János Bóka ist Minister der Regierung Viktor Orbáns in Ungarn. Er ist verantwortlich für die Europapolitik des Staates. Gegenüber Tichys Einblick erklärt er sich zufrieden, dass Ungarn eine Erweiterung der EU vorantreiben konnte.
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Dr. János Bóka ist Minister für Europäische Angelegenheiten Ungarns. Damit ist er verantwortlich für die Europapolitik des EU-Außenseiterstaates. Bis Januar hatte Ungarn die Präsidentschaft des Ministerrates der EU inne. Hier versammeln sich die Vertreter der Mitgliedsstaaten bzw. ihrer Regierungen. Tichys Einblick konnte ihn dazu interviewen.
Tichys Einblick: Minister Bóka, im vergangenen Jahr hatte Ungarn die Präsidentschaft des Ministerrates der EU inne. Und schon gleich zu Beginn dieser Präsidentschaft brach Ministerpräsident Viktor Orbán aus Brüssel zu seiner „Friedensinitiative“ auf. Dabei besuchte er die Ukraine, Russland, China, die Türkei und die Vereinigten Staaten. Ist die ungarische Regierung zufrieden mit den Ergebnissen?
János Bóka: Langfristig denke ich, dass die Friedensinitiative ihre Ziele erreicht hat. Die Initiative war allerdings eine Initiative des Premierministers als ein Repräsentant eines EU-Mitgliedsstaats, nicht als Präsident des Rats. Im Rat gibt es keine einheitliche Strategie zum Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Daher war diese Reise nicht als Präsidentschafts-Initiative autorisiert. Wir wollten aber klarstellen, dass es eine Verhandlungslösung geben muss. Es wird keine Lösung auf dem Schlachtfeld geben. Doch um dahin zu kommen, brauchen wir einen sofortigen Waffenstillstand und seriöse Verhandlungen. Wir brauchen Gespräche zwischen der Ukraine und Russland und wir müssen auch mit den anderen interessierten Parteien verhandeln, d.h. mit den Vereinigten Staaten, China und der Türkei. Und nun, Wochen nachdem die ungarische Ratspräsidentschaft endete, haben wir erreicht, dass die Mehrheit der Mitglieder diese Meinung ebenfalls vertritt. Insofern war die Friedensinitiative ein Erfolg.
Konnte Ungarn seine Ziele für die Ratspräsidentschaft erreichen?
Ich möchte so weit gehen zu sagen, dass die ungarische Ratspräsidentschaft ein Erfolg von historischem Ausmaß war.
Das ist eine sehr selbstbewusste Einschätzung.
Mit Blick auf das, was wir erreichen konnten, ist die Bezeichnung „historisch“ durchaus angemessen. Die Erklärung von Budapest zum neuen Deal für die Europäische Wettbewerbsfähigkeit lenkt den Fokus der Institutionen der EU in den nächsten fünf Jahren darauf, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken. Es ist das erste Mal, dass die Staatenführer Europas sich einstimmig darauf geeinigt haben, dass die Europäische Union einen grundlegenden Wechsel im Thema Wettbewerbsfähigkeit braucht. Rumänien und Bulgarien konnten nun endlich ihren zehn Jahre langen Prozess abschließen, um vollständig dem Schengenraum beizutreten. Und auf dem Westbalkan konnten wir erreichen, dass der Prozess des EU-Beitritts wieder aufgenommen wurde, nachdem er zweieinhalb Jahre eingefroren war.
Entgegen der gängigen Meinung in Deutschland war Ihre Politik also nicht anti-europäisch, sondern sogar auf die Ausweitung der EU fokussiert?
Die Diskussion, ob eine Ratspräsidentschaft ein Erfolg war oder nicht, ist vor allem auch politisch und nicht nur eine Frage der Wahrnehmung. Die Ungarische Ratspräsidentschaft wurde schon angegriffen, bevor sie überhaupt begonnen hatte; schon vor unserem Antritt konnte ich Artikel lesen, die die Präsidentschaft als Misserfolg einordneten.
Es gab sogar versuche, die Ratspäsidentschaft früher zu beenden oder gar ganz zu verhindern.
Aus einer politischen Sicht waren solche Bemühungen natürlich verständlich. Ungarn ist nicht anti-EU oder anti-europäisch. Die ungarische Position zur Union, die immer mehr Raum greift, geht entgegen dem politischen Mainstream. Und dieser Mainstream will eben nicht zugeben, dass es eine erfolgreiche Ratspräsidentschaft außerhalb des Mainstream geben kann, denn dann kann es eine Alternative zu ihrer zelebrierten Alternativlosigkeit geben.
Ungarn wurde für seine politischen Positionen auch bestraft: Es wurde von EU-Zahlungen ausgeschlossen und zu Strafzahlungen verurteilt. Ist das eine Gefahr für Ungarn?
Ich denke, es ist vor allem eine Gefahr für die Europäische Union, wenn der Zugang zu EU-Geldern Teil einer politischen Agenda sein kann. Ich glaube, dass Ungarn alle Europäischen Regelungen zur Rechtsstaatlichkeit und die Prinzipien der Europäischen Union einhält. Der Vorgang, uns von den Geldern auszuschließen ist Teil eines politischen Spiels, das die Union als Ganzes beschädigt.
Sie sagen, eines der wichtigsten erreichten Ziele der Ratspräsidentschaft war, die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsstaaten zu stärken. Ein großes Hindernis sind aber die Gesetze, die auf Initiative der Europäischen Kommission umgesetzt werden. Sollte das Recht der Kommission eingeschränkt werden, neue Gesetze vorzuschlagen?
In verschiedensten Gesprächen mit Vertretern der Wirtschaft sind zwei Hauptkomplexe immer wieder aufgeworfen worden. Zum einen die Überregulierung der Unternehmen, die mittels bürokratischer Hürden behindert werden. Zum anderen die hohen Energiekosten in der Union. Die Budapester Erklärung hat als Ziel gesetzt, dass 25 Prozent der Meldepflichten von Unternehmen vor dem Ende dieses Semesters abgeschafft werden sollen. Die Kommission erarbeitet dafür Vorschläge. Wir sollten außerdem prüfen, wo Regulierung durch die EU durch Selbstregulierung ersetzt werden kann. Wir sollten aufhören, erst zu regulieren und dann mit industrieller Aktivität zu beginnen. Das ist die falsche Reihenfolge.
In den vergangenen Jahren haben Europa- und migrationsskeptische Parteien in immer mehr Ländern die Macht übernommen. Zu nennen sind Schweden, Italien, die Niederland aber auch weitere. Ist Ungarn jetzt in einer gestärkten Position?
Ich denke, dass auf der Rechten eine echte konservative europäische Alternative entsteht, die auf gemeinsamem Verständnis aufgebaut ist. Es geht dabei vor allem auch um den Schutz der Außengrenzen. Und Ungarn war immer auch ein Referenzpunkt in der Kooperation dieser politischen Strömungen. Das macht Ungarn stärker – aber auch die Union stärker.
Wie wird sich die Präsidentschaft Donald Trumps auf Ungarn auswirken? Mit seiner Initiative, die Kontrolle über Grönland zu gewinnen, beginnt er einen Konflikt mit Dänemark und der Union als Ganzes.
Wir erwarten, dass das Handeln der amerikanischen Regierung von nun an weniger von Ideologie und mehr von Pragmatismus geleitet sein wird. Das bedeutet auch, dass amerikanische Interessen an erster Stelle stehen werden. Das kann eine befreiende Erfahrung für die EU sein. Trumps Administration wird nach Deals und gegenseitig profitablen Lösungen suchen, von denen ich auch glaube, dass sie möglich sind. Was das Grönland-Thema angeht, wissen wir noch nicht genug. Aber die Kooperation zwischen den Staaten Europas basiert auf einer ernstgemeinten Kooperation und einem Respekt für die gegenseitige Souveränität. Das muss das Leitprinzip sein.
Bedeutet das, dass Ungarn im Falle eines Konfliktes mit den Vereinigten Staaten um Grönland uneingeschränkt an der Seite Dänemarks steht?
Es bedeutet, dass jede Entscheidung über den Verfassungsstatus von Grönland nur im Rahmen des derzeitigen Verfassungsstatus Grönlands getroffen werden kann.
Minister Bóka, wir danken für das Gespräch.
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Die Antworten des Ungarn waren samt und sonders auf Umgehung der Tretminen ausgelegt. Der sollte mal einen Schluck Aqua Trump zu sich nehmen.
Seltsam, alle, die nicht devot den Lemmingen der jeweiligen Nomenklatura folgen, sind keine „Demokraten“ oder gar ein „Außenseiterstaat“. Da kommt Nordkorea noch besser weg. Die Volksräte, die „ihre Demokratie“ und zwar nur „ihre“ mit Zähnen und Klauen verteidigen, haben noch nie einen Diskurs in Demokratie besucht oder haben es nicht verstanden – besser: Sie wollen es nicht verstehen, im Sinne des eigenen Machterhalts, Macht korrumpiert. Der Kommunismus ist schleichend wieder eingezogen in das scheindemokratische Parteienkonstrukt und die Hütten der Gut- und Bessermenschen auf allen politischen Ebenen. Auf der Lohnskala ganz oben, ohne jeden Leistungsanspruch oder Nachweis. Gelegentliche Anwesenheit und eine… Mehr
dass Ungarn eine Erweiterung der EU vorantreiben konnte….noch mehr EU – ja nein Danke. Schon jetzt ist diese EU doch nicht regierbar und das würde/wird mit einer noch größeren EU noch chaotischer. Wir brauchen weniger EU und nicht noch mehr die wir mit finanzieren dürfen. Wann wird Ungarn mal auf eigenen beinen stehen und uns nicht mehr via EU auf der tasche liegen?