Christian Lindner und ein Bündel an Täuschereien

Das Kabinett hat sich auf einen Haushalt für das nächste Jahr und einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr geeinigt. Finanzminister Christian Lindner versucht, sich damit als solider Haushalter zu inszenieren. Doch das ist ein plumper Etikettenschwindel.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, Kkabinettssitzung am 17. Juli 2024

Der Sinn mancher Sprachen ist es, nicht verstanden zu werden. Das gilt vor allem für Politikerdeutsch. „Nachtragshaushalt“ ist zum Beispiel ein Begriff, der einen Sachstand zwar korrekt wiedergibt, aber unter dem sich wenige etwas Konkretes vorstellen können. Nun hat das Kabinett für das laufende Jahr einen Nachtragshaushalt beschlossen, der weitere rund zwölf Milliarden Euro Schulden vorsieht. In eine für alle verständliche Sprache übersetzt heißt das: Schon zur Hälfte des Jahres kommt Finanzminister Christian Lindner (FDP) trotz Rekordsteuern nicht mehr mit unserem Geld aus. Um eben diese zwölf Milliarden Euro haben er und die Bundesregierung über die Strenge geschlagen.

Trotzdem versucht Christian Lindner, sich als soliden und seriösen Haushalter zu inszenieren. Was für eine Täuscherei das ist, zeigt sich in dem Entwurf, den der Finanzminister für den Haushalt des nächsten Jahres vorgelegt hat und den das Kabinett von Kanzler Olaf Scholz (SPD) abgeknickt hat: Bei einem Umfang von rund 480 Milliarden Euro sieht der 44 Milliarden Euro neue Schulden vor. Offiziell. Gerade so viel, wie die „Schuldenbremse“ erlaubt. Jenes Label, das dem Finanzminister die Attribute solide und seriös versichern soll.

Zahlen des Statistischen Bundesamt
Die Fixkosten würgen der Ampel die Luft ab
Doch mit der Art, wie Lindner weitere Schulden verschleiert, beginnt die Täuscherei erst so richtig. Los geht die wilde Fahrt: Trotz 44 Milliarden offiziell eingeräumter Schulden fehlen im Haushalt immer noch 17 Milliarden Euro. Trotz einem Rekord an Steuerlast sind ein Zehntel von Lindners Haushalt also nicht mit Einnahmen gedeckt.

Rund neun Milliarden Euro will Lindner durch „globale Minderausgaben“ aufbringen. Das heißt: Manche Kosten sollen nicht so hoch ausfallen, wie sie im Entwurf kalkuliert sind. So erwartet Lindner, dass Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) etwa 3,5 Milliarden Euro weniger ausgibt als vorläufig geplant. Etwa, indem die Kosten fürs Bürgergeld nicht so hoch ausfallen wie gedacht. Nur: Seit die Ampel das Bürgergeld eingeführt hat, verspricht sie, dass die Zahl der Empfänger zurückgeht – tatsächlich steigt die Zahl aber. Zuletzt auf vier Millionen erwerbsfähige Empfänger. Die „globalen Minderausgaben“ könnten also zur Luftnummer werden.

Kindergrundsicherung gescheitert
Christian Lindner wischt grünen Herzenswunsch vom Tisch
Dieses Vorgehen als Gipfel der Unseriosität zu bezeichnen, wäre voreilig. Und unfair. Denn Lindner hat in Sachen Täuscherei noch viel mehr drauf. So sollen laut Handelsblatt staatsnahe Einrichtungen wie die Autobahngesellschaft künftig keine Zuschüsse, sondern Kredite erhalten. Wobei in dem Zusammenhang „Kredite“ eindeutig Teil einer Sprache sind, die nicht nur nicht verstanden werden soll – sondern die absichtlich falsch verstanden werden soll. Anders als bei dem Wort „Kredite“ üblich wird die Autobahngesellschaft dieses Geld nie zurückzahlen können. Faktisch macht die Ampel Schulden, nennt sie Kredite, hält somit offiziell die „Schuldenbremse“ ein und versucht daraus abzuleiten, dass ihr Finanzminister solide und seriös arbeite. Angesichts eines solchen Vorgehens verwundert es wenig, wenn die Ampel Kritik an ihrer Politik kriminalisieren muss. Die Kritik würde sonst zu laut.

Doch es werden immer mehr, die zu den Täuschereien der Ampel nicht mehr schweigen wollen. Zum Beispiel „Die Familienunternehmer“. Ein Verband, der nach eigenen Angaben 180.000 Unternehmen vertritt. Ihre Präsidentin Marie-Christine Ostermann moniert, dass der Ampel ein „Plan B“ fehle, falls sich Umbuchungen wie die an die Autobahngesellschaft als „rechtlich nicht haltbar“ erweisen. Dann würde die Bundesregierung nächstes Jahr wieder ohne verfassungsgemäßen Haushalt dastehen.

Die Familienunternehmer richten den Scheinwerfer auf eine andere zweifelhafte Buchung der Ampel: Die Regierung hat mit dem Eckwurf eine „Wachstumsinitiative“ vorgelegt. Eine Liste von Projekten, für die es größtenteils nicht mal einen Entwurf gibt. Auf die Entwürfe müssen sich die Ampelfraktionen dann erst noch einigen und da sie den Haushalt betreffen, müssen die Beschlüsse dann obendrein noch durch den Bundesrat. Ob, wann und wie diese Projekte kommen, ist also noch reichlich unklar.

Nachtragshaushalt 2024:
Habecks Versagen bildet sich konkret im Haushalt ab
Trotzdem hat Finanzminister Lindner in den nächsten Haushalt 6,1 Milliarden Euro an Mehreinnahmen eingestellt, die dem Bund als Effekt aus den noch losen Vorhaben zufließen sollen. Das ist so, als ob ein 130 Kilo schwerer Mann eine Diät ankündigt und als ersten Schritt drei Nummern kleinere Hosen im Dutzend bestellt – und im zweiten Schritt eine Pizza XXL mit Extra-Käse.
Denn statt weniger werden die Ampelfraktionen künftig mehr Geld ausgeben wollen. Vor allem die Grünen. Sie monieren, dass Lindner dem Außenministerium und dem Ministerium für Entwicklungshilfe etwas vom Etat weggenommen hat. Sie wollen die Kindergrundsicherung immer noch in ihrer ursprünglichen Form und sie wollen beim Bürgergeld eher expandieren als sparen. Da sind sie sich mit großen Teilen der SPD einig. Auch kostet ihre „Energiewende“ den Steuerzahler kaum noch berechenbare Summen.

Doch gut möglich, dass Lindner seines Amtes enthoben ist, bis sich seine Täuschereien als solche offenbaren. Wenn nach der Bundestagswahl 2025 die ganzen „Nachtragshaushalte“ kommen, die beweisen, dass die Rechnungen des FDP-Chefs nicht mehr wert sind als das Papier, auf das sie gedruckt werden. Sollte Lindner wider Erwarten doch wiedergewählt werden, wird er sich noch viel mehr Täuschereien einfallen lassen müssen. Dann fehlen im Verteidigungsetat knapp 30 Milliarden Euro, dann tritt die Rentenversicherung über alle Ufer und dann muss der Bund all die Wummse, Entlastungspakete und Doppelwummse zurückbezahlen, die er unter Olaf Scholz rausgehauen hat. Unter Scholz als Kanzler und unter Scholz als Finanzminister, der als solcher auch schon versucht hat, sich als solide und seriös zu verkaufen.

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Kommentare ( 21 )

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89-erlebt
1 Monat her

Was soll immer dieses Gejammer ?
Die mehrheitlich gewählten, leitenden Angestellten verschenken zig Mrd Steuergeld in alle Welt, verbrennen noch mehr Mrd für die Alimentierung junger EinMänner aus AfriArabien und pumpen aberwitzige Mrd in das bodenlos Fass Selensky … all das ist noch lange nicht genug !! Der Krug wird in tausend Scherben zertrümmert.

Ron
1 Monat her

Wer eigentlich gab dieser, aber auch vorherigen Regierungen den Auftrag unser Steuergeld zu verschenken? Glauben die Deutschen, sich ehrliche Freundschaft erkaufen zu können? Weniger Präpotenz, klare Standpunkte u.v.a. Handschlagsqualität würden uns mehr Achtung verschaffen. Mit Klimagedöns, Gendergaga macht sich nicht nur Deutschland lächerlich, doch Radwege in Peru finanzieren, Entwicklungshilfe an China oder Indien zu zahlen, bei gleichzeitiger Deindustrialisierung ist nur noch absurd und wird weltweit auch so wahrgenommen. Respekt und Freundschaft kann man nicht kaufen. Wer erklärts den Idioten (= Fachfremden, Laien) in Berlin?

Juergen Semmler
1 Monat her

Christians „Milchmädchen-Rechnung“ ….frei nach der Fabel von Jean de la Fontaine… …La Laitière et le Pot au lait“ Die Milchfrau und die Milchkanne . In der Neuverfilmung… „Die Ampel-Kolchose ‚Klamme Kasse‘ und der Haushalt“. Da macht sich Christian Lindner (der Finanz-Ober-Melker) der Ampel-Kolchose „ Klamme Kasse“ auf den Weg zur „rotgrünen Spendentafel Wünsch-Dir-Was“ und stellt sich bereits vor, was es mit dem ZEHNT und den AKZISEN (Steuer-Erlösen) der Bürger so alles leisten könnte, wird dann aber zuguterletzt doch noch unversehens zurückgepfiffen und auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt vom Höchsten Landesherrlichen Gericht wegen Vortäuschens falscher Tatsachen. Im Alten Orient wurden… Mehr

Gabriele Kremmel
1 Monat her

Dazu kommt dann noch der Plan, mit der verpflichtenden Lohnsteuerkombination von IV/IV statt V/III bei Eheleuten sich ein zinsloses Darlehen zu verschaffen, das bei den Familien mit mehreren Hundert Euro pro Monat fehlendem verfügbaren Budget zu Buche schlägt. Das verkauft man dreist und falsch als Frauenförderung und dient doch nur als vorübergehende Erhöhung der Steuereinnahmen.

Michael Palusch
1 Monat her

Überlege gerade, wer auf TE es war, der die FDP nach der Wahl 2021 quasi als Erdungsstab für die Grünen und die SPD feierte. Inzwischen scheinen alle TE-Autoren vom FDP-Optimismus geheilt, bis auf den einen Unerschütterlichen -Schummelhaushalt hin, Eingriffe in die Pressefreiheit- der wahrscheinlich auch noch bei 0,x% in der FDP den Wächter des Liberalismus und der Bürgerrechte wähnt.

alter weisser Mann
1 Monat her

Der Ampel gilt es schon als Leistung, überhaupt etwas zu verabschieden. Selbst wenn es von vorn herein grober Murks ist, wird man dann wieder Sondersituationen behaupten, nicht wissen gekonnt haben, Putin oder auch Trump bemühen etc. pp.. Alles weil die Handelnden es ja kein Stück besser können und es bequem so ist. Die wissen nichts und wollen von nichts was wissen nichts und können daher auch nichts angemessen einschätzen. Damit es nicht soviel Theater gibt, kungeln die „Drei von der Tankstelle“ (Scholz, Habeck, Lindner) die Haushaltsfragen in kleiner Runde aus und die Fachminister können problemlos mit „ich hätte es anders… Mehr

rainer erich
1 Monat her

Verstehe ich nicht. Die Berichterstattung auf ntv, gerade im Sportstudio mehr oder weniger freiwillig gelesen, natuerlich ohne Ton, und insbesondere der Auftritt des integren Finanzministers, vermittelte einen ganz anderen, deutlich postiveren Eindruck.

Sun Zhongshan
1 Monat her

Maue fünf Prozent?“ Bei dem, was sich die FDP in den letzten drei Jahren geleistet hat, sind fünf Prozent gigantisch. Wer wählt nach diesen drei Jahren noch FDP?

Markus Gerle
1 Monat her

Und man beachte, dass von Entlastungen bei Steuern und Abgaben schon lange keine Rede mehr ist. O. k., der Steuerfreibetrag wird geringfügig erhöht, weil es sonst vermutlich angesichts der starken Geldentwertung wieder Ärger mit dem BVerfG gegeben hätte. Auch das sog. „Klimageld“ hat sich ja als Wahlkampflüge der Grünen entpuppt. Eine Erhöhung der Luftsteuer wurde von Habeck dagegen schon angekündigt. Das ist insofern bemerkenswert, da selbst die links-grüne Regierung nun ja offiziell zugegeben hat, dass die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland für die arbeitende Bevölkerung eigentlich unzumutbar ist. Direkt haben sie das natürlich nicht gesagt. Aber indem sie signifikante Steuererleichterungen… Mehr

Haba Orwell
1 Monat her

> Dann fehlen im Verteidigungsetat knapp 30 Milliarden Euro

Außer Großkunde bei Rheinmetall wüsste ich nicht, wozu die Bunteswehr gut sein sollte. Am ehesten rutscht Buntschland in einen Krieg, wenn es andere Länder überfällt – „für Demokratie“ selbstredend. Und zwar eine solche, wie von Frau Faeser praktiziert.