Jetzt Harris statt Biden? So einfach ist es nicht

Erst erklärten Medien Joe Biden für unentbehrlich – jetzt gilt für die Vizepräsidentin Kamala Harris schon gesetzt. In Wirklichkeit stehen die Demokraten bei ihrer Kandidatensuche gleich vor mehreren Problemen.

picture alliance / ZUMAPRESS.com | La Nacion

Noch kurz vor seinem Abflug ins Wochenende zurück nach Delaware hatte Präsident Joseph Biden versichert, er bleibe auf jeden Fall Kandidat. Während viele US-Medien schon vorher über den Zeitpunkt seines Rückzugs spekulierten, präsentierten die deutschen ihrem Publikum noch die Gewissheit von vorgestern. „Biden sitzt wieder fester im Sattel“, erklärte der als Amerika-Experte geltende ZDF-Mitarbeiter Elmar Theveßen.

Am Sonntag tat Biden nun das Unvermeidliche: Er erklärte seinen Rückzug von der Kandidatur, und empfahl in der gleichen schriftlichen Mitteilung seine Vizepräsidentin Kamala Harris als Ersatz für die Wahl am 5. November. Zu heftig war das halböffentliche Drängen der Parteigranden wie Chuck Schumer und Nancy Pelosi geworden, der 81-Jährige möge angesichts seines mentalen und körperlichen Zustandes den Weg freimachen. Mehrere potenzielle Großspender kündigten außerdem an, ihre Überweisungen zurückzuhalten, solange Biden auf die Kandidatur bestehe.

Allerdings verschafft Bidens Schritt den Demokraten nicht die erhoffte Befreiung: Obwohl offenkundig von seiner Krankheit gezeichnet und längst nicht mehr auf der Höhe, besteht er darauf, bis zum Ende seiner Amtszeit im Januar 2025 im Weißen Haus zu bleiben. Der von ihm empfohlenen Harris enthält er so die Möglichkeit vor, mit den Ressourcen einer Präsidentin in den Wahlkampf zu gehen.

Aber ist überhaupt schon geklärt, dass Harris jetzt wenigstens die Kandidatur erhält? Ja und nein. Ex-Präsident Barack Obama, der in der Demokratischen Partei noch immer als Schwergewicht gilt, rief Harris nicht als kommende Spitzenfrau aus, sondern forderte erst einmal eine Art neuen Vorwahlkampf, um die Kandidatin oder den Kandidaten zu küren: „Wir bewegen uns in den kommenden Tagen in unbekannten Gewässern. Aber ich habe das außergewöhnliche Zutrauen, dass die Führer unserer Partei einen Prozess kreieren, der einen herausragender Bewerber hervorgeht.“

Denn die Auswahl der Kandidaten liegt in den USA bei den Demokraten wie den Republikanern in der Hand der Basis. Diese Vorwahl gab es schon, aus ihr ging erwartungsgemäß Biden als Kandidat hervor. Jetzt muss die Partei die Konkurrenz mehrerer Bewerber provisorisch und auf die Schnelle organisieren, wenn sie ihre Prinzipien nicht völlig über Bord werfen will.

Nur: Bis zum Konvent der Demokraten am 19. August bleiben weniger als vier Wochen. Das lange Klammern Bidens engt den Spielraum der Demokraten jetzt enorm ein. Aber auch Harris selbst akzeptiert, dass ihr nicht automatisch die Kandidatur zufällt. Sie meinte, sie wolle sich jetzt die Spitzenposition „verdienen“. Allerdings, und darin liegt das zweite Problem der Demokraten, kommt kaum ernsthaft eine Alternative zu Harris in Frage. Denn nur sie könnte den mit derzeit 92 Millionen Dollar gefüllten Spendentopf der Biden-Harris-Kampagne ohne große rechtliche Probleme übernehmen.

Andere mögliche Anwärter, etwa der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom oder die mögliche Bewerberin Gretchen Withmer, Gouverneurin von Michigan, müssten mit dem Spendensammeln von vorn beginnen. Es gibt zwar eine große Plattform, die kandidatenunabhängig Geld sammelt, und mehrere Großspender, die auch für jemand anderes als Harris Geld geben würden. Auf fast 100 Millionen Dollar verzichtet aber niemand so ohne Weiteres – zumal Donald Trump mittlerweile über mehr finanzielle Mittel verfügt als die Gegenseite.

Fazit: Die Demokraten müssen jetzt unisono Harris als großartige Politikerin loben, und gleichzeitig erklären, warum sie Biden trotzdem nicht gleich ins Präsidentenamt folgen darf. Sie müssen einen Auswahlprozess im Eiltempo organisieren – aber eigentlich gibt es keine wirkliche Auswahl. Und Harris müsste eigentlich umgehend jemand benennen, der oder die an ihrer Seite um den Vizepräsidentenposten kämpfen soll. Das geht allerdings schlecht, solange sie sich noch zurückhalten und abwarten muss, wie die Partei nun eine Bewerberkonkurrenz bis zum 19. August organisiert oder vielmehr übers Knie bricht.

Faktisch stehen Trump und J. D. Vance vorerst ganz allein im Ring. Auch das gab es bei Präsidentschaftswahlen bisher noch nicht.

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Kommentare ( 40 )

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mediainfo
1 Monat her

Jetzt geht das los mit dem medienweiten Hochschreiben von Harris, mit dem Andichten positiver Eigenschaften bis zur Auswahl besonders dynamischer Fotos. Am besten übe ich vier Monate Medienabstinenz.

Mikmi
1 Monat her

Seien wir doch mal ehrlich, Trump sollte auch zurücktreten, Aussetzer hatte er genug und rechtskräftig verurteilt ist er ja nun auch. Diese alten Männer gehören in ein Heim und sollten keine Atommacht leiten.
Und verloren ist die Wahl erst am Tag nach der Wahl, die Demokraten haben Vernunft gezeigt, jetzt sind die Republikaner am Zug.

A.Kroemer
1 Monat her

Erst erklärten Medien Joe Biden für unentbehrlich – jetzt gilt für die Vizepräsidentin Kamala Harris schon gesetzt. Es hätte völlig ausgereicht sich mal die Nachrichten der letzten Tage anzuschauen, wo es an einem Tag zwei grundverschiedene Meldungen zu Bidens Präsidentschaftswahl ging. So berichtete eine Meldung, dass Biden weitermacht, aber die andere, dass Biden die Kandidatur zurückzieht. Jetzt hätte man nur eines machen müssen: Den Zeitstempel beachten! Diese Meldungen kamen nämlich gerade einmal mit einem Abstand von weniger als 30 Minuten aus dem Weißen Haus und dem Dunstkreis von Joe Biden. Zu beachten wäre dabei, von wem die Nachricht verbreitet wurde!… Mehr

fatherted
1 Monat her

Laut den Mainstream Medien liegt Harris nur knapp hinter Trump….hat also eigentlich schon gewonnen….die Wahl könnte man sich schenken….wie damals bei Hillary.

Fatmah
1 Monat her

So eine kritische Berichterstattung gegenüber Trump, bei dem jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird, hätte ich mir mal bei der Vorab Wahlkampfberichterstattung in Deutschland gewünscht. Dann wäre vielleicht manchen klar gewesen, wen sie sich da mit Baerbock und Frau Lang in die Regierung wählen. Narzisstische Menschen ohne jede Ausbildung dafür mit übersteigertem Selbstbewusstsein. Zumindest Frau Lang könnte ich mir noch als Klassensprecherin vorstellen.

Laurenz
1 Monat her

Natürlich ist der Übergang zu Harris ein einfacher. Einfach bei Biden 2 Medikamente weglassen & schon muß Biden zurücktreten & Harris wird als Präsident erstmal vereidigt. Und einen amtierenden Präsidenten nicht zum Kandidaten zu küren, ist schwierig.

Haba Orwell
1 Monat her

Das Böse Medium berichtet, die Republikaner würden nachfragen, ob Biden überhaupt noch am Leben sei und verlangen ein Lebenszeichen. Am Wochenende und danach hat er sich nirgends live gezeigt, nicht mal per Video.

Ulrich
1 Monat her
Antworten an  Haba Orwell

Ein noch böseres Medium (ich) vermutet, dass sich die Democrats bei den Russen erkundigt haben, wie die die alten Sterbestücke des Politbüros der KPdSU um Breshnew (Ukrainer) während der stundenlangen Maidemonstrationen in Bewegung gehalten hatten. „Von der Sowjetunion lernen heißt Siegen lernen!“

Index
1 Monat her

Gott beschütze das Leben von Donald Trump. Mehr denn je. Jegliche andere — ich sage mal — Diskussion ist für mich in den nächsten Monaten, evtl. in den nächsten drei, vier Jahren nachrangig. Bin seit ca. drei, vier Jahrzehnten beileibe kein Freund der USA mehr (aber auch kein Feind, in Gänze geschichtsvergessen sollte man allein anstandshalber nicht sein). War davor mal mein Traumland. Aber man wird ja schließlich erwachsen — wenn man seinen Menschenverstand wegen sprudelnden Gratis-Sektempfängen und Gesinnungsparties nicht am Garderobenständer abgibt und dort verrotten lässt. Und ich hoffe genau deswegen, dass Trump der 47ste wird. Bush Jr., Obama,… Mehr

Dundee
1 Monat her

Ja, das ist die große Frage, die alle beschäftigt. Wer wird jetzt Pretender? Dass Biden niemals Präsident war, sondern immer nur Pretender – sogar bei seinem Abgang auf Twitter – ist ja nun endlich wohl jedem klar. Kein Präsident verabschiedet sich auf Twitter! Wem das nicht klar ist, dem ist echt nicht zu helfen. Schon die Wahl war gefälscht. Biden war nur Pretender und der Pretender, der Schauspieler, ist jetzt ausgefallen. Man hat ihn seit Tagen nicht gesehen. Wer hat auf Twitter für ihn geschrieben? Kate Middelton? Wollen die Amis den Joe jetzt bis zum 25sten Januar verstecken, so wie… Mehr

Last edited 1 Monat her by Dundee
nachgefragt
1 Monat her

Ganz ausgezeichnete Voraussetzungen, um am Ende eine verfassungs- oder gesetzeswidrige Kandidatur zu verkünden, deren Kandidat sich schon vor der Wahl disqualifiziert. Warum sollten die Linken nicht mal die eigene Medizin schmecken.