1.000 Gesundheitskioske sollen blühen, versprach Karl Lauterbach (SPD) im vergangenen Sommer. Wie so oft bei ihm, folgt auf den großen Auftritt das Chaos im Detail. Das Projekt stockt und stößt auf die Kritik der Fachwelt.
Eine Grundregel des Journalismus lautet: Fragen immer so stellen, dass Politiker und andere Verantwortliche sich nicht rausquatschen können, ohne ihr Gesicht zu verlieren. So will TE wissen, wie viele Gesundheitskioske es gibt. Eine Zahl, die das Gesundheitsministerium wissen müsste, hat doch ihr Chef Karl Lauterbach (SPD) vergangenen Sommer unter handelsüblichem Medien-Trara angekündigt, es werde bald 1.000 dieser Kioske geben.
Ein Projekt, das begonnen hat mit einem lautstarken Lauterbach, gefälligen Medien und Einschätzungen wie: Die Gesundheitsversorgung in sozial benachteiligten Stadtteilen werde verbessert – dieses Projekt ist nun in den Mühen der Ebene angelangt: Ja, Gesundheitskioske, die gibt’s. Vor Ort. Mehr wissen wir aber auch nicht. Fragen Sie die. Ein Gesetz kommt. Bald.
Doch Schnitt und Rückblende. Denn allmählich gebietet das journalistische Handwerk, erst einmal zu klären, was überhaupt ein Gesundheitskiosk ist – am besten präzise, haptisch und anschaulich. Nur das Problem dabei ist: Der Zweck der Gesundheitskioske lässt sich schwer greifen. Zumindest nicht präzise, haptisch und anschaulich. Lauterbachs Ministerium beschreibt die Einrichtungen so: „Zentrale Aufgabe der Gesundheitskioske soll es sein, allgemeine Beratungs- und Unterstützungsleistungen anzubieten, etwa zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und Präventionsangeboten.“
Beratung und Unterstützung in medizinischen Fragen? Das nannte sich früher Arztpraxis. Wo ist der Unterschied bei den Gesundheitskiosken? Dazu lässt das Ministerium wissen: „Entstehen sollen die Gesundheitskioske in besonders benachteiligten Stadtteilen und Regionen … Insgesamt kann es mithilfe der Gesundheitskioske gelingen, die individuelle Gesundheitskompetenz insbesondere von Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf zu erhöhen, die Prävention zu stärken und dabei zu helfen, den Anspruch auf medizinische Versorgung zu verwirklichen.“
Ich bin krank und gehe deshalb zum Arzt. Eigentlich war das bisher ein System, das sich tatsächlich mal auf einem Bierdeckel erklären ließ. Wo besteht denn nun die Schwelle, die es zwischen Krank sein und zum Arzt gehen abzubauen gilt? Und wer sind diese „Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf“? Vielleicht Behinderte, die brauchen ja tatsächlich die Hilfe der Gesellschaft, etwa wenn es um Barrierefreiheit geht. Doch aktuell liegt die Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine Anfrage der CDU/CSU vor. Die ist überschrieben mit „Menschen mit Behinderungen im deutschen Gesundheitssystem“. Doch in der Antwort des Ministeriums kommen die Kioske nicht vor. An Behinderte scheinen sie sich also nicht zu richten.
Die „Vereine“, die als Erste Gesundheitskioske an den Start gebracht haben, bemühen ebenfalls eine aufwendige Sprache, um ihre Existenz zu rechtfertigen. Holt man die Luft aus diesen aufgeblähten Wortwolken, bleibt die Mehrsprachigkeit der Kioske als ihr Verkaufsargument übrig. Der Muster-Gesundheitskiosk in Hamburg-Billstedt verspricht seinen Kunden neben der Mehrsprachigkeit noch ein allgemeines Gespräch über Gesundheit sowie ein Gespräch über die richtige Ernährung.
Medizin-Dolmetscher für Leute, die nach wenigen oder vielen Jahren in Deutschland kein Deutsch können; dazu Tipps, die auch Dr. Google bietet wie: eher frische Lebensmittel statt Konserven, lieber Gemüse statt Fett, Fleisch und Zucker. Dafür will Lauterbach einen Apparat mit 1.000 Einrichtungen bundesweit aufbauen. Parallel zu den bisherigen Arztpraxen. Obwohl die Kassen dieses Jahr voraussichtlich zum zweiten Mal in Folge den Beitrag erhöhen müssen. Und obwohl der Staat den Kassen schon jetzt laut GKV jährlich 10 Milliarden Euro zu wenig für die Gesundheitsversorgung der Menschen zahlt, die von Transfers leben, etwa Empfänger von Bürgergeld oder halt „Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf“.
Das Gesundheitswesen sieht Lauterbachs großmündig angekündigten Pläne entsprechend kritisch. Zu den Kosten könne der Dachverband GKV nichts sagen, antwortet uns dieser aktuell. Knapp einem Jahr nach Lauterbachs Presseauftritt liege immer noch kein entsprechender Gesetzesentwurf vor. Da dieses Projekt im Wesentlichen von den Kassen bezahlt wird – also von den Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber – lehnt die GKV es ab.
Auch die Apotheker haben nun entdeckt, dass da für viel Geld eine neue Struktur aufgebaut wird, die sie selbst bereits bedienen. Zumindest wollen sie dabei sein, wenn Lauterbach weiteres Geld verteilt. In der Ärzte-Zeitung sagte die Präsidentin der Apothekenkammer Berlin, Kerstin Kemmritz: „Man könnte überlegen, ob es nicht sogar verpflichtend sein müsste, Apotheker in Gesundheitskioske und Primärversorgungszentren einzubinden.“
Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin wurde schon im September deutlicher: „Sinnvoller und kostengünstiger wäre es, bereits bestehende und funktionierende Strukturen in der ambulanten Versorgung zu stärken … Die Einführung einer weiteren Versorgungsebene ist aus unserer Sicht nicht zielführend. Das Leistungsspektrum wird bereits von vielen etablierten Modellen abgedeckt.“
Lauterbachs Vorzeigeprojekt in Hamburg baut derweilen seinen Personalbestand auf. So schreibt der Gesundheitskiosk zwei Stellen aus: Beratende Pflegefachkräfte für mindestens zwölf Stunden die Woche und einen Werksstudenten für die Öffentlichkeitsarbeit mit 15 bis 20 Stunden. Schließlich muss die Versorgung von „Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf“ auch ins rechte Licht gesetzt werden.
Am Ende geht es ums Geld. So wie bei einem Gesundheitskiosk in Essen. Die Krankenkassen sollen 75 Prozent der Kioskkosten bezahlen. Nur? Welche Krankenkasse? In Essen schlug die AOK jetzt Alarm und wandte sich dafür an die WAZ. Auch andere sollten dort für den Gesundheitskiosk bezahlen. Solch ein Chaos kann sich einstellen, weil das Ministerium ein Jahr nach der Ankündigung seines Chefs noch nicht geliefert hat.
Die Frage, wie es mit den Gesundheitskiosken weitergeht, umschreibt Lauterbachs Ministerium daher in seinem üblichen Aussagen-Umgehungs-Geschwurbel: „Vorgesehen ist, die Möglichkeit zur Etablierung von Gesundheitskiosken auszuweiten: Das Bundesministerium für Gesundheit erarbeitet derzeit eine entsprechende gesetzliche Grundlage.“ Immerhin hatte Lauterbach seinen Presseauftritt und es bleibt, wie so oft bei ihm, das Gefühl: Hatte er Aufmerksamkeit und die Chance, das Geld anderer Leute zu verteilen, dann ist dieser Minister schon zufrieden.
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Bei allem verständlichen Sarkasmus über die neuste Idee unseres wirren Professors muss erwähnt werden, dass es solche Kioske tatsächlich schon in den grossen chinesischen Zentren gibt: Kabinen mit Bildschirmen, die mittels KI bei den einfacheren (also etwa 70%) Gesundheitsproblemen Hilfe- und Leitfunktion haben. Das reicht von der Übermittlung eines Rezepts an die nächste Apotheke bis zur Empfehlung, diesen oder jenen Arzt aufzusuchen. Natürlich hätten wir in Deutschland ein großes Akzeptanzproblem, aber man sollte die Leistungen der KI bei oben genannten Funktionen nicht unterschätzen. Beispiel: de.husdtouch-ae.com
In meinem Kiosk kaufe ich meine Zigaretten und Zeitungen oder Zeitschriften, „SZ“ und „Zeit“ eher nicht, dafür die „Junge Freiheit“ oder „Tichys Einblick“.
Von Gesundheit ist in meinem Kiosk weit und breit nichts zu sehen.
Für mich liest sich das wie eine „Erziehungsanstalt“ für Ausländer aus unterentwickelten Ländern.
Ich persönlich brauche keinen Kiosk. Ich brauche einen Arzt, wenn ich krank bin. Aber selbst da hapert es ja in Deutschland an allen Ecken und Enden.
Gesundheitskiosk? Da kann dann jeder abgelaufene Medikamente, die es in der Apotheke eh nicht mehr gibt, abgeben und Oma Else schaut nach dem Flaschensammeln mal rein und kriegt vielleicht dort ihre Herztropfen, die so dringend benötigt in diesem Land des „Wertewestens“, wo „Menschenrechte“ oberste Priorität haben!?
Es muß um 1963/64 gewesen sein, da hatte ich als Kind eine Lungenentzündung. Da kam doch tatsächlich der Hausarzt mit seinem Wartburg 311 (wir lebten in einer Kleinstadt in der DDR) vorbei und rammte mir eine Penecilin- Spritze in den Allerwertesten (tat höllisch weh, aber ich hab es überlebt). Viele Jahre später (nun in Nürnberg) hatte ich eine akkute Magen-/Darm Grippe und rief meinen damaligen (er ist es nicht mehr) Hausarzt an (Praxis fußläufig 200 m von meiner Wohnung entfernt), ob ich schnell mal vorbeikommen könne. Hatte der Sprechstundenhilfe erklärt, was ich hatte, auch dass ich eine Arbeitsbefreiung und möglichst… Mehr
Also mein Schwager berichtete folgendes: Er saß nach schwerer aber lebensrettender OP zur Nachuntersuchung im Wartesaal des örtlichen (inzwischen von „Gesundheitsminister“ „Manne“ Lucha, Partei des grünen Paradieses, geschlossenen) Krankenhauses. Trotz Termin stundenlang, müde und mit Schmerzen. Da schwang die Tür auf, ein deutscher Sprache nicht mächtiger Schutzsuchender zwischen zwei deutschen Begleitern kam hereingeschneit und sie gingen schnurstracks ins Büro, um dort mit Nachdruck die sofortige Behandlung zu fordern. Dem wurde nachgekommen: Der Asylant wurde vorgezogen Meine Nichte hingegen war zur Coronazeit schwanger. In der Klinik musste sie allein auf die Untersuchung warten, denn ihrem Mann war wegen der „Pandemie“ untersagt,… Mehr
Ein Gesundheitskiosk ist dann wohl sowas wie ein Streetworker-Café e.V., wo hinten noch der alte Container vom mobilen Schnelltestzentrum auf dem Hof steht, mit niederschwelligem Druckerservice für AOK-Patientenkarten, die man mit seinem Wunsch-Namen individualisieren kann.
Gemeinsam mit einigen Nachbarskindern habe ich gerade heute schon den dritten Gesundheitskiosk eröffnet.
Wir bieten dort gesammelte Zigarettenkippen und ausgespuckte Kaugummis an, Hundetüten, jetzt saisonhalber auch wieder Wegschnecken, gegen Aufpreis gibt es noch einen wirkungssteigernden Zauberspruch und als Beipackzettel gebrauchtes Toilettenpapier.
Ganz billig ist das für die Kundschaft natürlich nicht, aber dafür wird Prof. Dr. Lauterbach, wenn ich mal wieder in Berlin bin, sich beim Blick aus seinem Bürofenster meines vergoldeten Sportwagens erfreuen können, ich werde ihm fröhlich dreifach zuhupen 🙂
Ein hochgefährlicher Psychopath, der ganz offensichtlich auch nicht mehr alle Kugeln am Baum hat, wurde zum Gesundheitsminister ernannt und all die Vertreter von Kassen und Ärzteverbänden tun so, als merkten sie es nicht. Sie reden mit ihm wie mit einem ganz normalen Menschen, was einen wirklich normalen Menschen zwangsläufig dazu bringt, langsam auch an deren Verstand zu zweifeln. Ob die neuesten Kapriolen von Lauterbach oder Des Kaisers Neue Kleider, ich sehe da keinen, wirklich KEINEN Unterschied – obwohl … doch, einen gibt es: In dem Märchen genügte eine einzige Bemerkung um die Leute aufzuwecken. Hier schlafen sie einfach weiter, obwohl sehr… Mehr
Warum die Gesetze oft so schlecht sind: Weil die Politiker von der ANKÜNDIGUNG profitieren, denn dann kommen sie in die Presse, aber nicht von der UMSETZUNG, die kontrovers, kompliziert, kleinteilig, mühsam usw. ist, so dass die Presse sich darum nicht oder fast nicht kümmert.
Das ist im jetzigen politischen System Methode. So auch hier.
Ich gehe lieber zum Schamanen meines Vertrauens, als dem Scharlatan der Nation zu vertrauen!
Ja. Das Betrachten des gut ausgesuchten Bildes hat mich auch wieder bestätigt. Wie kann es sein, dass man diesem Mann Vertrauen schenkt und ihm die Entscheidung über das Wichtigste überlässt, das man hat – seine Gesundheit?