückrudern, um bloß keine Verantwortung übernehmen zu müssen.“

Und ein Thomas O’Malley ergänzt: „Neuer Trend: Gefühls-Kritik? Emotions-Bevormundung?“

Und Heinrich Walpot meint: Wir brauchen einfach mehr Geld für Integration.

Das findet der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Klaus Bouillon (CDU), nicht. Er spricht von einem „Kriegszustand“. „Wir müssen konstatieren, wir sind in einem Kriegszustand, obwohl das einige Leute, die immer nur das Gute sehen, nicht sehen möchten“, sagte er. Aus Sorge vor Nachahmern kündigt er verschärfte Sicherheitsmaßnahmen an. Sicherheitsmaßnahmen, die allerdings jeden betreffen, auch jeden deutschen Staatsbürger, der sich im Land mit aller Selbstverständlichkeit hin- und her bewegt.

Laut SPIEGEL ONLINE benutzt der Verdächtige die Namen Naved B. und Navid B. Man spekuliert also beim Hamburger Magazin bereits, dass der mutmaßliche Täter einen Alias-Namen benutzt. Das Portal weiß weiter, dass der Attentäter von Berlin 23 Jahre alt sein und aus Pakistan stammen soll. Er sei am 1. Februar 2016 nach Deutschland eingereist und hätte seit dem 2. Juni 2016 seinen Aufenthaltstitel. In den wenigen Monaten seines Aufenthaltes sei er angeblich bereits wegen kleinerer Delikte polizeilich auffällig geworden.

Ein eingeschleuster IS-Terrorist würde sich ganz sicher unauffälliger verhalten. Aber beruhigt das? Im Gegenteil. Wenn wahr ist, was der Spiegel nur ahnt, dann bräuchten wir nicht mehr nach verkappten IS-Kämpfern Ausschau halten, dann wäre jeder eingereiste Moslem verdächtig, sich irgendwann islamistisch zu radikalisieren: Denn das Maß der Traumatisierung oder der Grad religiösen Irrseins des einzelnen Menschen lässt sich nicht ermessen.

Rituale nach dem Terror
Ich habe keine Angst mehr.
Angela Merkel hat ihren Weihnachtsmarktbesuch in ihrem Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern gerade abgesagt. Und ein Hauke Friedrichs berichtete im April 2016 in der ZEIT über den deutschen Soldaten Rene B. Der kämpfte in Afghanistan für die Bundeswehr. Rene leidet seit dem an massiven posttraumatischen Belastungsstörungen. Er wollte sich schon vor einen Zug werfen, wurde aber von vorbeifahrenden Polizisten aufgehalten, die den Mann zufällig auffällig an der Bahntrasse stehen sahen. Heute wird Rene im Psychotrauma-Zentrum behandelt. Die Bundeswehr erfasst jedes Jahr hunderte von Neuerkrankungen. Die Zahlen steigen an.

„Bald nach dem Afghanistan-Einsatz hatte ich Angst, wenn ich an Baustellen vorbeigehen oder öffentliche Plätze überqueren musste.“, berichtet er.  „Auf einen Weihnachtsmarkt voller Menschen zu gehen, war unmöglich“, sagt Rene B. Man möchte maximal zynisch anmerken: zum Glück für Dich. Und dann denkt man über den mutmaßlichen pakistanischen Täter nach, der flüchtete, gefasst werden konnte und der nun vernommen wird. Wird er später vor Gericht posttraumatische Belastungsstörungen geltend machen? Wird man ihm im Falle einer Verurteilung im Strafvollzug in einer Therapie die Angst vor Weihnachtsmärkten abgewöhnen können?

„Es wird ein schwerer Weg sein“, dieses Land drastisch zu verändern, sagt Katrin Göring Eckardt. Aber anschließend könne es wirklich ein besseres Land sein. „In Berlin wurden gestern zwölf Menschen brutal ermordet. Sie wollten mit Freunden noch schnell auf dem Weihnachtsmarkt einen Glühwein trinken. Vielleicht ein Geschenk kaufen.“, schreibt Dushan Wegner für Tichys Einblick. Und manchmal reicht ein LKW, um dieses Land drastisch zu verändern. Wer heute eine Betonfirma besitzt, der wird in Zukunft sein Einkommen haben, wenn nicht nur Weihnachtsmärkte vor gefährlichen Lastkraftwagen im Exportweltmeisterland komplett einbetoniert werden.


Dossier: Beiträge zum Thema

>> Dushan Wegner – Ich habe keine Angst mehr

>> Anabel Schunke – Mit der Welt ist nichts los

>> Bettina Röhl – Populisten der Groko: Her mit den Anschlägen!

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