Italienisches Schiff bringt Migranten zurück nach Libyen

Wie werden Migranten erst „Passagiere der lebensgefährlichen Mittelmeer-Überfahrt” und dann Flüchtlinge, die um politisches Asyl bitten?

TAHA JAWASHI/AFP/Getty Images
A Libyan coastguard uses a radar as he manoeuvrers a boat and patrols the area at sea between Sabratha and Zawiyah

Der Bericht auf Spiegel online dokumentiert in sich, ohne dass dies die Absicht sein dürfte, welches Menschen-verachtende Schleusergeschäft im Mittelmeer organisiert vor sich geht. SPON beginnt:

»Die „Asso 28“ hat Migranten in Seenot an Bord genommen – und nicht nach Italien gebracht, sondern zurück nach Libyen. Die Regierung in Rom jubelt, doch die Aktion war vermutlich illegal.«

Was ist Seenot in diesem konkreten Fall?

»Am Montag dieser Woche, gegen 16.30 Uhr, nahm das italienische Schiff „Asso 28“ aus einem überbesetzten Schlauchboot 101 Personen an Bord, darunter 5 Kinder und 5 schwangere Frauen. Das Boot dümpelte etwa 57 Seemeilen von Libyens Hauptstadt Tripolis und 105 Seemeilen von Italiens südlichster Insel Lampedusa…«

Warum dümpelt ein überbesetztes Schlauchboot dort? In Seenot geraten Passagiere, wenn ein Schiff havariert oder untergeht. Deshalb heißen solche Passagiere dann Schiffbrüchige. Hier sind 101 Personen (bei Zeit online 106) nicht schiffbrüchig geworden, nicht in Seenot geraten, sondern von kommerziellen Schleusern in ein Schlauchboot gesetzt worden, um die Pflicht der christlichen Seefahrt zur Rettung von Schiffbrüchigen als Mittel der Erzwingung von illegaler Einwanderung zu missbrauchen. Kein Einzelfall, sondern Methode. Dass dabei Migranten ums Leben kommen können, nehmen die Schleuser und alle, die ihnen helfen, nicht zuletzt jene in den beteiligten NGO menschenverachtend in Kauf.

Weiter bei SPON, dessen Korrespondent aus Rom berichtet, also auf Informationen Dritter angewiesen ist:

»Gegen 16.30 Uhr kam dann noch ein Boot der libyschen Küstenwache hinzu und geleitete die „Asso 28“ bis in den Hafen von Tripolis. Dort wurden die Passagiere erst auf das Boot der Küstenwache umgeladen und dann an Land gebracht. Besondere Vorkommnisse habe es nicht gegeben, erklärte die Reederei, auch keine Proteste der Migranten.»

Unter den Fragen, die der Korrespondent stellt, weil er sie nicht klären konnte, ist diese (Hervorhebung Redaktion):

»Wer hat den Notruf empfangen und weitergeleitet? Ist nicht bekannt. In aller Regel haben die Passagiere der lebensgefährlichen Mittelmeer-Überfahrt die Telefonnummer der italienischen Küstenwache von ihren Schleppern bekommen.«

Passagiere der lebensgefährlichen Mittelmeer-Überfahrt” werden „von ihren Schleppern« für die geplante Umwandlung zu Schiffbrüchigen in Seenot mit der „Telefonnummer der italienischen Küstenwache” ausgestattet. Da bleiben keine Fragen mehr offen, wovon die Rede ist.

Die nächste SPON-Frage:

»Weiß der Kapitän der „Asso 28“, dass er sich womöglich strafbar gemacht hat? Die libyschen Häfen werden von der EU als „nicht sichere Häfen“ eingestuft, da darf man Migranten nicht abladen.«

Hier ist nicht von Schiffbrüchigen die Rede, die „man nicht abladen darf”, sondern von Migranten (Frage an SPON: ist „abladen” hier die angemessene Wortwahl?). Vor allem: Ist Libyen ein „sicheres Herkunftsland” oder ein „sicherer Hafen”?  Das eine ist eine Frage der Asylgewährung, das andere der Seenotrettung: Ohne Zweifel ist Tripolis ein Hafen, in dem Schiffbrüchige Rettung finden. Und warum sind die Migranten, die keine Libyer sein dürften, dorthin gefahren, um dann von dort zu „flüchten”? Das wären Fragen, die klar gestellt und deren Antworten notwendig sind. Aber darum geht es nicht.

In der nächsten SPON-Frage der entscheidende semantische Wechsel (Hervorhebung Redaktion):

»Hatten die Flüchtlinge die Chance, auf dem Schiff um politisches Asyl zu bitten? Wenn nicht, könnte das ein weiterer Rechtsbruch sein.”

Wie werden Migranten erst „Passagiere der lebensgefährlichen Mittelmeer-Überfahrt” und dann Flüchtlinge, die um politisches Asyl bitten? Indem man illegale Einwanderer in Seenot organisiert. Diese Seenot ist keine Seenot, sondern so wie das Stichwort Asyl der systematische Missbrauch wichtiger Prinzipien – zu politischen und kriminellen Zwecken, die Grenzen zwischen beiden längst verschwommen.

Was der Vorgang im Mittelmeer im Internet auslöst, zeigt, mit welcher Aggressivität der Krieg um die „richtige” Meinung inzwischen ausgefochten wird (etliche Tweets zeigen wir wegen ihrer Ausdrucksweise nicht). Erreicht er mit dem vorliegenden Fall den Break-Even Point?

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Kommentare ( 119 )

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Delion Delos
6 Jahre her

Der Hinweis darauf, dass die Sache mit dem sicheren Hafen nur DANN gilt, wenn es sich um Schiffbrüchige handelt, ist immer wieder WICHTIG. Denn im vorliegenden Fall handelt es sich ja weder um Schiffbrüchige noch um Flüchtlinge. Diese Leute sind extra nach Libyen gekommen, um dann von dort in die EU aufzubrechen. Da brauchen sie sich also ganz offensichtlich nicht vor dem angeblich so furchtbar unsicheren Hafen in Libyen zu fürchten, von dem sie gerade kamen, denn von dort droht ihnen erkennbar keine Gefahr. Aus welchem Grund sollten die von Merkel & Soros eingeladenen Wirtschaftsflüchtlinge auch in Libyen gefoltert werden?… Mehr

Der Unzufriedene
6 Jahre her

Die jetzige Regierung soll ruhig so weiter machen und noch länger diskutieren, ob es Flüchtlinge oder in Seenot geraten Menschen sind oder nicht.
Die AFD ist doch schon bei 17% angekommen und die Union nur noch bei 29%.
Es wird nicht mehr allzu lange dauern und dann hat die AFD auch die Union eingeholt.
Dann wollen wir einmal hoffen, dass die AFD die ganzen Ingenieure und Ärzte schnellstens wieder da hin bringen, wo sie gebraucht werden.

Joachim
6 Jahre her

»Hatten die Flüchtlinge die Chance, auf dem Schiff um politisches Asyl zu bitten? Wenn nicht, könnte das ein weiterer Rechtsbruch sein.”

Es wird immer bizarrer. Nun muss also jedes Fischerboot, das evtl. Menschen in „Seenot“ rettet, eine Asylstelle für Europa an Bord haben? Und jeder der in (angeblicher) Seenot war, bekommt Asyl?

Ich pack mir an den Kopf und möchte mit diesem 3x hart auf der Tischkante aufschlagen.

AlNamrood
6 Jahre her
Antworten an  Joachim

Na klar, wenn auf jedem Firscherkahn ein Menschenrechtsexperte/offizieller Asylbeamter sitzt bedeutet das eine endlose Geldquelle für die Linke.

Delion Delos
6 Jahre her
Antworten an  Joachim

In Anbetracht Ihrer nur allzu verständlichen Wut möchte man ja fast schon empfehlen: „Nehmen Sie doch bitte hierzu einen anderen Kopf als den Ihrigen… es bieten sich doch einge Verantwortliche dazu an… ABER das könnte dann ja als Anleitung zu einer Straftat angesehen werden. Also empfehle ich das lieber doch NICHT. 😀

Winni
6 Jahre her

Es ist vollkommen absurd sich auf die Seenotrettungsdiskussion einzulassen. Es geht um grundsätzliches. Darüber muss entschieden werden.

nachgefragt
6 Jahre her

Solange Passagiere erfolgreich von Punkt A nach Punkt B gebracht werden, sind es Passagiere, nicht Schiffbrüchige. Egal wo und was Punkt B ist. Beim derzeitigen Verfahren gibt es ja faktisch keine Seenot, sondern Zubringer, die mit Migranten auf hoher See ihr Ziel anlaufen, um dann weiter gebracht zu werden. Wenn eine stille oder offene Vereinbarung da ist, dass jedes Schlauchboot abgeholt wird, was auch geschieht, kommt es nicht zur Seenot. Eine Seenot ist ein unvorhergesehenes Ereignis. Passagier-Transport hingegen ist eine durch und durch geplante Routine. Und der Transporteur an zweiter Stelle kann selbstverständlich bei Bedarf ein Alternativziel anvisieren. Schließlich wird… Mehr

Contra Merkl
6 Jahre her

Die Begrifflichkeiten verschieben sich je nach dem wem es gerade so in den Kram passt. Mal sind es Schiffbrüchige, auf einmal an Land sind es dann Flüchtlinge, und in Deutschland angekommen sind es plötzlich Migranten, die einen Asylantrag stellen. Ich hab noch nie erleben können, das alles was damit zu tun hat, derart auf den Kopf gestellt wird. Wegen der Ausländerbehörde bestellt NRW jetzt 128 Schuss und stichsichere Westen. Deutschland ist doch sicher wie selten zuvor, wegen Schutzsuchenden braucht es solche Westen? In Ellwangen sind da wegen dem ghanaer aus Togo 6 Hundertschaften Polizei eingelaufen. Da NRW ja weitere Versorgungssuchende… Mehr

CW
6 Jahre her

SPON ist wieder mal zu feige Kommentare zuzulassen, offenbar hat jetzt sogar die „linksliberale“ Leserschaft die Nase voll von den Lügen und Halbwahrheiten: „Leider erreichen uns zum Thema Flüchtlinge so viele unangemessene, beleidigende oder justiziable Forumsbeiträge, dass eine gewissenhafte Moderation nach den Regeln unserer Netiquette kaum mehr möglich ist. „

mlw_reloaded
6 Jahre her
Antworten an  CW

Ist mir ehrlichgesagt immernoch lieber als die Methode der ZEIT, nur gefällige Kommentare freizuschalten und Querulanten nach wenigen Fehltritten dauerhaft zu sperren. Manch mutigen Kommentator erkennt man am durchnummerierten Benutzernamen – ganz wie damals mit den Wankelmotorfahrern.

Joachim
6 Jahre her
Antworten an  mlw_reloaded

„Ist mir ehrlichgesagt immernoch lieber als die Methode der ZEIT, nur gefällige Kommentare freizuschalten und Querulanten nach wenigen Fehltritten dauerhaft zu sperren.“

Da sagen sie was. Und es sind ja noch nichtmal „Fehltritte“, bei denen gesperrt wird. Halt einfach 3x nicht im ZEIT-Geist gepostet, schon steht man auf der Liste. Dann gibt es evtl. ein als „Unterstellung“ oder sonstwas gebrandmarktes Posting, und weg ist der Account.

Aber die, die im ZEIT-Geist posten, die dürfen unterstellen und sämtliche Regeln brechen, provozieren, usw. usf.

Düstere Zeiten in denen wir leben.

Delion Delos
6 Jahre her
Antworten an  Joachim

Warum um alles in der Welt LESEN Sie denn noch die Zeit? Jeder einzelne KLICK bringt dieser Zeitung Einnahmen, egal, ob Sie den Artikel gut finden oder sich ärgern. Nur dann, wenn nichts mehr angeklickt wird, sinken die Einnahmen und nur DANN ist es irgendwann vorbei mit der Mediendiktatur. Einfach NICHT mehr lesen.

AlNamrood
6 Jahre her
Antworten an  mlw_reloaded

Die Zensoren bei Zeit erkennen meist neue Accounts von gesperrten Nutzern. Wer zu oft die falsche Meinung äußert kriegt Hausverbot. Besonders amüsant: Nur weil der eine Malte-Sören-Irgendwas-mit-Menschen-Student der da als Zensor sitzt einen Beitrag erlaubt bedeutet das nicht, dass die nächste Viktoria-Chantalle-Genderwissenschaften-Studentin das auch so sieht. Man wird auch mal nachträglich für angeblich legitime Kommentare gesperrt.

Abl
6 Jahre her
Antworten an  CW

Ja, man will euch maulstad machen damit ihr zukünftig solche Berichte nicht mehr veröffentlicht.
Aber, als begeisterter Leser wünsche ich mir genau das von euch, legt weiterhin die Fingern in die Wunde und berichtet sachlich über diese und ähnliche Missstände.
Lese neben den österreichischen online Zeitungen auch noch Welt de und Zeit online und muss in letzter Zeit des öfteren feststellen das einige Lesermeinungen gar nicht der des Berichterstatters entsprechen, ja manchmal sogar aufs schärfste Widersprechen.

Ein begeisterter Leser von TE

HavemannmitMerkelBesuch
6 Jahre her

Der normal sozialisierte Bürger kann das alles gar nicht mehr glauben noch ertragen! Leider hatten zur Bundestagswahl offensichtlich noch viele Wähler durch die undemokratische, Kritiker stigmatisierende und diskriminierende Volksverhetzung durch das herrschende Regime über mißbrauchte öffentliche Medien, die auch aktuell täglich gegen den verfassungsgemäßen Auftrag Recht brechen und nur tendenziösen einseitigen verzerrenden diskriminierenden Meinungszwang der Herrschenden abbilden, zu wenig Mut der einzigen echten demokratischen Opposition die Stimme zu geben. Aber diese erkennen jetzt schon, wie falsch es war, den ideologischen Durchhalteparolen des sterbenden Regimes Glauben zu schenken. Man geht überall durch Deutschland und meint sich nach Kabul oder Mogadishu gebeamt…unglaublich,… Mehr

schmittgen
6 Jahre her

Dass wie es hier mit an Heuchelei und Verlogenheit nicht mehr zu überbietenden Umständen zu tun haben, dürfte jedem mit klarem Menschenverstand ausgestatteten Leser klar sein. Aber wo wir schon bei juristischen Spitzfindigkeiten sind: Der Kapitän der „Asso 28“ hat die illegalen Einwanderer ja nicht in einem libyschen Hafen abgesetzt, sondern an ein Schiff der lyrischen Küstenwache übergeben. Somit hat er sich auch nach diesem ominösen „EU-Recht“ nicht strafbar gemacht. Aber was soll’s.
Man kann den Italienern nur zurufen „ Bitte weiter so!“

Ali
6 Jahre her

Und wenn ich nun in Italien zu weit rausschwimme? Habe ich dann auch ein Anrecht darauf, das die Schlepper, pardon die selbsternannten Seenot-Retter, mich nach Lybien an Land absetzen so ich das will?

Diese Aktion war die erste vernünftige, seit diese widerrechtliche Invasion auf EUropa in 2015 losging. Ich begrüße das Vorgehen außerordentlich!