Karlsruhe: Kürzungen für Asylbewerber in Sammelunterkünften verfassungswidrig

Alleinstehende Asylbewerber in Sammelunterkünften erhalten rückwirkend zum September mehr Leistungen aus der deutschen Staatskasse. Bisherige Kürzungen hält das Bundesverfassungsgericht für einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines „menschenwürdigen Existenzminimums“.

picture alliance/dpa | Uli Deck

Die sogenannte „Sonderbedarfsstufe“ für alleinstehende erwachsene Asylbewerber in Sammelunterkünften ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie verstoße gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines „menschenwürdigen Existenzminimums“, heißt es in einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Die Entscheidung betrifft konkret alleinstehende Erwachsene, die in Sammelunterkünften wohnen und sich seit mindestens 18 Monaten rechtmäßig in Deutschland aufhalten. Ihnen hatte der Gesetzgeber ab dem 1. September 2019 einen um zehn Prozent geringeren Bedarf an existenzsichernden Leistungen zugeschrieben.

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Es sei nicht erkennbar, dass man in den Sammelunterkünften regelmäßig tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften erziele, die eine Absenkung der Leistungen tragen würden, so die Karlsruher Richter. Der Gesetzgeber könne zwar grundsätzlich auch eine von den Bedürftigen nicht genutzte, ihnen aber „an sich tatsächlich eröffnete und zumutbare Möglichkeit von Einsparungen“ berücksichtigen, doch fehle es an „hinreichend tragfähigen Anhaltspunkten“ für die Annahme, dass die Voraussetzungen dafür in den Sammelunterkünften tatsächlich gegeben seien.

Die Verfassungswidrigkeit führt allerdings nicht zur Nichtigkeit des entsprechenden Abschnitts im Asylbewerberleistungsgesetz. Die fortdauernde Anwendung der Norm sei anzuordnen, da das grundrechtlich garantierte Existenzminimum sonst nicht gesichert sei, so das Verfassungsgericht. Künftig sollen die Leistungen nach Maßgabe der Regelbedarfsstufe 1 berechnet werden.

Die bereits bestandskräftigen Leistungsbescheide bleiben unberührt, soweit Leistungszeiträume vor Bekanntgabe der Entscheidung betroffen sind (Beschluss vom 19. Oktober 2022, 1 BvL 3/21).


Quelle: DTS

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Kommentare ( 34 )

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Mausi
1 Jahr her

Ohne zu wissen, über welche Leistungen (existenzsichernde Leistungen) ganz konkret geurteilt wurde, lässt sich m. E. nicht beurteilen, wie dieses Urteil des BVerfGE zu bewerten ist.

Orlando M.
1 Jahr her

Der Migrationsdruck nimmt ungeahnte Höhen an, zusammen mit den Ukrainern wird das ein neues Rekordjahr der Migration in die Sozialsysteme. Die Wirtschaft ächzt, auf dem Bau sieht es ganz böse aus, wegen der Inflation bekommen die Bürger Probleme, ihre Rechnungen zu begleichen, der Staat pfeift in Wahrheit aus dem letzten Loch (entgegen der Ankündigungen von O.S. sinkt der Bundeswehretat für 2023, nix mehr 2% vom BIP, ein absolut eindeutiger Hinweis). Dem Verfassungsgericht fällt nun nichts besseres ein, als die Geldleistungen für Migranten zu erhöhen bzw. Minderungen für verfassungswidrig zu erklären. Sind die Verfassungsrichter einfach nur blind für die dank Merkel… Mehr

elly
1 Jahr her

„Taschengeld“, allgemein Bargeldbedarf genannt, für Pflegeheimbewohner „Der Barbetrag umfasst mindestens 27 % der Regelbedarfsstufe 1. Der Regelbedarf wird gemäß § 28 SGB XII als Ergebnis bundesweiter Einkommens- und Verbrauchsstichproben ermittelt. Seit Januar 2022 beträgt der durchschnittliche Barbetrag 121,23 €. Unter bestimmten engen Voraussetzungen ist eine Erhöhung möglich.“ https://www.biva.de/aus-unserer-beratungsarbeit/wie-viel-taschengeld-steht-einem-bewohner-im-pflegeheim-zu/#:~:text=Der%20Barbetrag%20umfasst%20mindestens%2027,Voraussetzungen%20ist%20eine%20Erh%C3%B6hung%20m%C3%B6glich. Taschengeld nach dem AsylbLG: erwachsene Leistungsberechtigte je 130 Euro, wenn sie a)das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unverheiratet sind und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenleben; b)in einer stationären Einrichtung untergebracht sind; https://www.gesetze-im-internet.de/asylblg/BJNR107410993.html Nach diesem Urteil werden Asylbewerber noch besser… Mehr

santacroce
1 Jahr her

Für die Finanzierung all dieser Wohltaten bekommen demnächst die Hausbesitzer, auch Einfamilienhäuser, eine Zwangshypothek. Das nennt sich dann „Sondervermögen für Immobilienbesitzende“.
Der tiefe hypermoralisierende Staat auch bei diesem Urteil – wenigstens die Farbe der Roben ist zeitgemäß, es fehlt vielleicht noch ein kleiner grüner Streifen.

Homer J. Simpson
1 Jahr her

Offensichtlich macht der deutsche Staat und seine Organe nur noch Politik, Recht und Gesetz gegen den eigenen Souverän. Unbehelligt. Ohne Aufstand. Gut, die AfD ist die letzte Bastion dagegen, aber wer unterstützt schon solche „Nazis“….? Deutschland ist am Ende! Finden wir uns endlich damit ab, dann erträgt man alle Meldungen um den Endzeit-Wahnsinn wesentlich besser, denn man weiß, dass es bald vorbei ist!

Andi Schwarz
1 Jahr her

Hat jemand von Bundesverfassungsgericht eine andere Entscheidung erwartet? Es ist ein Schritt mehr auf dem Weg zur Staatspleite.

Innere Unruhe
1 Jahr her

Es ist schon interessant, ein Asylant aus Österreich ist verfassungskonform aber eine kürzere Leistung für ihn nicht…

Niklot
1 Jahr her

Vielleicht sollte mal die Verfassungsmäßigkeit des Aufenthalts geduldeter abgelehnter Asylbewerber geprüft werden.

Last edited 1 Jahr her by Niklot
Freige Richter
1 Jahr her

Mitarbeiter im Jobcenter scheinen sehr leidensfähig zu sein. Das würde ich mir nicht antun. Zusehen, wie ungehemmt Leistungen abgegriffen werden, ist nicht jedermans Sache. Und wenn dann der kleine Angestellte auf seine Lohnabrechnung schaut, muss der Frust groß sein, besonders, wenn der eine oder andere Empfänger mit der Luxuslimousine vorfährt.

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  Freige Richter

Inzwischen sind nicht alle Mitarbeiter im Jobcenter mehr solche mit 4 deutschen Großeltern. Lange nicht!

RauerMan
1 Jahr her

Bevor diese Leistungen aufgestockt werden ist erstmal zu klären,ob die Betroffenen überhaupt ein Recht haben hier bleiben zu können.
Wenn nein, abschieben, dann gibts auch kein Aufstocken.

Astrid
1 Jahr her
Antworten an  RauerMan

Die Einbürgerung lt. der Innenministern Frau Faeser soll jetzt viel schneller über die Bühne gehen. Die allermeisten Migranten haben ein Recht hierzubleiben, sogar mehr Rechte als wir Deutschen. Ich hoffe Ihre Frage ist hiermit beantwortet. Hier wird keiner so schnell abgeschoben, nein es werden immer mehr eingeladen. Die werben im Ausland gerade dafür. Die Außenministerin möchte 10.000.000 Menschen aufnehmen.