Joachim Gauck: „Mich erschreckt der Multikulturalismus“

Vom Eise des Amtes befreit spricht sich der ehemalige Bundespräsident für das aus, was er im Amte irgendwie verboten hatte. Willkommen zurück.

© Sean Gallup/Getty Images

Ex-Bundespräsident Joachim Gauck bekennt sich zu Nation und fordert dazu auf, negative Ausprägungen des Islam zu kritisieren. Was eigentlich selbstverständlich scheint, dann tabuisiert war, wird wieder eingefordert. Selbst der Nationalstaat und dessen mögliche Überforderung wird thematisiert.

Erstaunlich – diese Position von einem Mann, der während seiner Amtszeit zwischen Hell- und Dunkeldeutschland eine scharfe Trennlinie gezogen hat? Der dazu beigetragen hat, Kritiker auszugrenzen? Wie dem auch sei – dem Text seiner Rede, die wir hier im Auszug dokumentieren, ist nichts hinzuzufügen (weitere Auszüge der Rede finden Sie bei RP-Online).

„(…) Ein Nationalstaat darf sich nicht überfordern. Wer sich vorstellt, quasi als imaginierter Vertreter eines Weltbürgertums alle Grenzen des Nationalstaates hinwegzunehmen, überfordert nicht nur die materiellen, territorialen und sozialen Möglichkeiten eines jeden Staates, sondern auch die psychischen Möglichkeiten seiner Bürger. Sogar der weltoffene Mensch gerät an seine Grenzen, wenn sich Entwicklungen vor allem kultureller Art zu schnell und zu umfassend vollziehen.

Einen großen Einfluss in der Integrationspolitik hat lange Zeit die Konzeption des Multikulturalismus gehabt: Was sich auch immer hinter den einzelnen Kulturen verborgen hat – Vielfalt galt als Wert an sich. Die Kulturen der Verschiedenen sollten gleichberechtigt nebeneinander existieren, für alle verbindliche westlich-liberale Wertvorstellungen wurden abgelehnt. Ich verstehe, dass es auf den ersten Blick tolerant und weltoffen anmuten mag, wenn Vielfalt derart akzeptiert und honoriert wird. Wohin ein solcher Multikulturalismus aber tatsächlich geführt hat, das hat mich doch erschreckt.

So finde ich es beschämend, wenn einige die Augen verschließen vor der Unterdrückung von Frauen bei uns und in vielen islamischen Ländern, vor Zwangsheiraten, Frühheiraten, vor Schwimmverboten für Mädchen in den Schulen. Wenn Antisemitismus unter Menschen aus arabischen Staaten ignoriert oder mit Verweis auf israelische Politik für verständlich erklärt wird. Oder wenn Kritik am Islam sofort unter den Verdacht gerät, aus Rassismus und einem Hass auf Muslime zu erwachsen. Sehe ich es richtig, dass in diesen und anderen Fällen die Rücksichtnahme auf die andere Kultur als wichtiger erachtet wird als die Wahrung von Grund- und Menschenrechten?

Ja, es gibt Hass und Diskriminierung von Muslimen in unserem Land. Und sich diesem Ressentiment und dieser Generalisierung entgegenzustellen, sind nicht nur Schulen und Politik gefordert, sondern jeder Einzelne. Beschwichtiger aber, die kritikwürdige Verhaltensweisen von einzelnen Migranten unter den Teppich kehren, um Rassismus keinen Vorschub zu leisten, bestätigen Rassisten nur in ihrem Verdacht, die Meinungsfreiheit in unserem Land sei eingeschränkt. Und sie machen sich zum Verbündeten von Islamisten, die jegliche, auch berechtigte Kritik an Muslimen abblocken, indem sie sie als rassistisch verunglimpfen.

Zu viele Zugezogene leben noch zu abgesondert mit Werten und Narrativen, die den Gesetzen und Regeln und Denkweisen der Mehrheitsbevölkerung widersprechen, zu viele leben hier seit vielen Jahren oder gar Jahrzehnten, ohne die Geschichte dieses Landes zu kennen. Um das zu ändern und uns gemeinsam auf eine Zukunft in diesem Land zu verständigen, brauchen wir – wie einst zwischen einheimischen und vertriebenen Deutschen – vor allem eines: mehr Wissen übereinander. Mehr Dialog. Mehr Streit. Mehr Bereitschaft, im jeweils Anderen unseren eigenen Ängsten, aber auch neuen Chancen zu begegnen. (…)“


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Kommentare ( 449 )

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Andreas
6 Jahre her

Als Herr Gauck noch Bundespräsident war, konnte man meines Wissens kein einziges Mal auch nur in Zwischentönen das hören, was er jetzt von sich gibt. Ich frage mich, ob die Ansichten eines hochrangigen und langjährigen Vertreters dieses Landes sich in so kurzer Zeit ändern können. Es erscheint mir unplausibel. Damit bleibt mir nur die Folgerung, dass der höchste Vertreter dieses Landes die Bürger über seine gesamte Amtszeit in Bezug auf seine wirklichen politischen Ansichten unverfroren belogen hat. Nun ist Lügen unter Politikern im allgemeinen keine große Sache, jedoch bei einem Bundespräsidenten? Und man fragt sich, ob er ein Einzelfall war.… Mehr

A.S.
6 Jahre her

Ich hatte von Joachim Gauck eine sehr hohe Meinung. Bis er als Bundespräsident jeden Mut fehlen ließ und sich in den Chor der buntgeschmückten Narrenrepublik einreihte, deren einzige Sorge ein Erstarken von Pegida war.

Geert Aufderhaydn
6 Jahre her

Uhde, jetzt auch Gauck. Schämen die sich gar nicht?!

ginamaus
6 Jahre her

„OHNE AMT KOMMT DER VERSTAND“

Treffender hätte man das in Bezug auf Gauck nicht formulieren können. Dieser Mann hätte im Amt den Mund aufmachen sollen. Jetzt braucht er es nicht mehr.

Wähler
6 Jahre her

Die nicht Regierung ist für viele schon jetzt nicht mehr tragbar. .Neu wählen …nur welche Partei. Multikulti will doch wirklich keiner nur wenn man sich dagegen stellt ist man gleich Rechts.Deutschland ist weich gespült. Weihnachten ist Lichterfest wir geben uns selber auf macht man sich gleich klein wenn Mann oder Frau sich deutsch nennt. Sind wir den nicht mehr froh das wir und unser Eltern Deutschland zu dem gemacht haben was es ist .Wir dürfen auch stolz sein Deutsch zu sein.

WolfK
6 Jahre her

Too little too late Herr Pastor!

Udo Kemmerling
6 Jahre her

Ein Bundespräsident sollte IM AMT den Mund aufmachen und offen sprechen. Erst katzbuckeln vor dem Zeitgeist und dann auf einmal Einsichten haben, die andere schon lange vorher hatten ist komplett wertlos.

Reinhard Schröter
6 Jahre her

Es gibt Gründe sich nach langer Ehe nicht mehr scheiden zu lassen, die kann man respektieren. Nicht respektieren allerdings kann man, dass ein evangelischer Pastor mit so einem familiären Hintergrund dann Bundespräsident werden musste und auch wollte und mit seiner, nun wie soll man sagen, Freundin , Geliebten oder Konkubine, in’s Schloß Bellevue einziehen könnte. Der Steuerzahler hatte dann das Vergnügen diese Frau auszuhalten und dem Prinzgemahl der Königin Margarete von Dänemark zum Beispiel,, wurde diese Frau als protokollarisch gleichwertig zugemutet. Und das er uns, die schon früher Erschrockenen dann schon mal als Problem und Dunkeldeutsche bezeichnet hat, zeugt nur… Mehr

giesemann
6 Jahre her

Ob die Angst von Herrn Gauck vor „Multikulturalismus“ begründet ist oder nicht, lasse ich mal dahin gestellt. Mir scheint eher die Gefahr zu bestehen, dass durch den Einbruch sunnitisch-moslemischer Immigranten die Vielfalt von Kulturen hierzulande weniger wird, langsam, schleichend, ganz nach Vorbild der Herkunftsländer der Immigranten. Dort wird nichts geduldet, was nicht passt. Die immensen Kosten der Immigration machen mir schwindelig – wir finanzieren das alles auch noch, gezwungenermaßen, heftigst gezwungen durch den Fiskus. Der Fall Pinneberg – Stichwort Zweitfrau – wirft ein Schlaglicht auf das Phänomen „demographische Eroberung“. Das Ziel der Eroberer ist eben nicht „Multikulti“, sondern das Gegenteil.… Mehr

Jens Frisch
6 Jahre her

Wenn ich den Gauck sehe, muss ich immer an dieses russische Sprichwort denken:
„Wo der Teufel nicht hin will, schickt er einen Pfaffen oder ein altes Weib.“
Bei Deutschland wollte er wohl auf Nummer Sicher gehen…

Casa Done
6 Jahre her
Antworten an  Jens Frisch

Der Spruch ist stark!