Fünf Jahre Haft für Cola im Freien? Die Irrwege der Corona-Gesetzgebung

Verstöße gegen das neue Infektionsschutzgesetz können mit bis zu 5 Jahren Gefängnis geahndet werden. Juristen sind der Meinung, dass die Vorschrift in den seltensten Fällen greifen dürfte. Sollen die Bürger bewußt verunsichert werden?

imago images / Panthermedia

In einer Kolumne kritisiert Jan Fleischhauer das neue Infektionsschutzgesetz scharf. Bis zu fünf Jahre Haft drohten, wenn man in der Öffentlichkeit eine Cola trinke oder nachts nach 22 Uhr rausgehe, schreibt der Focus-Kolumnist am Dienstag. „Im ersten Moment dachte ich, das sei ein Witz.“ Das habe es nicht einmal in der DDR gegeben. Und dabei gebe es ernsthafte Zweifel, ob Ausgangssperren etwas bewirkten. „Ob alle Abgeordneten wissen, was sie mit dem neuen Infektionsschutzgesetz beschlossen haben?“, fragte sich Fleischhauer. Die Frage Fleischhauers ist berechtigt. Warum beschließt der Gesetzgeber so etwas – und wie entkommt man dem?

Es geht um die Paragrafen 73 und 74 im Infektionsschutzgesetz. Darin heißt es, dass „mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe“ bestraft wird, wer einen Krankheitserreger – etwa das Coronavirus – vorsätzlich „verbreitet“ und dabei gegen bestimmte Notbremsen-Vorschriften verstößt. Etwa: die Ausgangssperre missachtet, Präsenzunterricht durchführt, sein Geschäft öffnet oder an einer Zusammenkunft teilnimmt.

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Juristen geben indes Entwarnung. Etwa hält ein Strafrichter im Gespräch mit TE Haftstrafen für unwahrscheinlich. Der Mann möchte anonym bleiben, weil ansonsten ein Befangenheitsantrag gegen ihn in Strafsachen drohen könnte, wie er sagt. Corona-Verstöße sind laut ihm grundsätzlich Ordnungswidrigkeiten. Eine Straftat könne erst daraus werden, wenn durch die Handlung das Virus tatsächlich verbreitet worden sei. „Das halte ich allerdings für praktisch nicht nachweisbar“, sagt der Jurist, der den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung äußerst kritisch gegenüber steht.

Seines Erachtens laufe die Strafnorm weitestgehend leer, etwa bei größeren Ansammlungen. „Im privaten Bereich könnte ich mir vorstellen, dass ein Richter aufgrund von nur wenigen Personen, die zusammen gekommen sind, von denen lediglich zwei Symptome haben, der eine davor und der andere danach, zur Überzeugung einer Strafbarkeit gelangt“, erklärt er. Ein guter Verteidiger müsste aber dagegen halten können. Das Problem sei die Kausalität, also das Person A Person B angesteckt hat. Die lasse sich „in den seltensten Fällen“ nachweisen, selbst im privaten Bereich. Denn aufgrund der langen Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit könnte eine Person sich auch anderswo angesteckt haben.

Auch Ingo Rau, ein Oberstaatsanwalt aus Göttingen, sieht das offenbar so. Der Jurist schreibt in dem Fachaufsatz „Straftaten nach dem Infektionsschutzgesetz in der aktuellen Corona-Pandemie“, dass Kausalität vorliegen müsse, damit ein Beschuldigter nach Paragraf 74 verurteilt werden könne. „In der aktuellen Corona-Pandemie wird sich diese Kausalität regelmäßig nicht nachweisen lassen“, sagt er. Wegen des Grundsatzes „Im Zweifel für den Angeklagten“ müsse man „immer“ annehmen, dass sich der Geschädigte auch anderswo angesteckt haben könne.

Gleichwohl: Die Frage bleibt offen, warum der Gesetzgeber überhaupt so hohe Strafen in das Infektionsschutzgesetz gepackt hat und Verstöße nicht einfach Ordnungswidrigkeiten sein lässt. Jan Fleischhauer wird dabei offenbar etwas mulmig zumute. Er habe einen Freund, der sich über das neue Gesetz Sorgen machte, zu beruhigen versucht, aber konnte sich selbst nicht mehr richtig glauben. „Ich kam mir vor wie jemand, der einem Verletzten, der mit dem Bein unter den Laster geraten ist, versichert, dass er sich keine Sorgen machen müsse”, schreibt Fleischhauer.

Vielleicht ist das die eigentliche Absicht: Die Bevölkerung zu erschrecken. Noch schützt die Rechtsprechung den Bürger vor solchen Irrwegen. Aber offensichtlich soll das bestehende Recht von oben ausgehebelt, der Zugang zum Rechtssystem erschwert werden. Was also heute noch unglaublich erscheint, kann morgen schon bittere Wirklichkeit werden.

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Kommentare ( 66 )

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jopa
3 Jahre her

Vorsätzlich verbreiten werden es AfD, Querdenker und andere. Die kann man jetzt ganz legal ausnehmen. Für alle anderen „wird sich diese Kausalität regelmäßig nicht nachweisen lassen.“ Also Rechtssprechung nach Gutsherrenart.

HavemannmitMerkelBesuch
3 Jahre her

Ob sich die Abgeordneten darüber klar waren was sie da beschließen???!!? – ein Witz, die Frage ist, ob sich das Volk darüber klar war, so etwas ohne die Gegenwehr von hundertatusenden in den Straßen wie 1989, hinzunhemen!!!

brummibaer_hh
3 Jahre her

Ich muss mich doch wundern. Ja, ich hatte in Focus Online die Kolumne des Herrn Fleischhauer gelesen, nach der man im Zweifel wegen Cola trinken nach 22 Uhr zu 5 Jahren Haft verurteilt werden könne. Inzwischen haben sich auhc zahlreiche Volljuristen dazu geäußert. Deshalb verwundert mich, dass Sie diese seltsame Konstruktion hier, wissend um die juristische Falschbetrachtung, wiederholen. § 73 Infektionsschutzgesetz droht keine Strafen, sondern Bußbelder, unter klar definierten Umständen bis zu € 2.500 bzw. bis zu € 25.000 an. § 74 droht Strafen bis zu 5 Jahren Haft an für den Fall, dass jemand durch wissentliches Missachten der 22… Mehr

eifelerjong
3 Jahre her
Antworten an  brummibaer_hh

§ 74 droht Strafen bis zu 5 Jahren Haft an für den Fall, dass jemand durch wissentliches Missachten der 22 Uhr-Regelung sich nachweislich infiziert und diese Infektion dann jemand überträgt, der dann an Covid19 erkrankt oder verstirbt.“
Steht es so im Gesetzestext, brummibaer_hh, oder nicht?
Ist, einen „Extremfall“ zu konstruieren, für einen Richter unmöglich, so er Interesse daran hat?

ebor
3 Jahre her
Antworten an  brummibaer_hh

Ich sehe in 74 IfSG sehr wohl eine erhebliche Verschärfung: 74 IfSG sagt nicht, daß nur bestraft wird, wer den Krankheitserreger auf jemanden überträgt, der „dann an Covid19 erkrankt oder verstirbt“, wie Sie meinen. Den Krankheits- bzw. Todeserfolg braucht es gerade nicht, der Krankheitserreger muß nach vorsätzlichem Verstoß gegen die gesetzlichen Anordnungen in 73 nur verbreitet werden, damit der Strafrahmen von 5 Jahren eröffnet ist.  Wie Sie zurecht anmerken, gilt derselbe Strafrahmen für Körperverletzung 223 StGB. Während die Körperverletzung aber voraussetzt, daß auch wirklich eine Körperverletzung eingetreten ist (Erfolgsdelikt), reicht bei 74 IfSG die bloße Verbreitung, also mithin die Gefahr der aus der… Mehr

Haerter
3 Jahre her

Unwahrscheinlich? Eine Persona non grata darf man dann aber mal wergsperren. Broder hat mal von Deutschland als überdachtem Irrenhaus gesprochen, Recht hat er, und es wird nicht besser. Wo sind sie alle, die Intellektuellen, Richter, Anwälte, Ärzte? Nur nicht aufmucken, das könnte Ärger geben. Jetzt versteht man, wie der Österreicher an die Macht kommen konnte.

Thomas Riessinger
3 Jahre her

Das zitierte Prinzip „Im Zweifel für den Angeklagten“ ist ein rechtsstaatliches Prinzip. Der Rechtsstaat in Deutschland wurde erfolgreich ausgehebelt. Auf den nötigen Nachweis einer Kausalität sollte man sich nicht verlassen; Richter mit richtiger Haltung gibt es genug.

eifelerjong
3 Jahre her

„Gleichwohl: Die Frage bleibt offen, warum der Gesetzgeber überhaupt so hohe Strafen in das Infektionsschutzgesetz gepackt hat und Verstöße nicht einfach Ordnungswidrigkeiten sein lässt.“
Das fragen Sie ernsthaft, Herr Fleischhauer?
WEIL der Gesetzgeber glaubt es zu KÖNNEN, da die tumbe Bevölkerung es zulässt ohne ihn auf der Straße in die Schranken zu weisen!
We4il mit dieser Strafandrohung von 5 Jahren Haft jeder unterbelichtete Ordnungshüter glaubt Angst verbreiten zu können, anstatt ihn an Ort und Stelle schallend auszulachen!

Klaus Kabel
3 Jahre her

Gestern Ausgangssperre ignoriert. Mit einer Dose Bier auf der Bank gesessen. Keine Polizei weit und breit.

Physis
3 Jahre her
Antworten an  Klaus Kabel

Die saßen alle auf der anderen Seite des Parks auf der Bank…

eifelerjong
3 Jahre her
Antworten an  Klaus Kabel

Die war wohl zu diesem Zeitpunkt beim Politkommissar zur Unterweisung.

Andreas A.
3 Jahre her

Der besagte Richter benötigt offensichtlich eine kleine Nachhilfe in Sachen Strafrecht.
Es ist nämlich nicht zutreffend, dass „man“ im Zweifel für den Beschuldigten zu entscheiden habe. Nicht „man“ muss irgend etwas annehmen oder nicht, vielmehr muss der betreffende Richter (sic.), und sonst niemand, von der Schuld des Beschuldigten überzeugt sein. Oder eben nicht. Hat der betreffende Richter keine Zweifel, kommt es zu einer Verurteilung. Basta.

Axel Fachtan
3 Jahre her
Antworten an  Andreas A.

Mein Herr, ich sagte ja schon, dass Sie darüber nachdenken sollten, ob Sie sich selbst überschätzen. Sie meinen nun, dass Sie zum Nachilfelehrer für einen Volljuristen taugen. Schon Ihre Begrifflichkeit zeigt aber, dass Sie mit den Grundbegriffen des Strafrechts nicht klar kommen. Im Strafverfahren gibt es zumindest 3 Begrifflichkeiten, die auch der Nichtjurist kennen sollte, bevor er anfängt, Volljuristen Nachhilfe erteilen zu wollen. 1) Beschuldigter. Das ist jeder, dem ein strafrechtlicher Vorwurf gemacht wird. Das ist die Begrifflichkeit im Ermittlungsverfahren. Dieses Verfahren kann z.B. auch mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt werden. 2) Angeschuldigter. Der Staatsanwalt hat Anklageschrift oder Strafbefehlsantrag bei Gericht… Mehr

Axel Fachtan
3 Jahre her

Gefährliches Halbwissen prägt leider oft die Diskussion. Und auch Herr Fleischhauer verbreitet es. Er will dadurch Aufmerksamkeit in der marktschreierischen Diskussion erringen. Zur Wahrheitsfindung hat er so leider nicht beigetragen. Sondern das gefährliche Halbwissen verbreitet sich in der Öffentlichkeit. In aller Regel droht für die Verstöße gegen das Infektionsgesetz k e i n e Freiheitsstrafe. Das sind alles Ordnungswidrigkeiten, die auch mit teueren Bußgeldern belegt werden können. Gefängnis droht da n i c h t. Wer anderes behauptet, heizt nur eine ohnehin überhitzte öffentliche Diskussion an und schürt die Hysterie. Und er könnte es besser wissen. Auch und gerade Herr… Mehr

Andreas A.
3 Jahre her
Antworten an  Axel Fachtan

Vorgesehen sie die Strafen, die im Gesetz stehen. Auch wenn Ihnen das nicht passt. Leider kommt es bei der Strafzumessung nicht darauf an, was Sie persönlich für angemessen halten.

Axel Fachtan
3 Jahre her
Antworten an  Andreas A.

Mein Herr, Sie halten lieber an Fakenews fest, als sich der Realität zu stellen. Ich bin mir relativ sicher, dass Sie den Gesetzestext nicht gelesen haben. Und trotz meiner Erläuterung haben Sie sich nocht nicht damit beschäftigt, was wirklich gilt.
Viele wollen eben einfach glauben, dass die Regierung komplett irre ist. Viele geben sich mit Fakenews zufrieden.
Dass die Regierung komplett irre ist, lässt sich ja vielleicht auch mit Fakten belegen. Fakenews aber sollten nicht die Diskussion bestimmen.

Georg1
3 Jahre her
Antworten an  Axel Fachtan

Ich denke, Du solltest eben nicht so arrogant auf die Anderen einschlagen, sonst kommt sicherlich was Adäquates zurück. Wer bist Du eigentlich? In der jetzigen Realität, wenn ein „Cola-Verbrecher“ in der „Ausgangssperre“ seine Cola-Whisky auf der Parkbank trinken würde und von der Polizei geschnappt wäre, bekäme er mit Sicherheit eine Geldstraffe von mindestens 20.Tsd. €. Diese kann er aber nicht bezahlen (!!) Was dann? Du Schlaumeier. Ich denke Du bist Derjenige, der ein unqualifiziertes, realitätsfernes Zeug verbreitet.

Axel Fachtan
3 Jahre her
Antworten an  Georg1

Mein Herr, tatsächlich sind wir nicht per Du und werden auch niemals per Du sein. In diesen Zeiten geistiger Verwirrung folgen viele lieber den Fakenews, als sich den Fakten zu stellen. Den Fall, für den es bis zu 5 Jahre Gefängnis gibt, habe ich oben beschrieben. Ich bin mir sicher, dass Sie den Gesetzestext nicht gelesen haben und auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz staatlichen Handelns und des Strafrechts nicht nachvollzogen haben. Sie wollen einfach in Ihrer Filterblase den Glauben verbreiten, wie „komplett irre“ der Staat geworden ist und wieviel schlauer Sie doch reigieren würden. Könnte ein Fall von Selbstüberschätzung sein. Herr Fleischhauer… Mehr

Bernhard J.
3 Jahre her
Antworten an  Axel Fachtan

Das mag ja alles stimmen, was Sie hier zu den Bußgeldern und auch zu möglichen Haftstrafen ausführen, nur ändert das doch nichts an dem Faktum, dass hier mittels einer völlig überzogenen, dauernd modifizierten Gesetzgebung, der dem normalen Anliegen eines Gesetzesgebers widersprechende Zweck der massiven Einschüchterung der Bevölkerung verfolgt wird, um einen indirekten Impfzwang auszuüben. Man beachte, dass sich aktuell in einem Jahr gerade mal 3,4 Millionen Menschen auf Grundlage der PCR Tests in D als infiziert gemeldet wurden. Aerosolforscher, wie Dr. Christof Asbach, Dr. Gerhard Scheuch und weitere haben in einem offenen Brief an die Kanzlerin aufgezeigt, dass die restriktiven Maßnahmen… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Bernhard J.
Georg1
3 Jahre her
Antworten an  Axel Fachtan

Lieber Axel, eigentlich hat ein Kommentator (Bernhard J.) schon auf deine Angriffe gegen mich und die Anderen, kurz und klar geantwortet. Vorwürfe, die (unsere) mangelhafte Sachkenntnisse belächeln, unter Pranger stellen, und uns als juristischen Deppen entlarven sollen, zeichnen schon deutlich die Konturen deines geistigen Zustands. Und im Prinzip, geht es hier nicht mehr so direkt um dieses „Gesetz“ und seine Auslegung, in die du dich so blutig reingebissen hast, aber um das Gesamte. Ich bezeichne das als „eine blinde Arroganz der Macht“. Es gibt Spezies in diesem Lande, die anderen Selbstüberschätzung vorwerfen, ohne zu merken, daß ihre eigene, sehr eklige… Mehr

Bernhard J.
3 Jahre her

„Vielleicht ist das die eigentliche Absicht: Die Bevölkerung zu erschrecken.“ Wer die zunehmend aggressiv geführte Diskussion um die Impfungen verfolgt, kann sich leicht einen Reim darauf machen! Die Menschen sollen über den Weg massivster Schikane, Drangsalierung und Stigmatisierung zur Impfung gezwungen werden. Es geht um Unterwerfung! Die Bürger sollen dazu „erzogen“ werden, zukünftig zu parieren und vor allem keine Mündigkeit zu zeigen. Eigenes Denken und eigenverantwortliches Handeln werden zunehmend kriminalisiert. Wir sind auf dem Weg in eine neue Gesinnungsdiktatur, die immer regressiveren Charakter annimmt. Jeglicher Diskurs über Sinn und Zweck politischen Handelns soll unterbunden werden. Die dauernden „Änderungen“ des Infektionsschutzgesetzes… Mehr